Susanne Menge: Rede "Vertrauensstelle für Polizeibeamte" (Antrag FDP - TOP 23)

- Es gilt das gesprochene Wort -

achtsam mit Haltungen, persönlichem Befinden und dem Schutz der Persönlichkeitsrechte umzugehen, um Grenzverletzungen und Übergriffe zu vermeiden, ist Prinzip von Prävention.

Mitarbeiter:innen einer Vertrauensstelle nutzen diese Prinzipien, um z.B. Strafanzeigen oder Dienstaufsichtsbeschwerden zu vermeiden. Es gilt, Lösungen in einem Konflikt zu suchen und eine geeignete Methodik zu kennen.

Es bedeutet auch, Belastungen Einzelner ernst zu nehmen, um bestenfalls Konflikte in ein vernünftiges Miteinander zu wenden und Ursachen für Konflikte zu analysieren.

Warum tun wir uns in Niedersachsen immer wieder so schwer mit sozialen Maßnahmen außerhalb von staatlichen Institutionen? Warum beharren vor allem Sie in Diskussionen zu unabhängigen Einrichtungen, wie einer Vertrauens- oder Beschwerdestelle, darauf, dass wir so etwas in Niedersachsen nicht bräuchten, weil es Misstrauen gegenüber der Polizei stärke?

Unter dem Motto „Polizeischutz für Demokratie“ werden Demokratiebeauftragte bei der Polizei geschult. Dies ist ein sehr guter Ansatz, wie wir finden. Zur Demokratie gehört es eben auch, Kritik als das Kernstück der Auseinandersetzungen und Debatten zu begreifen und zu nutzen. Nicht als Waffe gegen jemanden. Demokratie, um immer wieder mehr zu wagen, braucht auch den kritischen Blick auf die Gesellschaft und das System, auch das der Polizei.

Im 21. Jahrhundert sollten wir Ideen aus den Errungenschaften aus 60 Jahren Sozialwissenschaften optimistischer und positiv gegenüberstehen.

Vielleicht sollen wir, unabhängig von diesem Tagesordnung, einmal verstärkt einsteigen in eine Diskussion, was eine kritische Haltung ausmacht, dass Kritik notwendig ist und wie eine starke kritische Auseinandersetzung mit Argumenten aussieht, um das Miteinander zu stärken, statt sich besserwisserisch über andere zu stellen, sie zu verletzen und zu beleidigen.

Leider betonen Sie, werte Kolleginnen und Kollegen der FDP, in Ihrem Antrag ebenfalls, dass z.B. die bestehende Vertrauensstelle abgeschafft werden müsse, um das generelle Misstrauen gegenüber Polizeibeamt:innen zu beenden.

Diesem dritten Punkt in Ihrem Antrag können wir uns daher nicht anschließen.

Damit erklären Sie außerdem eine Anlaufstelle für Bürgerinnen und Bürger für verzichtbar. Wir haben dafür gekämpft, dass diese Stelle 2014 unter Rot-Grün eingerichtet wurde und werden auch das nicht mittragen, denn gerade die von Ihnen angeführten Zahlen, wer die Beschwerdestelle aufsucht, machen doch deutlich, dass sie notwendig ist.

Die Bundesländer Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg haben die Notwendigkeit erkannt, unabhängige Stellen zu schaffen, die Bürgerinnen und Bürgern, aber auch den Beschäftigten der Landespolizeien bei Sachverhalten mit Polizeibezug als Ansprechpartner zur Verfügung stehen. Auch in Berlin, Thüringen und Hessen gibt es konkrete Bestrebungen, solche Stellen zu schaffen.

Die unabhängige Vertrauensstelle soll gemäß Ihrem Antrag direkt beim Landespolizeipräsidium angesiedelt sein, womit sie eigentlich eben nicht unabhängig agiert, auch wenn Sie im Antrag die Anonymisierung aller Daten voraussetzen.

Warum sind denn so wenige Polizistinnen und Polizisten bereit, sich an die existierende Beschwerdestelle zu wenden? Wenn ein Konflikt innerhalb der Dienststelle hochgradig belastet, dann ist doch in den meisten Fällen völlig klar, um welchen Ort, welche Dienststelle und welchen Dienstvorgesetzten es sich handelt. Und im immer noch hierarchisch gegliederten System der Polizei und angesichts der Bewertungsmatrix durch Dienstvorgesetzte ist mir jedenfalls klar, warum deshalb die Unabhängigkeit das oberste Gebot ist.

Der Mensch ist ein soziales Wesen. Die Entfremdung von direkten und mitmenschlichen Prozessen befördert doch geradezu Misstrauen, und insbesondere die digitale Welt eröffnet uns Möglichkeiten, anonym, ganz gezielt und auf übelste Art und Weise Konflikte hochzuschaukeln oder gar Menschen bloßzustellen.

Wir finden, dass Ihr Antrag dennoch in die richtige Richtung weist. Mittlerfunktionen von Vertrauensleuten und soziale Kompetenz zu stärken in einem immer stärker belasteten Gefüge sind grundsätzlich der bessere Weg. Sie können dazu beitragen, Konflikte nicht eskalieren zu lassen, auch wenn am Ende disziplinarische Maßnahmen manchmal unausweichlich sind.

Wir werden Ihren Antrag daher nicht ablehnen, uns jedoch der Stimme enthalten.

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