Rede Susanne Menge: CO2-Reduktion, weniger Lärm und Vision Zero mit Tempo 30 – Modellversuche ermöglichen

- Es gilt das gesprochene Wort - 

Anrede,

dies ist kein Tempo 30-Antrag! Dieser Antrag hat zum Ziel, dass sich Kommunen auf einen Modellversuch bewerben, der uns Aufschluss darüber gibt, wie wir eine klimafreundliche und zukunftsfähige Mobilität für alle verwirklichen.

Der Modellversuch bietet den Kommunen an, mit ihren eigenen Konzepten mitzumachen. Daraus entsteht eine breite Palette sinnvoller und qualitativ hochwertiger Maßnahmen, die Vorbildcharakter haben werden für andere.

Tempo-30 ist ein wichtiger Baustein dieses Modellversuchs. Runter vom Gas innerhalb von Ortschaften ist deshalb kein Selbstzweck, sondern notwendig, wenn wir Sicherheit und Gesundheit von Verkehrsteilnehmern und Anwohnern faktisch verbessern wollen!

Wir Grüne stehen mit der Einführung und Ausweitung von Tempo 30 längst nicht mehr allein da! Eine sinnvolle und mit Augenmaß eingesetzte Geschwindigkeitsreduzierung ist mittlerweile Mehrheitsmeinung geworden. Ohne Murren und Streit ist Tempo 30 auf Nebenstraßen etwas ganz Alltägliches in diesem Land geworden, etwas, an dem sich niemand mehr stört. Man kann sagen: Tempo 30 auf Nebenstraßen als Maßnahme zur Verkehrsberuhigung und zur Lärmminderung hat sich bewährt!

Diese guten Erfahrungen wollen wir nutzen und auch auf die Hauptverkehrsstraßen übertragen: Bislang war das alles andere als einfach und viele Versuche scheiterten. Wenn, dann entschied die Verkehrsbehörde vor Ort. Und auch das geschah nur, wenn eine „besondere Gefahrenlage“ wie ein Unfallschwerpunkt den strengen Maßstäben der StVO stand hielt [§ 45 StVo].

Jeder von uns kann von gescheiterten Bemühungen in seinen Wahlkreisen berichten: So erhielt zum Beispiel auch die Geschwindigkeitsreduzierung auf der Nienstedter Straße (L401) in Egestorf eine Abfuhr, weil allein das Vorhandensein von Schule, Kindergarten, Kirche und Feuerwehr nicht ausreichte, um Tempo 50 zu unterschreiten. Vielen anderen Kommunen, die Sicherheit und Gesundheit ihrer Bürger im Sinn hatten, erging es in der Vergangenheit ähnlich.

Immerhin schafft der Bund punktuell Hindernisse ab: Angestoßen von den Verkehrsministern der Länder hat Bundesverkehrsminister Dobrindt jetzt einen Entwurf zur Änderung der Straßenverkehrsordnung vorgelegt, der den Städten und Kommunen erleichtern wird, das Tempo vor Kindergärten, Schulen, Krankenhäusern oder Altenheimen zu drosseln. Städte und Kommunen werden künftig selbst entscheiden, wo und wann sie hier an Durchgangsstraßen Tempo 30 anordnen.

Das, meine Damen und Herren, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Gleichwohl sind wir Grünen davon überzeugt, dass wir den Kommunen und ihren Bewohnerinnen und Bewohnern mehr zutrauen können. Wir finden, dass Kommunen sich am besten auskennen und die besten Entscheidungen für die Menschen vor Ort treffen können und deswegen generell entscheiden sollten, wo Tempo 30 gefahren wird und wo nicht – unabhängig davon, ob es sich um eine Bundes-, eine Landes- oder eine kommunale Straße handelt.

