Stefan Wenzel: Rede zur Entwicklung bei der NORD/LB

- Es gitl das gesprochene Wort -

Anrede,

ihre Regierungserklärung und Ihre Pressekonferenz Herr Minister Hilbers, haben mich ein wenig an den Zauberlehrling erinnert. Sie wollen als Chefbanker des Landes ein [Zitat] „in sich geschlossenes System schaffen, das kein Steuergeld benötigt.“ Das halte ich für eine Illusion.

Das erinnert mich zudem an Ihren Vorvorgänger Hartmut Möllring bei der letzten von mittlerweile drei notwendigen Kapitalerhöhungen der Nord/LB seit 2004.

„Ich komme nie wieder und bitte um Geld für die NordLB,“ sagte Minister Möllring sinngemäß nach einer Einlage der Träger von 1,7 Mrd. Euro im Jahr 2011.

Anrede,

Ihre Pläne von der Pressekonferenz am vergangenen Freitag in Berlin müssen den Realitätstest noch bestehen. Mit Stand von heute habe ich da große Zweifel.

  • Es ist bedenklich, dass Sie heute weiteren Kapitalbedarf wie Ihr Vorvorgänger nicht ausgeschlossen haben.
  • Es ist bedenklich, dass Sie eine Eigenständigkeit der Braunschweiger Landessparkasse nur als vorsichtige Option erwähnt haben.
  • Und bedenklich ist vor allem, dass Sie kaum auf die Rechtslage, die Bankenaufsicht und das Beihilfethema eingegangen sind.

Lassen Sie mich einen Blick auf die letzten zwei Jahre werfen. Zum Glück dokumentiert und protokolliert das Internet sehr genau die Vielfalt der finanzpolitischen Pirouetten von SPD und CDU zur NordLB.

Hier einige Beispiele:

1. CDU-Pressemitteilung vom 07.04.2017:

Der stellvertretende Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion Reinhold Hilbers übt Kritik an der Informationspolitik von Finanzminister Schneider zu den Millionenverlusten bei der Nord/LB. „Die NordLB zählt zu den wichtigsten Beteiligungen des Landes. Bei einer Verlustmeldung in Höhe von zwei Milliarden Euro haben Parlament und Öffentlichkeit das Recht, vom Finanzminister über die Hintergründe dieser Entwicklung informiert zu werden“.

Weserkurier 24.08.2018 nach Bekanntwerden des sehr kritischen Prüfberichts der Innenrevision bei der NordLB heißt es: „ zu weiteren Einzelheiten dürfe er (Finanzminister Hilbers) sich nicht öffentlich äußern …“.

2. Der CDU-Abgeordnete Reinhold Hilbers in der Landtagsdebatte am 07.04.2017 (Antrag zur Unterrichtung des Parlaments über die Entwicklungen in der NordLB):

„Wir sind in großer Sorge um die Entwicklung der Bank. Die NordLB steht vor großen Herausforderungen.“

Der CDU-Finanzminister Reinhold Hilbers ein Jahr später in der Landtagsdebatte am 18.05.2018: „Es geht nicht darum, die NordLB aus der Krise zu holen. Sie ist nicht in einem Krisenmodus“.

3. Der CDU-Abgeordnete Reinhold Hilbers in einer Pressemitteilung vom 07.04.2017:

“Zusätzliche Steuermittel für die NordLB wären aus unserer Sicht der absolut falsche Weg. 

Der CDU-Abgeordnete Ulf Thiele in der Plenarsitzung am 18.05.2018

“…dass die auch von Teilen dieses Hohen Hauses angeheizten Spekulationen über Rettungspläne, über Krisenszenarien ... und über mögliche Kapitaltransfers aus der Beteiligungsgesellschaft des Landes Niedersachsen ……in die NordLB hinein grundfalsch sind.“

“ … dass die Hannoversche Beteiligungsgesellschaft, wenn sie Liquiditätsengpässe hat, auch auf Geld zurückgreifen kann, das an anderer Stelle im Landeshaushalt gerade nicht gebraucht wird … . Aber daraus zu schließen, dass dieses Geld möglicherweise abgezweigt werden könnte, um dann am Ende damit die NordLB zu retten … ist eine hanebüchene Konstruktion ...“.

Ministerpräsident Stephan Weil zitiert nach der WELT 01.02.2019:

“Das Land werde bis zu 1,5 Milliarden Euro an frischem Geld zur Verfügung stellen“.

