Rede Ursula Helmhold: Optionsmöglichkeit der Kommunen zur Trägerschaft des Arbeitslosengeldes II auf faire und realistische Grundlage stellen

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Anrede,
was wir hier heute von der CDU und FDP zu Hartz IV und dem Optionsgesetz lesen und hören, ist schon bemerkenswert.
Denn worüber reden wir hier eigentlich? Wir reden über eines der ehrgeizigsten Reformvorhaben der Bundesrepublik, nämlich die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe.
Dies wollen wir alle, Sie ja auch. Es hat einen Vermittlungsprozess im Dezember 2003 gegeben, der zum Teil sehr hektische verlief und unter großem Zeitdruck stand. Er hat einen Kompromiss im Gesetz mit sich gebracht, der jetzt mit Leben gefüllt werden muss. Sicher gehört dazu auch die Klärung der Kostenfrage. Wenn die Zusammenlegung mehr kostet als damals von allen am Verhandlungstisch Sitzenden veranschlagt, dann muss darüber neu zwischen Bund, Ländern und Kommunen verhandelt werden, darüber bestehen doch gar keine Zweifel. Wir sind mit der rot-grünen Bundesregierung einig, dass die Kommunen um 2.5 Mrd. € entlastet werden sollen. Das ist zugesagt, wie Sie der Financial Times am letzten Mittwoch entnehmen konnten. Allerdings gilt weiterhin der Grundsatz: Abgerechnet wird zum Schluss!
Ich unterstütze auch den Vorschlag der SPD für den Einbau einer Revisionsklausel im SGB II, damit nach dessen Einführung in der Kostenerstattungsfrage nachjustiert werden kann.
Nun hat es schon früh eine immer wieder völlig verfehlte Frontstellung bei dem Vorhaben der Zusammenlegung durch die Vorschläge ihres Verhandlungsführers Koch aus Hessen gegeben, der bei allem gerne den Scharfmacher spielt. Jüngstes Beispiel dieses unsäglichen Verhaltens ist seine Aufforderung an die hessischen Kommunen, die Zusammenarbeit mit den Arbeitsagenturen zu verweigern. Davon haben die Betroffenen nichts, das blockiert nur notwendige politische Kompromisse.
Anrede,
das Zeitfenster zur rechtzeitigen Umsetzung des SGB II ist nach wie vor offen. Bei gutem Willen aller Beteiligten kann der beschlossene Start zum 1.1.2005 noch gelingen. Es kann doch nicht angehen, dass die deutsche Informationstechnologie sich wieder einen Ausfall wie bei der Maut leistet.
Schlimm wäre es allerdings, wenn, wie auch in den Kommentaren dieser Woche zu lesen ist, der Start von Hartz IV so aussähe, dass zwar die passiven Leistungen pünktlich ausgezahlt werden können, aber keinerlei Förderung und Eingliederung der Arbeitslosen stattfindet. Das werden wir Grüne nicht mitmachen! Hier müssen rechtzeitig die Weichen gestellt werden, damit die Betroffenen keinen Schaden nehmen. Zum Fordern gehört zugleich das Fördern! Wir können nicht das eine machen und das andere lassen. Wenn diese Situation einträte, meine Damen und Herren, müssten wir in der Tat über einen anderen Zeitpunkt des Inkrafttretens reden. Für mich kommt es hier auf Sorgfalt und Gründlichkeit und nicht auf Gehudel an. Und vor allem auf den guten Willen aller Beteiligten, meine Damen und Herren von der Regierungsbank.
