Rede Ursula Helmhold: Fortsetzung abschließende Beratung Haushalt 2012/2013 – Soziales
Landtagssitzung am 07.12.2011
Rede Ursula Helmhold, MdL
Anrede
2010 hatte es ja mitten in der Wahlperiode einen Wechsel im Amt der Sozialministerin – und nicht nur dort - gegeben. Mit Frau Özkan wollte der damalige Ministerpräsidenten Wulff frischer Wind in die für ihn offenbar etwas verstaubte und betuliche Sozialpolitik des Landes bringen. Die Ministerin war bei Amtsantritt der Liebling der Presse, aber sie tappte zum Ärger beider Ministerpräsidenten alsbald in so manches niedersächsische Fettnäpfchen. In der Folge wurde die in der liberalen Großstadt Hamburg sozialisierte Ministerin erstmal durch landesväterliche und Fraktionsdonnerwetter auf niedersächsisches CDU-Maß zurückgestutzt.
Nötig wären solche auch im Zusammenhang mit der Fahreraffäre der Ministerin. Das Arbeitsgericht hat zu Recht festgestellt, dass ein Arbeitnehmer sich an seinen Personalrat wenden darf. Die Niederlage der Ministerin zeugt von keinem guten Verhältnis der Ministerin zum Arbeitsrecht und zum Personalratswesen, das war ja in ihrer beruflichen Sozialisation schon angelegt.
Eine Sozialministerin sollte wirklich sozialer mit ihren Mitarbeitern umgehen!
Nun aber zu einigen Punkten der Sozial- und Gesundheitspolitik im engeren Sinne.
Die Ministerin hat sich des Themas Pflege angenommen und die Pflegepakte (I+II) mit den Verbänden und Pflegekassen geschmiedet. Im Prinzip ein sinnvolles Vorhaben. Doch bei der entscheidenden Frage kniff sie: der notwendigen Wiedereinführung der Pflegeausbildungsumlage. Angesichts der demografischen Entwicklung und dem damit absehbaren enormen Bedarf an Pflegefachkräften und dem Meinungswandel der einstmaligen Widersacher gegen eine Ausbildungsumlage muss nach dem ersten Schritt (Schulgeldfreiheit) der zweite Schritt folgen. Die Ausbildungskosten müssen endlich gerecht verteilt werden!
Unabhängig davon bleibt Niedersachsen bei den Pflegesätzen Schlusslicht im Vergleich der westdeutschen Länder. Hierzu nur einen Arbeitskreis zu gründen ist entschieden zu wenig.
Die Ministerin hatte zur dringend notwendigen Reform der Pflegeversicherung vorgeschlagen, Beitragsaufkommen aus der Rentenversicherung in die Pflegeversicherung umzuschichten. Dieser untaugliche Vorschlag zeugte von tiefer Unkenntnis der Säulen der Sozialversicherung, er wurde damit zu Recht auch zum Rohrkrepierer. Auf solche Vorschläge kann die Welt zukünftig verzichten!
Nach der Föderalismusreform war die Landesregierung wieder einmal fast Schlusslicht und brauchte geschlagene 5 Jahre, um ein Landesheimgesetz unter Dach und Fach zu bringen. Und das Gesetz ist nicht mal gut.
In Niedersachsen gibt es nur Heim oder nicht Heim. Als Heim im Zweifel überreguliert, ansonsten aufsichtsrechtlich in einer Art rechtsfreiem Raum. Von einem abgestuften "Rechtsregime" für unterschiedliche Formen von Einrichtungen, abhängig vom Grad der Selbstbestimmung kann keine Rede sein. Das Gesetz wird die Weiterentwicklung neuer ambulanter Angebote aufgrund seiner einengenden Formulierungen zur Verbundenheit von Betreuungsleistungen und Wohnraumüberlassung massiv behindern.
Wichtige Standards wie die Fachkraftquote sowie Form und Ausmaß an Mitbestimmung und Mitwirkung wurden in untergesetzliche Verordnungen geschoben. Das lässt nichts Gutes ahnen! Das Gesetz wird unseren Ansprüchen an Transparenz, Selbstbestimmung und Teilhabe jedenfalls nicht gerecht.
Bei der Frage der Einzelzimmer haben Sie gekniffen. Die kommunalen Spitzenverbände haben zu Ihrem Vorschlag bereits erklärt: Ob ein Mensch ein Einzelzimmer bekommt behalten wir uns vor und niemand wird uns da hineinreden. Damit ist überhaupt nichts gewonnen. Die Kürzungen in der Kurzzeitpflege bringen erhebliche Belastungen für die Gepflegten und ihre Angehörigen, die sich eine bewirken soll: eine Hilfe für pflegende Angehörige, die aus eine Auszeit nicht mehr leisten können. Vor diesem Hintergrund haben wir den Vorschlag gemacht, wenigstens die echten Kurzzeitpflegeplätze weiter zu finanzieren.
Anrede
Was wir in der kommunalisierten Altenpflege beobachten können, nämlich ein Abrutschen der Standards, droht auch in der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen, wenn sich die Landesregierung entschließen sollte, nach Abschluss der Modellversuche "Kommunalisierte Eingliederungshilfe" auch diese den Kommunen zu überlassen.
In diesem Zusammenhang: Was ist eigentlich aus den Reformvorschlägen zur Eingliederungshilfe der Ländersozialminister geworden? Still ruht der See! Bleibt das so, wäre das ein Armutszeugnis für die Sozialministerinnen und Sozialminister, offensichtlich scheint der ganze von uns im übrigen begrüßte Reformprozess am Widerstand der Bundessozialministerin zu scheitern. Das würde ein schlechtes Bild auch auf die Durchsetzungskraft der niedersächsischen Sozialministerin bei ihrer Parteikollegin in Berlin werfen. Schon bei der Auseinandersetzung um die Zukunft der niedersächsischen Jugendwerkstätten mussten alle im nieder. Landtag vertretenen Fraktionen kräftig helfen.
Anrede,
auf den lange angekündigten Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention warten wir schon lange vergebens. Offenbar will Niedersachsen auch hier gern wieder bundesweites Schlusslicht werden wie auch schon beim Behindertengleichstellungsgesetz.
Insgesamt gibt es in Niedersachsen, wenn überhaupt, eine Sozialpolitik des kleinsten gemeinsamen Nenners – Inspiration sieht anders aus.