Wir finden, dass sich eine weitere Ausweitung angesichts der Vielzahl Betroffener lohnt: Anwohner wollen keinen Feinstaub einatmen und auch keinen gesundheitsschädlichen Verkehrslärm erdulden, Familien wollen, dass ihre Kinder den ganzen Weg zu Kindergärten und Schulen sicher absolvieren, Radfahrer wollen einen fairen Ausgleich zwischen den Verkehrsträgern.

Und ganz nebenbei lassen sich mit Tempo 30 sinnvolle Synergieeffekte erreichen – denn die Temporeduzierung, wenn sie gut gemacht ist und für eine Verstetigung des Verkehrsfluss gesorgt ist, dient sowohl der Luftreinhaltung als auch Verkehrssicherheit und der Aufenthaltsqualität gleichermaßen. Ein kommunales Verkehrskonzept kann hier vernünftig mit den kommunalen Pflichtaufgaben, einen Lärmminderungs- und einen Luftreinehalteplan zu erstellen, verbunden werden.

Wir können bei anderen schauen und lernen, die sich schon auf den Weg gemacht haben! So hat beispielsweise Rheinland-Pfalz landesweit im städtischen und auch ländlichen Umfeld mehrere Projekte mit Tempo 30 erfolgreich getestet. Der Modellversuch ist nahezu abgeschlossen und ausgewertet – mit durchgehend positiven Ergebnissen: In den Test-Orten konnte der Lärm um bis zu 3,3 dB reduziert werden, wobei man wissen muss, dass allein eine Reduzierung um 1 dB einem Minus von 20 Prozent der Verkehrsmenge gleich kommt, bei -3 db hätten wir eine Reduzierung der Verkehrsmenge sogar um die Hälfte. Hier ist also Enormes mit der einfachen Maßnahme Tempo 30 erzielt worden. Dabei ließ sich feststellen, dass viele Sorgen von Kritikern und Skeptikern unbegründet waren: Weder die Verkehrsfunktion in den Tempo-30-Zonen wurde beeinträchtigt noch fand eine Verdrängung auf Nebenstraßen mit höheren zulässigen Geschwindigkeiten statt. Ebenso konnten keine Verkehrsstaus festgestellt werden.

Und: Der Einzelhandel, werte Damen und Herren, hat von der Idee, Mobilität und Stadtplanung als Ganzes zu betrachten, profitiert!

 

Anrede,

das, was wir wollen, ist ein Modell, ein Versuch, mit dem wir testen, welche Maßnahmen sich in den Städten und Landkreisen am ehesten eignen, um erstens eine Akzeptanz zu schaffen, zweitens die Lebensqualität in verdichteten Räumen zu verbessern, drittens Mobilität im wahrsten Sinne des Wortes zu bewegen und viertens die StVO zu ändern.

Wir wollen die Projekte wissenschaftlich begleiten lassen und auswerten. Um perspektivisch den Spielraum für die postfossile Mobilität, den notwendigen Umbau unseres auf den fließenden Autoverkehr reduzierten Verständnisses von Verkehr sowie für die Entschleunigung auf Tempo 30 zu erweitern, benötigen wir weitere Änderung auf Bundesebene. Es ist daher wichtig, dass wir uns nicht in juristischen Auseinandersetzungen wiederfinden, die jede vernünftige Idee abwürgen und Kreativität ersticken.

Wir brauchen ein konstruktives, immer lösungsorientiertes und gemeinsames Vorgehen und wir haben längst Beispiele, wie Veränderung gelingen kann.

Mit unseren beabsichtigten Modellprojekten für eine klimafreundliche und zukunftsfähige Mobilität werden wir nicht nur in Niedersachsen einen verkehrspolitischen Meilenstein setzen.

Ich persönlich freue mich sehr darüber, denn die Zeit für unsere langjährige rot-grüne Forderung ist reif.

Anrede,

seien sie offen für neue Strategien, die am Ende allen dienen können! Wir freuen uns über konstruktive Gespräche im Ausschuss.

Danke!

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