Rede Ursula Helmhold: Krankenhausversorgung in Niedersachsen

Anrede,

die Vielzahl von Reformen im Krankenhausbereich hat in den letzten Jahren zu größeren Umstrukturierungen der Kliniken geführt. Vieles davon war sinnvoll und notwendig, aber das Ende der Fahnenstange ist längst erreicht. Inzwischen wurden die Krankenhäuser regelrecht ausgehungert mit massiven Folgen für die Versorgungsqualität.

Der Ärger in den Häusern ist groß und nicht mehr unter der Decke zu halten:  125.000 Klinikbeschäftigte aller Berufsgruppen sind am 25. September in Berlin auf die Straße gegangen um eindrucksvoll zu demonstrieren, dass es so jedenfalls nicht weitergeht.

Einen Tag vorher hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf durch das Bundeskabinett beschließen lassen, der für die Betroffenen eine große Enttäuschung ist.

Von der versprochenen Entlastung der Krankenhäuser um 3 Milliarden Euro ist nur ein Teil von etwa 2 Milliarden eine echte Verbesserung: Die Rechnungsabschläge für die Integrierte Versorgung und der Solidarbeitrag der Krankenhäuser sollten ohnehin planmäßig auslaufen, sind also insoweit keine echten Zuwächse. In dieser Hinsicht ist das Hilfsprogramm der Bundesregierung leider eine Mogelpackung.

Und was soll es einem klammen Krankenhaus eigentlich nutzen, wenn jetzt Pflegekräfte finanziert werden, aber nur zu 70Prozent? Wer die 30Prozent nicht bringen kann, hat eben Pech gehabt?

Die Pflege, meinen Damen und Herren, hat in den vergangenen Jahren besonders bluten müssen:

Von 1995 bis 2005 wurden rund 48.000 Vollzeitstellen abgebaut.
Dieser massive Abbau des Pflegepersonals ist hochproblematisch, denn gleichzeitig stieg das Arbeitsaufkommen kontinuierlich. Die Fallzahl pro Pflegekraft stieg von 1995 bis 2004 um fast 20Prozent von 45 auf 54 Fälle.  Dazu hat die Fallschwere durch immer älter werdende, chronisch und mehrfach erkrankte Patienten mit komplexeren Pflegediagnosen zugenommen.

Zahllose internationale Studien zeigen, dass das Risiko, im Krankenhaus eine Komplikation zu erleiden oder zu versterben steigt, je mehr Patienten eine Pflegekraft durchschnittlich zu versorgen hat. Die Überlastung der Pflegekräfte bedeutet also eine Gefährdung der Patientensicherheit.

Deshalb ist es dringend erforderlich, bei allem Gerangel zwischen Bund und Ländern um die Finanzierung, den Fokus auch darauf zu richten und endlich Standards für die pflegerische Versorgung zu entwickeln und ein Personalbemessungssystem zu entwickeln, das den pflegerischen Anteil bei den Fallpauschalen (DRGs) abbildbar macht.

Anrede,

eins ist auch klar. Ein Teil der Probleme der Krankenhäuser liegt an der unzureichenden Finanzierung durch die Länder. Hier muss das Land Niedersachsen seine Hausaufgaben machen und beim Krankenhausinvestitionsprogramm zulegen, um die Fülle der Anträge zeitnah befriedigen zu können. Die bisher im Haushalt eingeplante Summe reicht nicht, in der bettenbezogenen Pauschalförderung haben Sie immer noch nicht die Anregungen des Landesrechnungshofes umgesetzt.

Eins muss man hier noch einmal in aller Deutlichkeit sagen: Das Elend der Finanzierung der gesundheitlichen Versorgung ist doch der Bindung der Ausgaben an die Einnahmen geschuldet. Und das eigentliche Problem liegt in der Bindung der Einnahmen an die Löhne und Gehälter. Eine Bürgerversicherung würde hier zu einer deutlich verbreiterten und gerechteren Einnahmebasis führen. Insofern ist die aktuelle Krise der Krankenhäuser auch darauf zurückzuführen, dass es die Große Koalition nicht geschafft hat, durch eine entsprechende Gundsatzreform die Einnahmebasis der Gesetzlichen Krankenversicherung zu verbessern – die letzte GKV-Reform war wieder einmal Flickschusterei mit Ideologiediktat, denn:

Jetzt muss sich das Land jetzt mit dem unsäglichen Gesundheitsfonds herumschlagen; dieser Missgeburt des Kompromisses zwischen nicht kompromissfähigen Positionen; dieses bürokratische Monster, das gleich zu Beginn Beitragserhöhungen erforderlich macht und die paritätische Finanzierung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern aufhebt.

Anrede,

doch zurück zu den vorliegenden Anträgen der anderen Fraktionen. Sie haben uns alle nicht überzeugen können: Der Antrag der Regierungsfraktionen  ist zu lapidar, zu blumig  und letztlich alles offen lassend. Der Antrag der SPD in seinem Spagat zwischen Ulla Schmidt und Uwe Schwarz zu widersprüchlich und zu wenig zukunftsträchtig, der Antrag der Linken mit der Forderung nach Abschaffung der DRGs jenseits der Realität. Wir haben deshalb einen eigenen Entschliessungsantrag vorgelegt, den wir Ihnen hier mit zur Entscheidung geben. Unserer Ansicht nach wird die reine Länderzuständigkeit bei der Sicherstellung und den Investitionen im Krankenhausbereich nur noch eine befristete Zeit zu halten sein. Unserer Meinung nach müssen wir für die zukünftige Sicherstellung und Planung der medizinischen Versorgung zu sektorenübergreifenden Zuständigkeiten  und Planungen kommen. Dafür gilt es im Vorfeld Anreize und Modelle zu entwickeln.

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