Susanne Menge: Rede zu #BlackLivesMatter (Aktuelle Stunde GRÜNE)

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

„Ach, Entschuldigung, Negerkuss darf man ja nicht mehr sagen.“ Meint, ich will es aber eigentlich doch sagen, denn es ist eine Süßigkeit, ich bin keine Rassistin.

Alle Bereiche unseres Lebens und unserer Wirklichkeit werden durch Sprache strukturiert. Begriffsbildung ist somit Ordnung und Aneignung der Wirklichkeit.

Und Rassismus spüren wir manchmal nur deshalb nicht, weil es völlig normal für uns ist „schwarz zu sehen“, von Schwarzfahren und Schwarzarbeit zu sprechen. 

Negative Eigenschaften werden in vielen Sprachen, einschließlich der deutschen, mit der schwarzen Farbe assoziiert.

Weiß hingegen, z.B. eine „weiße Weste zu haben“, ist grundsätzlich positiv besetzt, steht für das Unschuldige, Wahre, Gute.

Ein deutscher Konditor erfand den Namen Mohrenkopf zu einer Zeit, in der das zweite deutsche Kaiserreich (1871-1918) mit einer aggressiven Kolonialpolitik die einheimische Bevölkerung in Ost-, Südwest- und Westafrika unterwarf.

Wir alle kennen Fotografien von Menschen aus den Kolonien, die in den sogenannten Völkerschauen vorgeführt wurden. Aus dieser Zeit stammen auch der Sarotti-Mohr, diverse Mohren-Apotheken, Gasthäuser namens "Zu den drei Mohren" oder die Berliner Mohrenstraße.

„Du wirst immer reduziert auf deine Hautfarbe“, so die Historikerin Katharina Oguntoye. Wo Rassismus herrscht, ist sicherlich nicht-rassistische Sprache kaum möglich.

Trotzdem - das eigene Denken zu hinterfragen und zu ändern muss unser Ziel sein.

Eine Parole „BlackLivesMatter“ trägt gerade viele von Rassismus betroffene Menschen. Sportlerinnen und Sportler weltweit üben Solidarität mit einer Bewegung, die in Deutschland für heftige Diskussionen sorgt.

Deutschland im 21. Jahrhundert:

2005: Der in Sierra Leone geborenen Oury Jalloh stirbt in einer Zelle der Dessauer Polizei. Vermutlich wurde er umgebracht.

Die folgenden Zitate stammen von AfD-Politikern:

"Die Evolution hat Afrika und Europa – vereinfacht gesagt – zwei unterschiedliche Reproduktionsstrategien beschert."

Man müsse den Satz von Max Frisch, „dem zufolge wir Gastarbeiter riefen, aber Menschen bekamen, vielleicht korrigieren: Wir riefen Gastarbeiter, bekamen aber Gesindel“.

"Die Leute finden ihn als Fußballspieler gut. Aber sie wollen einen Boateng nicht als Nachbarn haben."

 

2000 – 2007: Der NSU ermordete neun Migranten und eine Polizistin, verübten 43 Mordversuche, drei Sprengstoffanschläge und 15 Raubüberfälle. Verdächtigt wurden zunächst die Familien der Opfer. Erst 2011 erfuhr die Öffentlichkeit von der gezielten Tötung ausländischer Mitbürger*innen.

2013: Der SPD-Politiker Karamba Diaby wird wegen seiner Hautfarbe massiv bedroht und beleidigt.

2018: Drohungen gegen die Frankfurter Anwältin Seda Basay-Yildiz, die offenbar von einem Frankfurter Polizeirevier ausgingen. Ermittler stießen dann auf rechtsradikale Chatgruppen.

2020: In der hessischen Stadt Hanau erschießt ein Mann neun Menschen. Der Generalbundesanwalt sieht „gravierende Indizien für einen rassistischen Hintergrund“.

2020: Der VW-Konzern bewirbt mit einem Video den neuen Golf und ruft das Video wegen seiner grenzwertigen und komplett rassistischen Wirkung sofort wieder zurück.

