Rede Thomas Schremmer: Abschlussbericht zum Sonderausschuss Patientensicherheit

- Es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren,

Im Februar 2015 wurde Niels H. wegen zweifachen Mordes verurteilt. Normalerweise ist ein Urteil das Ende einer Aufklärung, im Fall von Niels H. war es jedoch erst der Anfang. Denn nachdem er während des Prozesses gestanden hatte, 90 weiteren Patientinnen und Patienten Gilurytmal gespritzt zu haben, war klar, dass das Ausmaß seiner Taten noch nicht absehbar war und es mit der Aufklärung weiterer Tötungsdelikte allein auch nicht getan sein würde. Im Sinne der betroffenen Angehörigen und der Patientensicherheit war es also ein logischer und richtiger Schritt, dass der Landtag einen Sonderausschuss eingesetzt hat, um seinerseits die Taten von Niels H. aufzuarbeiten und dabei insbesondere die Prozesse im Gesundheitswesen und bei den Ermittlungsbehörden in den Blick zu nehmen!

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren,

Ich möchte Ihnen für die konstruktive und zielführende Zusammenarbeit im Sonderausschuss „Stärkung der Patientensicherheit und des Patientenschutzes“ im Laufe des letzten Jahres danken. Dieser Dank gilt natürlich auch der Landtagsverwaltung. Besonders zu danken ist aber den vielen anzuhörenden Organisationen und Einzelpersonen, die äußerst offen und konstruktiv auch über Probleme berichtet haben, was für einige wahrnehmbar nicht ganz einfach war!

Dabei sind auch einige Regelungslücken zutage getreten, die zumindest dazu beigetragen haben, dass die Taten von Niels H. lange Zeit unentdeckt geblieben sind. Der vorliegende Abschlussbericht bietet dazu ein sehr umfassendes Bild! Dabei geht es in erster Linie um die Arzneimittelsicherheit, aber im Besonderen auch um risikobehaftete Kommunikations- und Ablaufstrukturen in Krankenhäusern. Mit dem rot-grünen Entschließungsantrag im nächsten Tagesordnungspunkt machen wir dazu erste Umsetzungsvorschläge!

Abgesehen davon sind mir durch die Ausschussarbeit zwei weitere Aspekte klar geworden, die nicht nur vor dem Hintergrund kriminellen Handelns im Gesundheitswesen problematisch sind, sondern die zu grundsätzlichen Fehlentwicklungen führen, nämlich

  1. die zunehmende Ökonomisierung im Gesundheitswesen und
  2. die Arbeitsbedingungen vor allem in der Pflege.

Die Ökonomisierung des Gesundheitswesens äußert sich nicht nur in der zunehmenden betriebswirtschaftlichen Nutzenorientierung (man könnte auch sagen Gewinnmaximierung) von Einrichtungen, sondern hat auch deregulierende Effekte, die sich im vorliegenden Fall aus meiner Sicht mindestens negativ verstärkend ausgewirkt haben. Beides führt zu einem steigenden Kostendruck in Krankenhäusern, Fließbandmedizin (man kann das so ausdrücken!) und Personalabbau sind die Folgen. Deutschland steht mittlerweile, was das Verhältnis zwischen Patientinnen bzw. Patienten und Pflegekräften angeht, im OECD-Vergleich mit am schlechtesten da. (In D betreut eine Pflegekraft im Schnitt 10 Patienten, in Norwegen 4)

Pflegekräfte müssen immer mehr und immer ältere und kränkere Menschen in immer kürzerer Zeit versorgen. (Die Anzahl der Patienten ist seit Anfang der 2000er um 20% gestiegen, jede 7. Pflegestelle wurde jedoch gestrichen) Das gilt aber auch zunehmend für das ärztliche Personal!

Da bleibt kaum Zeit für patientensensible Pflege, auch das ist eine Erkenntnis aus den Anhörungen. Gleichzeitig gibt es für Pflegende kaum Unterstützungsangebote, um belastende Arbeitsbedingungen und dem Umgang mit Stress, Leid, Tod und Trauer zu bewältigen. Es kann also nicht verwundern, dass die Verweildauer von Pflegekräften in ihrem Beruf weiter sinkt und bei ca. 13 Jahren liegt.

Zwar gibt es für die Arbeitsbedingungen in der Pflege mittlerweile ein allgemeines gesellschaftliches Bewusstsein, die bisher ergriffenen Maßnahmen wie z.B. das Pflegestellenförderprogramm des Bundes sind jedoch bei weitem nicht ausreichend.

Gesundheit und medizinische Versorgung dürfen eben keine Ware sein und wir sollten auch das als Erkenntnis aus den schrecklichen Ereignissen um Niels H. begreifen!

Man wird Taten wie die von Niels H. nicht verhindern können. Aber wir können wir können sie erschweren, indem wir bspw. die Arzneimittelsicherheit verbessern, wir können dafür sorgen, dass sie früher erkannt werden, indem wir z.B. Mortalitätsstatistiken einfordern, und wir können individuelle Belastungen auffangen, indem wir Unterstützungsangebote machen. Und wir müssen uns weiterhin für bessere Arbeitsbedingungen im Gesundheitswesen einsetzen, nicht nur, damit es keine Mordserien mehr gibt, sondern damit alte und kranke Menschen angemessen versorgt werden. 

Der Sonderausschuss hat eine Vielzahl von Maßnahmen zur Verbesserung der Patientensicherheit erarbeitet, jetzt geht es an die Umsetzung. Erste Schritte gehen wir bereits heute mit unserem Entschließungsantrag.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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