Ministerpräsident Stephan Weil zitiert nach der Braunschweiger Zeitung 01.02.2019:

“Zur Abwicklung der Kapitalspritze wird das Land laut Weil wohl eine neue Beteiligungsgesellschaft ins Leben rufen.“

4. Der CDU-Abgeordnete Ulf Thiele in der Landtagsdebatte 11.10.2018:

“Die aus den Reihen der Grünen geäußerten Vorschläge, die Bank unter die Grenze einer systemrelevanten Bank zu schrumpfen, würde eine Vernichtung von Landeskapital und damit von Steuergeldern zur Folge haben. Dieser Vorschlag ist ebenfalls unvernünftig und nicht im Landesinteresse. Mit der CDU-Fraktion ist auch dies nicht zu machen.“

Ministerpräsident Stephan Weil zitiert nach der WELT 01.02.2019

“Weil stellte klar, dass auf das Institut einiges an Veränderungen zu kommt ... Vor allem aber: Die Nord/LB müsse regionaler und kleiner werden. Die Bilanzsumme soll wesentlich reduziert werden“.

“Ministerpräsident Weil bestätigte nach der Entscheidung, dass der aktuelle Zustand der Bank „unabweisbaren Handlungsbedarf“ erzeugt habe“.

Anrede,

kurz gesagt, Herr Minister Hilbers,

Ihre Geschäftspolitik ist widersprüchlich und voller Risiken. Das ist zum Schaden des Landes. Sie laufen Gefahr zu scheitern. Vom Bankbesitzer zum Bankrotteur ist es oftmals nur ein ganz kleiner Schritt.

Anrede,

zudem ist bislang offen, wie hoch die Risikoabdeckung des Landes tatsächlich werden soll, wie Sie den Haushaltsausschuss erst nach dieser Sitzung informieren wollen.

Ich erinnere nochmal an den vorletzten Finanzminister. Dieser hatte im Jahr 2004 in erheblichem Umfang stille Einlagen und stille Gesellschafter in die Bank geholt. Unter anderem vier Gesellschaften, die unter den Namen Fürstenberg I, II, III und Fürstenberg International firmierten bzw. firmieren. Gehalten von einem Trust auf der Insel Jersey. Wer hat hier den Ertrag eingefahren? Warum auf der Insel Jersey?

Ab 2004 wurde auch das Schifffahrtsportfolio aufgebaut, dass jetzt als weitgehender Totalausfall zu werten ist.

2011 nahm die damalige Landesregierung eine Kapitalerhöhung von 1,7 Mrd. Euro vor. Der damalige Finanzminister sah die Bank mit ihrer Tochter Bremer Landesbank als saniert an.

2016 musste die Bremer Landesbank dann aufgefangen werden. Ursache waren auch dort die Schiffskredite.

Jetzt reden wir wieder über die Muttergesellschaft.

Anrede,

neben dem Blick auf schwere Fehler bei der Vergabe der Schiffskredite und einem viel zu schwachen und in Teilen absolut kontraproduktiven Krisenmanagement von Vorstand und Aufsichtsrat, muss auch ein Blick auf die Aufsicht geworfen werden.

Auch das Vorgehen der Aufsicht wirkt teilweise sehr widersprüchlich. Offiziell erfolgte keine gesetzlich vorgesehene Frühintervention der Aufsicht nach dem Sanierungs- und Abwicklungsgesetz. Es soll allerdings einen möglicherweise krisenverschärfenden Hinweis gegeben haben, der bewirkte, dass der zur Kapitalstärkung geplante Verkauf der Deutschen Hypo Anfang letzten Jahres abgesagt wurde.

Bis Ende Dezember lief das Krisenmanagement der Landesregierung auf einen Einstieg von Hedgefonds zu einem absoluten Dumpingpreis hinaus. Die Landesregierung stand mit dem Rücken an der Wand. Die Börsenzeitung berichtete, dass die Helaba die Gespräche abgebrochen habe. Minister Hilbers berichtete beim Börsenschlusstag, dass kein einziges verbindliches Angebot vorlag. Die Sparkassen schrieben ihre Anteile auf null ab. Die Hedgefonds zogen die Daumenschrauben an.

Als die Landesregierung in den Abgrund guckte und eine Sanierung durch die Aufsicht im Raum stand, kippte die Zurückhaltung komplett um. Den Sparkassen wurde signalisiert, dass das gesamte Stützungssystem des öffentlichen Sektors in Frage gestellt werde, wenn das private Angebot abgelehnt werde und sich der öffentliche Banken-Sektor nicht zur Stützung des geschwächten Partners bereiterklärt.