Dagegen stehen:

  • Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Landesaufnahmebehörden, die zumeist unter schwierigen Arbeitsbedingungen innerhalb der Einrichtungen ein soziales Miteinander mit unterschiedlichen Menschen aus anderen Ländern gestalten.
  • Polizistinnen und Polizisten, die sich gegen Rassismus stemmen, z.B. die Autobahnpolizisten, die einen Frankfurter Oberkommissar anzeigen, der einen Mann als Negersau und Tier bezeichnet hat.
  • Die IG-Metall, die mit Aktionen dazu auffordert, aufzustehen gegen Rassismus und Stammtischparolen.
  • Zivilgesellschaftliche Initiativen, die sich ehrenamtlich für ein gerechtes Miteinander engagieren.
  • Die katholische Kirche in Krefeld hat die Weiterverbreitung eines Malbuchs der nordrhein-westfälischen AfD-Landtagsfraktion verhindert. Eine Zeichnung zeigt unter dem Banner „Wir baden das aus“ Vollverschleierte in einem Schwimmbad und stilisierte Afrikaner, die badende Frauen belästigen. Zudem wird ein Messer ins Bild gehalten.

Gegen Rassismus wenden sich auch die vielen internationalen Partnerschaftsprojekte, in denen wir uns auf andere Kulturen einlassen und verstehen lernen.

Und gegen Rassismus wenden Sie sich, sehr geehrter Herr Ministerpräsident und sehr geehrte Kabinettsmitglieder, die die Steuerungsgruppe aus Ministerien, dem Praxisbeirat aus 20 zivilgesellschaftlichen Organisationen und der Stadt Hannover unterstützt haben. Sie alle haben unter dem Slogan „Wir sind Niedersachsen. Für Vielfalt. Gegen Rassismus“ befürwortet, im Nachtragshaushalt 1,2 Mio. Euro bereitzustellen für einen Start des Aktionsprogramms gegen Rassismus. Dieser Aktionsplan soll von allen Landesministerien, dem Ministerpräsidenten und der Staatskanzlei getragen werden. Er umfasst eine Themenkampagne über ein Jahr sowie die Entwicklung von nachhaltigen menschenrechtsorientierten und demokratiestärkenden Maßnahmen im Rahmen eines 5-Jahresplans. Die Zivilgesellschaft soll eingebunden werden.

Am 8.4.2020 hat die STK den Plan begrüßt und wie folgt Stellung genommen:

„Das Vorhaben wird in organisatorischer Hinsicht mit der Maßgabe unterstützt, dass die Stabsstelle nicht bei der StK, sondern beim MJ/Landespräventionsrat eingerichtet werden soll. Im Übrigen wird der Vorschlag einer ressortübergreifenden Themenkampagne wie auch eine Beteiligung des Herrn MP unterstützt. Im Hinblick auf die aktuelle Lage sollte der Beginn so stattfinden, dass die Maßnahmen nicht leerlaufen“.

Der Landesregierung bringt einen 2. Nachtragshaushalt auf den Weg mit 8,4 Milliarden Euro.

Die Vierte Säule des Nachtragshaushalts soll wichtige gesellschaftlicher Bereiche unterstützen. Dafür sind 700 Millionen Euro vorgesehen.

Jetzt sagt das Finanzministerium, es sei zur Zeit kein Geld vorhanden, um den Aktionsplan umzusetzen – ohne mit der Steuerungsgruppe darüber zu kommunizieren.

Wir bitten Sie dringend, dass Sie nachholend mit der Steuerungsgruppe über Nachbesserungen sprechen. Denn auch kleine Summen sind für viele Projekte überlebenswichtig und ermöglichen ihnen überhaupt erst den Start ihrer Arbeit.

„Der Rassismus muss kontinuierlich neu verlernt werden“.

Das beginnt bei gegenseitigem Respekt, gegenseitiger Achtung.

Ich zitiere abschließend ein Mitglied aus der der Steuerungsgruppe:

„Wir müssen den strukturellen Rassismus angehen, um Menschen, die betroffen sind, ein Signal zu geben, dass sie zu Niedersachsen gehören.“

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