Susanne Menge: Rede zur Gesundheitsversorgung in der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

unter den Geflüchteten herrscht nach Darstellung der LAB und auch des Flüchtlingsrats aus unterschiedlichen Gründen eine große Impfskepsis aufgrund von Fake News, schlechten Erfahrungen mit Impfungen im Herkunftsland, sowie fehlenden persönlichen Erfahrungen mit schweren Corona-Verläufen. Vor allem die Angst vor Abschiebung, wenn man erst einmal geimpft wurde, ist groß.

Wenn, wie die LAB betont, allen dort wohnenden impfwilligen und -fähigen Geflüchteten bereits ein Impfangebot gemacht wurde, dann müssen wir alle noch deutlich an der Aufklärung zwecks Steigerung der Impfbereitschaft arbeiten

Hier setzt die gemeinsame Impfkampagne des Flüchtlingsrats, der Landesbeauftragten für Migration und Teilhabe und der Lotto-Sport-Stiftung an der richtigen Stelle an. Wir zollen allen Akteurinnen und Akteuren unseren vollen Respekt.

Dass der Bundesgesundheitsminister eher daran denkt, an die Schwächsten unserer Gesellschaft minderwertiges Schutzmaterial auszugeben, setzen Sie an der richtigen Stelle an, gemeinsam mit zivilgesellschaftlichen Gruppen wie dem Flüchtlingsrat nun endlich für alle der Priogruppe 2 effektiven Schutz herzustellen.

Das hilft allen – selbstverständlich auch allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Einrichtungen, die täglich in Kontakt sind.

Landesweit sind nur rund 20 Prozent aller Geflüchteten in der Landesaufnahmebehörde erstgeimpft.

Regional gibt es teils deutliche Abweichungen, wie etwa in Blankenburg, wo es rund 40 Prozent sind.

In der Gesamtbevölkerung liegt die Vergleichszahl bei knapp 50% Prozent für die Erstimpfung.

 

Anrede,

wenn es infolge eines lokalen Corona-Ausbruchs zur Quarantäne kommt, sind in der LAB immer sofort große Personenzahlen betroffen. Deshalb muss hier unbedingt gegengesteuert werden. Und es muss genau für solche Fälle, die ja auch mal andere Gründe als Corona haben können, ein landesweites Konzept zur Versorgung der in Quarantäne befindlichen LAB-Bewohner*innen mit Gütern des täglichen Bedarfs entwickelt werden.

Alldem muss man begegnen durch Hinzuziehung von medizinischen Fachleuten in der Landesaufnahmebehörde. Deshalb fordern wir in unserem vorliegenden Antrag, in der LAB Niedersachsen eindeutige Zuständigkeits- und Verantwortlichkeitsregelungen bezüglich medizinischer und gesundheitlicher Maßnahmen, insbesondere mit Bezug zum Pandemiegeschehen, zu treffen, und dabei immer einen Arzt oder eine Ärztin verantwortlich miteinzubinden.

Daraus würde sich eine größere Sensibilität für die Gesundheitsversorgungsbedürfnisse und -probleme der LAB NI-Bewohner*innen ergeben, und es wäre vermutlich leichter, die erforderlichen Maßnahmen, die wir ebenfalls in unserem Antrag anregen, umzusetzen.

Eine funktionierende Gesundheitsversorgung schützt vor weiteren Infektionen und gibt sowohl den Bewohner*innen als auch den Bediensteten in der LAB NI Sicherheit.

Wir fordern deshalb zudem, in der gesamten LAB NI kurzfristig eine Patienten-Software zu installieren, die auch von den behandelnden Haus- und Fachärzt*innen mitbenutzt werden kann, die die Dokumentation von Arzt-Patient*innen-Gesprächen, Facharztüberweisungen, Durchführung und Dokumentation von Untersuchungen und Behandlungen sowie die Ausstellung von Rezepten beinhaltet und die es ermöglicht, den Krankheits- und Impfstatus der LAB-Bewohner*innen so aufzubereiten, dass alle beteiligten behandelnden Ärzt*innen insbesondere im Pandemiegeschehen schnell handeln können. So etwas sollte doch heutzutage eine Selbstverständlichkeit sein, weil es hier um die grundlegende Ausstattung für ärztliches Arbeiten geht.

Auch die Honorarbasis der Ärzt*innen in den verschiedenen LAB NI-Standorten muss endlich einheitlich geregelt werden, um gleiche und attraktive Voraussetzungen für alle zu schaffen.

Ein ganz wichtiger Punkt ist, dass dem in der LAB NI tätigen Personal, sei es das medizinische Personal, sei es die Security, seien es die Dolmetscher*innen oder Sozialarbeiter*innen, Schulungen zum kultursensiblen Umgang mit den Bewohner*innen der LAB NI, zu diskriminierungsfreier Kommunikation, Posttraumatischen Belastungsstörungen und anderen psychischen Erkrankungen anzubieten sind. Damit würde sowohl den Bewohner*innen als auch dem Personal ganz wesentlich geholfen, zu einem besseren gegenseitigen Verständnis beigetragen und der Umgang miteinander erleichtert.

Auch die von uns geforderte Einführung des aus dem niedersächsischen Justizvollzug bekannten Videodolmetschens in der LAB NI würde an dieser Stelle helfen.

Und schließlich sind die Ursachen für Suizide und Suizidversuche von Bewohner*innen der LAB NI allgemein und insbesondere die Häufung im Raum Osnabrück näher zu untersuchen. In der Antwort auf unsere Anfrage in Drucksache 18/8966 ist eine verhältnismäßig hohe Zahl von Suizidversuchen an den Standorten Osnabrück und Bramsche zu erkennen. Hier besteht dringender Aufklärungsbedarf.

Vielen Dank.

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