Irritierend ist, dass die neue Rechtslage zur Sanierung von Banken dabei weitgehend ausgeblendet wird und nun eine Situation entsteht, die sich mehr oder weniger direkt auf öffentliche Mittel und Bürgschaften des Landes stützt - die über reine Aktionärspflichten hinausgehen - zugleich aber in beiden Varianten die Haftung der stillen Gesellschafter und des sonstigen haftenden Nachrangkapitals völlig außen vor bleibt.

Steuergeld ersetzt haftendes Kapital von Personen, die hochverzinste risikobehaftete Investitionen getätigt haben. Deshalb kann ein Beihilfefall mit Stand von heute nicht ausgeschlossen werden. Dabei bleibt auch noch völlig intransparent welche Risiken bei den Schiffen jetzt tatsächlich abgegeben werden, wie der Buchwert aussah, wer damals investiert hat und welche Reeder dabei geschont werden.

Das kann so nicht bleiben!

Mittlerweile ist im Prinzip unstrittig, dass eine Sanierung durch die Bankenaufsicht SRB für das Land selbst am kostengünstigsten wäre. Die alten Träger und insbesondere die niedersächsische Landesregierung scheuen die Symbolik, aber sie halten auch den gesamtwirtschaftlichen Schaden für insgesamt zu groß, weil sie nicht die Verantwortung für das Ende des Stützungsystems des öffentlichen Banken-Sektors übernehmen wollen.

In der Konsequenz läuft die gesetzliche Grundlage ins Leere und man fragt sich warum eine Bank 3,6 Mrd. Euro Stille Einlagen, Genusskapital und sonstiges Nachrangkapital vorhält und dafür jährlich fast 200 Mio. Euro Zinsen zahlt, wenn diese Mittel im Krisenfall von jeder Mithaftung und Mitverantwortung verschont bleiben. Das muss sich ändern, Herr Ministerpräsident!

Die EZB und die Landesregierung müssen gerade angesichts der anstehenden EU Wahlen deutlich machen, dass sie in Haltung und Handeln als absolut unparteiisch und allein Recht und Gesetz verpflichtet sind. Eine Aufsicht, die auch nur den Anschein erweckt, dass sie interessengeleitet handelt, büßt in Krisen dringend benötigte Autorität ein und gibt indirekt zu allem Überfluss rechtspopulistischen Demagogen Futter.

Daher müssen Mittel und Wege gefunden werden, um -möglicherweise über Auflagen der Aufsicht - mindestens 1,2 Mrd. Euro der Stillen Gesellschafter und des sonstigen Nachrangkapitals zur Haftung heranzuziehen. Das würde auch die Gefahr, dass die EU Kommission aufgrund der Gesetzeslage von einem Beihilfefall ausgehen muss, erheblich mindern.

Anrede,

haben Sie mal ausgerechnet Herr Weil, Herr Hilbers, was man mit dem Geld alles machen könnte?

Schließen Sie sich der Aussage des vorletzten Finanzministers an oder soll es im 6-Jahres-Rhythmus so weitergehen?

Keinem anderen Unternehmen würde man das durchgehen lassen.

Deshalb müssen wir die Ursachen vollständig aufklären. Und wenn ich vollständig sage, meine ich vollständig.

Wenn es an der Unfähigkeit der beteiligten Personen lag, wäre das schlimm, weil alle Aufsichtsmechanismen versagt hätten.

Wenn es auch an kriminellen Handlungen lag, wäre das noch schlimmer. Aber auch dann wäre zu klären, warum die Regeln und Aufsichtsgremien versagt haben.

Die Arbeit hat gerade erst angefangen. Wir erwarten vollständige und umfängliche Informationen.

Es braucht eine Konzentration der Landesbanken, eine kompetente und konfliktbereite Besetzung des Aufsichtsrats, eine Abschaffung der vielen Beiräte, eine unverzügliche Offenlegung der stillen Gesellschafter der NordLB und ein komplett neues Geschäftsmodell. Und das gehört hier auf den Tisch, Herr Minister Hilbers.

Das können nicht nur die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler erwarten, sondern insbesondere auch die Beschäftigten, die um ihren Job bangen. Denn eine Bank, die kein Geld verdient, sondern ständig frisches Steuergeld beansprucht, hat definitiv keine Zukunft.

Mit Blick auf den Finanzminister abschließend noch ein Zitat aus einem Interview des ehemaligen Braunschweiger Oberbürgermeisters Hoffmann in der Braunschweiger Zeitung von heute:

Auf die Frage „Haben die Verantwortlichen die Gefahr unterschätzt?“ lautet die Antwort:

„Unterschätzt? Uneingeschränkt Ja! Welche Risiken da jetzt noch schlummern, wissen wir erst in einigen Jahren.“

Vielen Dank.

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