Rede Ursula Helmhold: Bürokratieabbau in der Pflege
...
Anrede,
man muss kein Prophet sein um zu erkennen: Die demographische Entwicklung wird zu nachhaltigen Strukturveränderungen unserer Gesellschaft führen. Altern und Altsein wird zum Querschnittsthema von zentraler Bedeutung.
Eine Herausforderung der Zukunft liegt im Bereich der Pflege. Die Zahl der Pflegebedürftigen steigt bis zum Jahr 2040 auf über 3 Millionen.
Wie und auf welchem Niveau die erforderliche Pflege zukünftig erbracht werden kann, entscheidet sich jedoch heute.
Qualität allerdings über die selbstregulierende Wirkung des Marktes zu erwarten ist neoliberale Ideologie. Gefordert sind im Gegenteil effiziente und nachhaltige Formen des Verbraucherschutzes und der externen Qualitätssicherung.
Gleichzeitig müssen zukünftig pflegerische, rehabilitative und präventive Interventionen besser miteinander verknüpft werden und dürfen nicht länger an unterschiedlichen Kostenträgerstrukturen scheitern. Insofern erscheint mir der vorliegende Antrag der CDU/FDP wenig zukunftsweisend.
Arbeitsverdichtung und eine immer schwierigere Klientel bei gleichzeitig ernorm gestiegenen Ansprüchen an Qualität und Dokumentation der Arbeit kennzeichnen die Situation in der Pflege. In den Leistungsvergütungen schlägt sich das nicht nieder. Die Mitarbeiterinnen sind an der Grenze der Belastbarkeit angekommen.
In Niedersachsen fehlen 1500 Pflegekräfte. Immer mehr verlassen frustriert vorzeitig den Beruf, im Schnitt verweilen sie nach erfolgter Ausbildung dort nicht länger als 3 Jahre.
Ihr Antrag, meine Damen und Herren von CDU und FPD gleicht eher einem Placebo als einem wirksamen Medikament. Es tut nicht weh, aber es hilft auch nicht.
Der von Ihnen geforderte Bürokratieabbau klingt immer gut. Es darf aber nicht übersehen werden, dass die Vorgaben zur Dokumentation unabdingbar zum Schutz der betreuten Menschen und auch der Pflegenden sind, da haftungsrechtlich erforderlich. Es würde mich übrigens interessieren, auf welche bundesgesetzlichen Vorgaben zur Dokumentation der Pflege Sie sich eigentlich beziehen.
Den Dokumentationsaufwand zu verändern ist allerdings Aufgabe der Selbstverwaltungsorgane; insbesondere der MDK ist gefordert, mit den Einrichtungsträgern einen Konsens über Kriterien für die Dokumentation herzustellen, damit diese nicht länger in das individuelle Belieben der jeweils prüfenden Mitarbeiterinnen des MDK gestellt ist.
Dabei kann auf die Ergebnisse des Projekts "Entbürokratisierung der Pflegedokumentation" des Sozialministeriums in Bayern, zurückgegriffen werden.
Ob der Einsatz von neuen Computern in der Pflege den Verwaltungsaufwand reduzieren kann, wage ich zu bezweifeln. Auch das man sollte den Einrichtungsträgern im Rahmen ihrer inneren Organisation überlassen. Ich frage mich auch, wie Sie, meine Damen und Herren von der Landesregierung, sich ein Einwirken des Landtages in dieser Frage vorstellen.
Die Frage unklarer Rechtszustände beispielsweise nach dem Tod eines Heimbewohners ist inzwischen gerichtsanhängig, so dass mit einer Regelung in der nächsten Zeit ohnehin zu rechnen ist.
Erforderlich wäre allerdings, die in den Entgeltverhandlungen vorgeschriebene Auslastungsquote zu senken – auch hier kann der Landtag maximal an die Selbstverwaltungsorgane appellieren.
Der Ansatz, Doppelprüfungen zu vermeiden, ist sinnvoll. Bereits jetzt tauschen MDK und Heimaufsicht die Protokolle ihrer Prüfungen aus. Bei entsprechenden Ergebnissen der Prüfung wäre es sinnvoll, auf eine weiterte in kurzem Abstand zu verzichten.
Allerdings ist doch klar: Externe Prüfungen sind notwendig. Bei all der guten Arbeit, die in den Einrichtungen geleistet wird, gibt es doch auch immer wieder erheblich Mängel, die durch die Überprüfungen aufgedeckt werden. Wir brauchen eine verstärkte Verständigung auf nationale Standards in der Pflege.
Bei der Ergebnisqualität schneiden übrigens die kommunalen Träger schlechter ab, als die privaten und die Wohlfahrtsorganisationen. Umso mehr verwundert es in diesem Zusammenhang, dass Sie die bisher unabhängige Heimaufsicht über die kommunalen Heime abschaffen wollen. Stattdessen wollen Sie eine nach Filz riechende In-Sich-Kontrolle durch die Kommunen.
Die pflegebedürftigen Menschen und ihre Angehörigen haben ein Recht auf maximale Sicherheit und Qualität der Leistungen und sie sind darauf angewiesen, dass dies durch externe Überprüfung im Sinne des Verbraucherschutzes gewährleistet wird.
Sollten die Einrichtungen nachvollziehbare, standardisierte und europaweit anerkannte und zertifizierte Qualitätsmanagementsysteme anwenden, könnten regelhafte MDK-Prüfungen entfallen.
Die Unterstellung, dass der Bund in der Frage der Weiterentwicklung der Pflegeversicherung untätig wäre, stimmt nicht. Dort beschäftigt man sich unter Beteiligung aller Verbände unter anderem mit dem Thema Bürokratieabbau und Qualität in der Pflege. Allerdings auch, und das vermisse ich in Ihrem Antrag, mit der Erstellung einer Charta der Rechte der Pflegebedürftigen.
Der Antrag der SPD ist in vielen Punkten konkreter. Insbesondere fordert er endlich den flächendeckenden Aufbau niedrigschwelliger Angebote für demenzkranke Menschen, auf die die Betroffenen seit über 1 ½ Jahren warten. Es ist ein Skandal, was sich die Landesregierung hier leistet.
Der Antrag der SPD fordert auch zu Recht eine intensive Beschäftigung mit dem Thema Demenz in der Ausbildung von medizinischem und pflegerischem Personal. Insofern ist er zukunftsweisend für die Lösung dieses drängenden Problems und findet die Zustimmung meiner Fraktion.