Doch nun zur Frage der Zusammenarbeit von Arbeitsagenturen und Kommunen. Diese Zusammenarbeit ist ja nicht nur schon jetzt auf freiwilliger Basis möglich und wird auch in etlichen kommunalen Gebietskörperschaften praktiziert. Sie ist bereits Bestandteil des SGB II und kann ab sofort mit Blick auf den 1.1.2005 in verbindlicher Form vorbereitet werden. Hartz stellt also bereits den Rahmen und die entscheidenden Instrumente für eine enge Zusammenarbeit beider Seiten zur Verfügung. Die daraus aufzubauenden Arbeitsgemeinschaften - "jobcenter" - müssen und werden einen weiten Gestaltungsspielraum haben, sie sollen kommunale Beschäftigungsinitiativen weiterführen und ausbauen. Diese Zusammenarbeit muss jetzt, unbeschadet der Frage, ob ein Optionsgesetz noch vom Bundesrat verabschiedet wird oder nicht, organisiert und vorangebracht werden.
Doch nun zum Optionsgesetz: es ist nicht zu übersehen, dass Sie hier zu Lasten der Erwerbslosen politisch Honig saugen wollen. Es wird angesichts der bevorstehenden zahlreichen Wahlen mit verdeckten Karten gespielt und übel gepokert.
Wir haben nichts gegen die Ausübung der Option. Wettbewerb belebt das Geschäft. Falschen ideologischen Frontstellungen, wie sie auch der Deutsche Landkreistag pflegt, werden wir uns aber verweigern. Sie geben ja in Ihrem Antrag selbst zu, dass von einer Änderung des Grundgesetzes in den gemeinsamen Entschließungen von Bundesrat und Bundestag nie die Rede war. Und es ginge eben auch ohne Verfassungsänderung, wenn Sie nicht aus dem von der Bundesregierung vorgelegten Modell der Organleihe einen Popanz machen würden. Ich zitiere Ihnen daher aus der Entschließung der Koalitionsfraktionen im Bundestag vom 30.3.2004:
"Die örtlichen Akteure (werden im Optionsgesetz) weitgehend Handlungsfreiheit behalten, weil der Steuerungsprozess auf der regionalen Ebene über Zielvereinbarungen läuft. Über den Einsatz der Instrumente und die konkrete Ausrichtung der Arbeitsmarktpolitik können sie (die Kommunen) dann selbst entscheiden." Sie sehen: auch hier ist, wie bei der Ausstattung mit den notwendigen Haushaltsmitteln, grundsätzlich eine Gleichbehandlung zwischen optierenden Kommunen und Arbeitsgemeinschaften vorgesehen. Für die Leistungen der aktiven Eingliederung hält der Bundestag, so die Entschließung, ein Gesamtintegrationsbudget von 9,5 Mrd. für erforderlich. Diese Mittel sollen entsprechend der Zahl der Hilfebedürftigen auf die Agenturen für Arbeit, auf die zugelassenen kommunalen Stellen beziehungsweise die örtlichen Arbeitsgemeinschaften verteilt und regionale Besonderheiten dabei berücksichtigt werden. Nicht verbrauchte Integrationsmittel sollen zur Hälfte auf das nächste Abrechnungsjahr übertragen werden dürfen.
Meine Damen und Herren von der CDU: das alles sind politische Beschlüsse, Verhandlungsangebote, die Grundlage für einen ausgewogenen Kompromiss im kommenden Vermittlungsverfahren sein können – wenn, ja wenn Sie keine Obstruktionspolitik auf dem Rücken der Arbeitslosen betreiben wollen. Sicher bin ich mir da nicht!
Erwarten Sie allerdings nicht, dass es ein neues SGB II geben wird. Wer so etwas glaubt, sitzt einer Ente auf.
Anrede
zu einer Reform gehören Wille und Können! Neun Monate hat das politische Personal im vergangenen Jahr gebraucht, um diesen Beschluss zu fassen. Die Debatte um die Zusammenlegung ist sogar noch sehr viel älter. Jetzt braucht es, so schreibt die Zeitung "Die Welt" zu Recht, ein wenig Können, aber auch weiterhin den Willen zu einer guten Lösung im Sinne der betroffenen Menschen, damit aus politischen Entscheidungen Wirklichkeit wird. Wenn der politische Betrieb und die aufeinander angewiesenen Parteien das nicht zu leisten vermögen oder es zu leisten verweigern – dann ist Verzweifeln erlaubt.

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