Rede Susanne Menge: Antrag (SPD/GRÜNE) Sicherung der Qualität im ÖPNV - Anpassungsbedarf im Zusammenhang mit dem Vorrang der Eigenwirtschaftlichkeit

- Es gilt das gesprochene Wort -

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren,

der Hintergrund unseres gemeinsamen Antrages ist die Neuregelung des Personenbeförderungsgesetzes aus dem Jahr 2013. Anlass der Änderung damals war die Anpassung der europäischen Verordnung Nr. 1370/2007 an deutsches Recht. Soweit der Sachverhalt!

Was sich mir nicht erschließt – weder damals noch heute – ist, weswegen der Bundesgesetzgeber vor drei Jahren – übrigens auch erst nach einem langen und zähen Abstimmungsprozess - meinte, sogenannte eigenwirtschaftliche Anträge wettbewerbsverzerrend bevorteilen zu müssen.

Denn jetzt, wo Konzessionsvergaben vielerorts in Niedersachsen anstehen und damit die Neuregelung durchschlägt, erleben wir genau die Probleme, die seinerzeit die Kritiker anmahnten: Das neue PBefG führt zu gravierenden Verwerfungen im ÖPNV!

Anrede,

in Pforzheim, in Baden Württemberg, wird gerade ein über 100 Jahre alter kommunaler Busbetrieb abgewickelt, weil die Kommune aufgrund des neuen PBefG einem Tochterunternehmen der DB AG den Vorzug einräumen musste. Das Betriebsvermögen des kommunalen Unternehmens wird veräußert, die Beschäftigten entlassen. Ob die DB Tochter tatsächlich künftig ohne Zuschüsse auskommt, steht noch aus. Einen Beleg musste sie gesetzeskonform bei Antragstellung nicht erbringen. Und selbst wenn die DB-Tochter scheitern würde, werden ihr keine wirklichen Sanktionen drohen: Denn welche Wahl hat eine Kommune, die die Daseinsvorsorge sicher zu stellen hat. Natürlich wird sie einspringen, wenn es nötig wird.

Wer den ÖPNV eigenwirtschaftlich betreiben will, der muss das ausschließlich über die Fahrgeldeinnahmen und die Ausgleichszahlungen leisten. Der personalintensive Nahverkehr, bis zu 60 Prozent der Gesamtkosten sind durch das Personal gebunden, lässt sich so kaum stemmen. Deswegen befürchten Beschäftigte und Gewerkschaften eine massive Verschlechterung ihrer Arbeitsbedingungen. In Hildesheim streikten rund 120 Beschäftigte, weil sie sich sorgen, bis zu 35 Prozent Lohneinbußen in Kauf nehmen zu müssen, wenn dort der Antrag auf Eigenwirtschaftlichkeit tatsächlich angenommen werden sollte.

Anrede,

wenig hilfreich bei der aktuellen Entwicklung ist aus meiner Sicht, dass der Gesamtverband Verkehrsgewerbe Niedersachsen (GVN) in Kampfrhetorik verfällt und noch zusätzlich Öl ins Feuer gießt. So unterstütze der GVN den „Angriff“ vier privater Unternehmen, die in Oldenburg gegen das kommunale Unternehmen VWG angetreten sind. Der GVN schürt nach eigener Aussage bewusst „Konfrontationen“ und droht, dass mit der bisherigen Zurückhaltung der privaten Unternehmen im Stadtverkehr Schluss sei. Man handle schließlich aus „Notwehr“. Hintergrund dafür ist die aktuelle nötige Umstellung der Ausgleichszahlungen im Schülerverkehr, die der GVN kritisiert. Fakt ist, dass die bisherige Praxis in Niedersachsen dem EU-Beihilferecht widerspricht und bis Ende des Jahres umgestellt werden muss. Das sehen auch alle anderen Akteure so, nur der GVN isoliert sich zunehmend und greift nun offenbar zur Abstrafung.

Anrede,

Privatisierung auf Kosten der Beschäftigten, keinen Einfluss der Aufgabenträger auf die privaten Unternehmen und mögliche massive Fahrpreiserhöhungen für die Fahrgäste – das alles und noch einiges mehr gehört auf den Beipackzettel der Eigenwirtschaftlichkeit, die aktuell bei Vergabe von ÖPNV-Aufträgen durch das PBefG bevorzugt wird. Wir sind der Meinung, dass wir rasch die Reißleine ziehen sollten. Am besten bevor auch in Niedersachsen solide arbeitende kommunale Unternehmen, die ihre Beschäftigten anständig bezahlen und die ihren Fahrgästen eine verlässliche Qualität bieten, abgewickelt werden müssen.

Danke!

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