Rede Ursula Helmhold - Aktuelle Stunde (SPD) Die internationale Finanz- und Wirtschaftskrise - Zeit für eine aktuelle Denkstunde, auch für den niedersächsischen Ministerpräsidenten

Anrede,

der Kommentator meiner geschätzten Heimatzeitung schreibt über den unseligen und überaus gedankenlosen Versuch von Ministerpräsident Christian Wulff, Parallelen von der faschistisch-antisemitischen Demagogie zur gegenwärtigen Kritik an Managern zu ziehen (Zitat): "Zwar hat der niedersächsische Regierungschef sich dafür inzwischen entschuldigt – aber geklärt ist damit nicht, was ihn zu diesem durchgeknallten Vergleich bewogen hat. Eine solche Gedankenlosigkeit ist bei einem Mann von so intensivem Medienbewußtsein kaum vorstellbar – und auch nicht zu akzeptieren."

Nun, meine Damen und Herren, ich weiß nicht, warum Herr Wulff derart geschichtsvergessen, leichtfertig  und dumm agiert hat – vermutlich weiß er es selbst nicht. Immerhin hat er sich später dafür deutlich entschuldigt. Seine Äußerung war zum Schämen, dies zuzugeben zeigt aber auch Größe und hätte schon manchem Politiker und auch Manager gut angestanden.

Anrede, Herr Ministerpräsident,

es würde Ihnen aber auch gut anstehen, sich in der gegenwärtigen Krise von Finanzen und Wirtschaft deutlich zu positionieren. Wir hätten uns schon lange deutliche Worte zu Verantwortung und Ethik in der Wirtschaft gewünscht. Zu Bahnchef Mehdorn zum Beispiel, der die Bahn verrotten lässt, um sie für den Börsengang aufzupolieren, zu dessen Vorstandkollegen, die sich mit Boni bereichern lassen, zu dem Kriminellen in Nadelstreifen Zumwinkel, der in den USA 7 Milliarden in den Sand gesetzt hat und sich das mit dem Briefporto der kleinen Leute hier finanzieren ließ.

Dazu fehlt Ihnen der Schneid. Stattdessen treten Sie als Schutzpatron der Bosse und Manager auf. Sie haben ja tatsächlich selbst festgestellt, dass Sie nicht das Alphatier sein wollen oder können. Aber warum dann gleich der Angsthase der Nation ?!

Ihr Credo ist: Es ist in Ordnung, dass Manager sehr viel verdienen, denn sie zahlen Steuern und schaffen Arbeitsplätze. Herr Wulff, Sie sollten wissen, dass es sich so schlicht nicht verhält. Im Gegensatz zu Arbeitnehmern tragen die Manager in der Regel doch überhaupt kein Risiko und werden auch bei völligem Versagen mit Millionenabfindungen verabschiedet.

Anrede,

es werden in letzter Zeit allerorten Schutzschirme gespannt: gegen die Bankenkrise, gegen die Wirtschaftskrise, gegen die Absatzkrise von Autos. Aber die Konditionen stimmen nicht.

Die Rettung der Hypo Real Estate hat deren Aktionären sofort eine halbe Milliarde Dollar Gewinn eingebracht.

Davon sieht der deutsche Steuerzahler keinen Cent.

Das kann nicht richtig sein.

Bislang gibt es nur Garantien für Banken und Spekulanten.

Wer aber über Nacht einen Blankoscheck über 500 Milliarden Euro für Geldanlagen rausrücken kann, der muss auch etwas tun für die Sicherung von Arbeitsplätzen, für die Verbesserung der Situation der Geringverdiener und für neue Chancen für Arbeitslose.

Was wir jetzt brauchen ist ein Schutzschirm für die Schwachen.

Denn diesen Schlamassel haben nicht die Hartz-IV-Empfänger angerichtet.

Das waren die Spezis von Herrn Westerwelle und dem Wirtschaftsflügel der Union. Deshalb sind sie zu Recht als der parlamentarische Arm der Heuschrecken bezeichnet worden.

Was haben uns diese neunmalklugen Propagandisten der Marktfreiheit nicht alles weismachen wollen über die Überlegenheit des unregulierten Marktes und die Wertlosigkeit des Staates. Kaum zu glauben, mit welcher Rasanz die Neoliberalen ihre Parolen von gestern dementieren und jetzt nach staatlichen Hilfen schreien.

Die soll es geben, meine Damen und Herren, aber nicht zum Nulltarif.

Es wird Zeit, sich vom Markt als Götzen zu verabschieden und in eine Diskussion über den Sinn und die Grundlagen unserer Gesellschaft einzutreten. Die Menschen haben Besseres verdient, als den Heuschrecken zum Fraß vorgeworfen zu werden.

Und das ist keine Neiddebatte Herr Wulff, wie Sie immer wieder behaupten, sondern eine notwendige Besinnung auf Werte und ethische Maßstäbe gesellschaftlichen Miteinanders.

Zurück zum Pressearchiv