Rede Ursula Helmhold: Geschäftsordnung des Niedersächsischen Landtages

Anrede,

der Landtag hatte in der Mitte der vergangenen Wahlperiode die Geschäftsordnung verändert und damit Teile der von der Enquete-Kommission zur Parlamentsreform unterbreiteten Vorschläge umgesetzt.

Das Parlament sollte aktueller, lebendiger und transparenter werden.

Meine Fraktion schlägt heute vor, weitere Punkte der Enquete-Kommission aufzugreifen:

Wir möchten den Tagungsrhythmus auf zwei Sitzungstage in drei Wochen umstellen. Das Parlament könnte schneller auf Aktivitäten der Regierung reagieren. Erfahrungsgemäß ist zum Beispiel die Aktuelle Stunde nicht geeignet, Vorgänge aufzugreifen, die bereits einige Zeit zurückliegen. Der Kontrollauftrag der Opposition an dieser Stelle ist damit erheblich erschwert.

Meine Damen und Herren von CDU und FDP, an dieser Stelle möchte ich noch eins zu Ihrem Vorgehen sagen: Die Fraktionen haben in den vergangenen Woche mehrfach zusammengesessen und beraten. Dabei haben Sie mit keinem Wort erwähnt, dass Sie die Neuerungen in der Geschäftsordnung rückgängig machen wollen. Und dann kommen Sie mit so einem Antrag um die Ecke. Das ist kein guter Stil.

Anrede,

wenn eins klar ist, dann das: Das Thema Integration muss in dieser Wahlperiode ganz oben auf der politischen Agenda stehen. Die krasse Benachteiligung von Kindern mit Migrationshintergrund ist nur ein Beispiel für die enorme Diskriminierung, die Migrantinnen und Migranten erfahren. Das muss sich, auch im Interesse der Mehrheitsgesellschaft endlich ändern. Wir schlagen deshalb vor als ersten Schritt die bestehende Ausländerkommission durch eine Kommission für Integrationsfragen zu ersetzen. Das Wissen und die Erfahrungen der Migrantinnen und Migranten muss als Bereicherung begriffen werden.

Die Kommission kann dem Landtag Hinweise und Empfehlungen geben. Bislang muss darüber einstimmig beschlossen werden. Das führt dazu, dass faktisch kaum Beschlüsse gefasst werden. Wir wollen das beenden und das Mehrheitsprinzip anwenden. Und wir wollen, dass die Empfehlungen in den entsprechenden Ausschüssen beraten werden müssen. Diese Selbstverständlichkeit sollte ganz klar in der Geschäftsordnung geregelt sein.

Anrede,

was in Bayern selbstverständlich ist, sollte auch in Niedersachsen endlich möglich sein. Die Öffentlichkeit von Ausschusssitzungen würde zu erheblich mehr Transparenz führen. Bürgerinnen und Bürger können sich früh und umfassend über den Stand der Beratungen und die Positionen der Fraktionen informieren.

Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, planen ja das genaue Gegenteil. Sie wollen die Zahl der in erster Beratung im Plenum zu behandelnden Anträge auf zehn limitieren. Die anderen verschwinden dann in den Ausschüssen, die nach Ihrem Willen nicht öffentlich sind. Zum Schluss sollen sie dann ein einziges Mal im Plenum behandelt werden. Transparenz, meine Damen und Herren, sieht anders aus.

Glauben Sie wirklich, dass Ihre Vorschläge die angemessene Reaktion auf die erschreckend niedrige Wahlbeteiligung sind? Ein Parlament muss doch jetzt alles tun, um sich zu öffnen, transparenter und lebendiger zu werden! Warum wollen Sie das Parlament und seine Beratungen vor den Bürgerinnen und Bürgern verstecken?

Ich bin davon überzeugt, dass das falsch ist.

Aber Sie wollen ja noch mehr, beziehungsweise weniger Demokratie: Das was wir mühsam an Möglichkeiten für ein lebendigeres Parlament eingeführt haben, soll jetzt wieder abgeschafft werden: Zum Beispiel die Vorbemerkungen zu Fragen der Abgeordneten. War das nun wirklich so schlimm für Ihre Minister sich eine einminütige Einleitung anzuhören?

Wollen Sie wirklich wieder zurück zu einer Fragestunde alter Art. Zu Fragen wie: "Herr Minister, vor dem Hintergrund der Tatsache und eingedenk des Umstandes dass und unter Berücksichtigung der Meinung von Wissenschaftlern wie”¦ der das und das zu diesem Thema gesagt hat und in Kenntnis der Fakten und bei Erwägung der Möglichkeit, dass die Personen, die der Meinung sind, dass das, was die Regierung an dieser Stelle sagt völlig falsch ist und unter der Annahme, dass selbst unter Hintanstellung der berechtigten Kritik des Verbandes ”¦ , der zu diesem Thema diese Meinung vertritt,”¦.".

Sie wissen, an dieser Stelle schreit dann schon diese Seite des Hauses permanent "Frage! Frage!" und ich werde Ihnen sagen, dass die Frage schon noch kommt und den Satz mit einem Fragezeichen beenden.

Wollen Sie das wirklich wieder? Meinen Sie, dass das zu einer öffentlichen Berichterstattung führen wird, die das Interesse an Politik fördert? Meinen Sie, dass das die Besucherinnen und Besucher des Plenums von der Qualität unserer Arbeit überzeugt und für den Parlamentarismus wirbt?

Sie können das nicht ernsthaft glauben. Sie können auch nicht ernsthaft meinen, dass durch die Abschaffung der Vorbemerkung der Charakter der Fragestunde wieder in den Vordergrund rücken würde.

Was Sie wollen ist etwas anderes: Sie wollen Ihre Minister vor unangenehmen Statements schützen. Dafür nehmen Sie in Kauf, dass die Außenwirkung des Parlaments sich verschlechtert, das Parlament Schaden nimmt und die Politikverdrossenheit weiter zunimmt. Das ist fahrlässig.

Und dann wollen Sie auch die Zahl der Nachfragen bei Dringlichen Anfragen auf vier reduzieren. Damit beschneiden Sie die Rechte der Fraktionen, besonders die Rechte der Opposition – ich finde das billig. Eine Regierung und die sie tragende Mehrheit muss es aushalten, dass es eine Opposition gibt, auch wenn jetzt eine weitere Fraktion dazugekommen ist.

Was Sie tun, ist in gewisser Weise sehr gefährlich. Sie drehen heute an vielen kleinen Rädern, überall mit einem Ziel: Die Opposition zu schwächen und die Transparenz zu verringern. In der Gesamtheit der Maßnahmen schwächen Sie das Parlament als Ganzes. In Zeiten schwindender Akzeptanz von gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Eliten, in Zeiten von Wahlenthaltung und zunehmender Distanz zum Parlamentarismus ist das ein gefährlicher Pfad.

Das Gegenteil ist erforderlich. Dieser Landtag braucht mehr Transparenz, mehr Offenheit, mehr Lebendigkeit. Daran sollten wir gemeinsam arbeiten. 

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