Rede Ursula Helmhold: "Persönliches Budget" für Menschen mit Behinderungen weiter entwickeln

...

Anrede
die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stimmt dem Entschließungsantrag zu. Er ist unschädlich, kommt allerdings eigentlich zu früh, da der Abschlußbericht zum Modellprojekt noch nicht vorliegt.
Das "Persönliche Budget" als ein neuer Ansatz in der Behindertenpolitik ist natürlich nicht Ihre Erfindung! Es wurde von den Behindertenselbsthilfeverbänden und -gruppen schon lange gefordert und von der rotgrünen Bundesregierung umgesetzt.
Es geht dabei um die Stärkung der Selbstbestimmung und selbstständigen Lebensführung und des Wunsch- und Wahlrechts behinderter Menschen. Denn viele behinderte Menschen gerieten – und geraten – bislang bald nach ihrer Geburt in eine stationäre Einrichtung oder sie leben unter dem Dach ihrer Eltern, bis diese nicht mehr in der Lange sind, den Betreuungsanforderungen gerecht zu werden.
Erst nach und nach – mit Ende der 80iger Jahre - wurden andere Formen des selbstbestimmteren Lebens z.B. in Form der betreuten Wohngemeinschaft oder des betreuten Einzelwohnens aufgebaut.
Das Konzept "Persönliches Budget" baut nun darauf auf und bietet behinderten Menschen die Möglichkeit, die für sie notwendigen Dienst- oder Hilfeleistungen selbst einzukaufen. Dahinter steht ein hoher emanzipatorischer Anspruch, der nun gefüllt werden will und Lernbereitschaft bei allen Beteiligten erfordert, seien es nun die Mitarbeiter der abgebenden stationären Häuser, aus denen Behinderte aus- und in die eigene Wohnung einziehen wollen, seien es die Eltern, die ihre Söhne und Töchter in die Selbstständigkeit geleiten sollen.
Natürlich sind – wie immer bei der Implementierung neuer sozialpolitischer Instrumente – auch andere Erwartungen an dieses Instrument zu registrieren. Manche Kostenträger hoffen, mit dem Persönlichen Budget zu Einsparungen bei der Eingliederungshilfe zu kommen. Wir meinen, dass es genau darum nicht gehen kann. Art und Umfang der Hilfen müssen sich von dem her, was der Betroffene an Unterstützung braucht, bestimmen und nicht umgekehrt.
Niedersachsen hat sich vor ca. 2 ½ Jahren zu einem Modell Persönliches Budget nach den Vorgaben des SGB IX entschlossen. Es ist ein recht schmalbrüstiges Modell: es findet nur in drei Gebietskörperschaften statt, die Kosten sind nach oben hin gedeckelt – es darf nicht mehr kosten als die sonst gezahlten Eingliederungsgelder im Bereich der Sachleistungen. Die Zahl der TeilnehmerInnen ist in zwei Landkreisen nach wie vor mau, nur in der Stadt Braunschweig hat es nach intensiven Gesprächen größere Akzeptanz gegeben – insgesamt ist aber die Beteiligung mit 50 bis 60 Personen doch recht dünn.
Es ist bedauerlich, dass das Land nur einen Modellversuch nach den Vorschriften des § 17 SGB IX gestartet hat. Es gab ja die Möglichkeit sehr verschiedene Modellversuche zu starten, ich nenne das "trägerübergreifende Budget als Komplexleistung", ich nenne das "Pflegebudget" oder das Integrierte Budget" basierend auf der Modellklausel des § 8 Abs. 3 SGB XI. All diese weiteren Möglichkeiten hat die Landesregierung nicht genutzt und deshalb finden wir es ein bisschen seltsam, nun die Prüfung der Ausweitung des Persönlichen Budgets auf die Pflege zu fordern. Das hätte man längst ausprobieren können. Aber es gilt: besser spät als nie!
Anrede
Es bleiben nach den bisherigen Erfahrungen einige Fragen, die einer Lösung zugeführt werden müssen: zum Beispiel die der notwendigen Budgetassistenz. Nicht alle, aber viele behinderte Menschen brauchen begleitende Hilfe bei der Verwaltung und Verausgabung der Mittel und bei der Beschaffung der notwendigen Dienstleistungen. Dies von dem persönlichen Budget bezahlen zu müssen, würde dieses so schmälern, das es dann wieder für die Beschaffung der Hilfen nicht ausreichen wird.
Es geht hier aber auch um die Frage, wer diese Budgetassistenz machen könnte. Vielleicht sollte man sich gedanklich einmal dem schwedischen Modell nähern wo die Budgetassistenz semiprofessionell, man kann sagen, eher ehrenamtlich läuft. Engagierte Menschen, die von den Behinderten selbst ausgesucht werden, leisten diese Assistenz quasi gegen eine Aufwandsentschädigung von bis zu 267.- Euro. Man könnte dieses System vielleicht mit der hiesigen Übungsleiterpauschale vergleichen. Über solche und andere Ansätze sollten wir ernsthaft bei der zukünftigen Gestaltung des Persönlichen Budgets nachdenken.

Zurück zum Pressearchiv