Rede Stefan Wenzel: Mehr Investitionen für Bildung und Forschung statt Eigenheimzulage
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(es gilt das gesprochene Wort - weitere Reden aus der Landtagsdebatte finden Sie unter www.gruene-niedersachsen.de/landtag )
Anrede,
"wir wollen nicht in Beton investieren, sondern in Menschen", dieses Zitat stammt von Frau Ministerin von der Leyen, die sich kurz vor den Sommerferien in dieser Weise geäußert hat.
Gestern war in den Medien die Stellvertreterin von FDP-Parteichef Westerwelle zu hören. Ihr Tenor: "Subventionen abschaffen und statt dessen in Bildung investieren."
Obwohl sich einflussreiche Vertreter der Bundestagsfraktionen von FDP und CDU in dieser Weise öffentlich äußern, bewegt sich in der Realität noch nichts. Sie verteidigen bislang eine Subvention, die vor vielen Jahren erfunden wurde, die unbestreitbar auch ihren Wert hatte, die aber vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung überdacht werden muss.
Der von der rot-grünen Bundesregierung verabschiedete Gesetzesentwurf sieht vor, die Eigenheimzulage zum 01.01.2005 abzuschaffen. Frei werdende Mittel sollen in Bildung und Forschung investiert werden. Das Gesetz bedarf der Zustimmung des Bundesrates, also auch des Landes Niedersachsen. Bei voller Jahreswirkung würden jährlich 5,8 Milliarden Euro Steuermehreinnahmen zur Verfügung stehen, wovon den Bundesländern 2,5 Milliarden im Jahr zustünden.
Die Eigenheimzulage ist seit Jahren die steuerliche Einzelsubvention mit dem höchsten Volumen. Ihre Notwendigkeit und Effizienz wird jedoch seit geraumer Zeit in Frage gestellt. So urteilte zum Beispiel der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung im November 2003: "Die Eigenheimzulage hat sich überlebt. Die Politik sollte sich zu einer kompletten Streichung der Eigenheimzulage durchringen."
Tendenziell lassen sich, so hat es ein Gutachten der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer von 2002 gezeigt, außerdem Preis treibende Effekte sowohl im Hinblick auf Grundstücks- und Baupreise als auch im Hinblick auf Kreditzinsen für die Baufinanzierung nachweisen. Diese so genannte Überwälzung ist auch im Bereich der
Agrarsubventionen ein wissenschaftlich eindeutig belegter Effekt. Die demgegenüber befürchtete negative gesamtwirtschaftliche Auswirkung der Abschaffung der Eigenheimzulage wird oftmals überschätzt, da die Subvention ganz überwiegend von Haushalten in Anspruch genommen wird, die im oberen Drittel des geförderten Einkommensbereiches liegen. Diese Gruppen würden aller Wahrscheinlichkeit nach auch ohne die Eigenheimzulage ihr Bauvorhaben verwirklichen.
Anrede,
in der Studie "Deutschland 2020. Die demographische Zukunft der Nation" vom Berlin-Institut wird die Entwicklung von Regionen skizziert, die schon länger mit demographischen Schrumpfungsprozessen konfrontiert sind. Hier werden bereits einschneidende Maßnahmen wie beispielsweise der Wohnungsrückbau diskutiert. Solche Regionen werden wir bald auch in Niedersachsen haben. In einigen Landkreisen werden Familien, die aus beruflichen oder familiären Gründen den Wohnort wechseln müssen, nur mit Schwierigkeiten einen Käufer für selbst genutztes Wohneigentum finden. Auch vor diesem Hintergrund macht eine bundesweite flächendeckende Förderung des Baus von Eigenheimen keinen Sinn mehr.
Es geht nicht an, dass vernünftige steuerpolitische Regelung die in den Bundesrat kommen, von Seiten der CDU/FDP-Landesregierung aus parteitaktischem Überlegungen blockiert werden. Sie verhindern dadurch, dass in erheblichem Maße Mehreinnahmen für den Landeshaushalt zur Verfügung stehen.
Im Maiplenum hat Minister Möllring hier wörtlich und öffentlich zu mir gesagt: "Herr Wenzel, über die Eigenheimzulage kann man selbstverständlich reden. Aber nicht so, wie es die Bundesregierung tut!". Aber wie denn dann? Wir machen Ihnen hier einen Vorschlag der dem entspricht was die Bundesregierung vorgelegt hat, nämlich die Eigenheimzulage zu streichen und die frei werdenden Mittel, und das sind für Niedersachsen mittelfristig 250 Millionen Euro jährlich, in Bildung und Forschung zu investieren. Wenn Sie das so nicht wollen, dann machen Sie einen eigenen Vorschlag zum Thema Eigenheimzulage und bringen den in den Bundesrat ein.
Es gibt mittlerweile etliche wissenschaftliche Studien, die deutlich machen, dass sich die Eigenheimzulage überlebt hat. Sie sollten endlich mal den Mut haben sich von alten Subventionstatbeständen zu trennen. Wenn Sie das nicht können, dann sollten sie inhaltlich erklären warum Sie an der Eigenheimzulage festhalten, bisher jedenfalls haben sie keinen vernünftigen sachlichen Grund dafür nennen können.
Die Landesregierung hat die Notwendigkeit zu drastischen Sparmaßnahmen immer nur damit begründet, dass die SPD einen desolaten Haushalt hinterlassen hat. Das ist aber nur die halbe Wahrheit, denn die Lage wäre schon lange nicht mehr so katastrophal wenn die Landesregierung endlich die Interessen des Landes in den Fordergrund stellen würde und auf die parteipolitischen Bundesratsspielchen verzichten würde.
Anrede,
Sie wissen längst, dass diese Subvention volkswirtschaftlich fragwürdig geworden ist. Trotzdem halten Ihre Parteistrategen an dem Instrument fest, weil sie sich eine Teilgegenfinanzierung für ihre Kopfsteuerkonzepte zur Reform der Krankenversicherung erhalten wollen. Aber ich kann Sie beruhigen: Die nächste Bundestagswahl werden Sie sowieso verlieren, weil Ihre Konzepte nicht realitätstauglich sind.
Anrede,
viel schlimmer ist jedoch, dass Sie eine Neuorientierung in der Bildungspolitik blockieren. Ein Land ohne Rohstoffe braucht kluge Köpfe und die sprießen nicht einfach so aus dem Boden. Deshalb brauchen wir eine Konzentration staatlicher Investitionstätigkeit auf den Bildungssektor – auf Kindergärten, auf Schulen und Hochschulen. Hier ist der volkswirtschaftliche Nutzen einer Investition beispielsweise deutlich höher als bei einer Investition in den Straßenbau. Mit einer Investition in Bildung werden mehr Arbeitsplätze geschaffen als mit einer Investition in Beton.
Im Bildungsbericht für Deutschland wird festgestellt, dass die Entwicklung der öffentlichen Haushalte und das im internationalen Vergleich geringe Gewicht der öffentlichen Bildungsausgaben die Umsetzung der Reformen des Bildungssystems gefährden. Im Ländermittel der OECD-Mitgliedsstaaten wurden im Jahr 2000 5,5 % des Bruttoinlandsprodukts für die Bildungssysteme aufgewendet. Deutschland liegt mit 5,3 % leicht unter diesem Durchschnitt. Deutlich höhere Anteile gaben beispielsweise Kanada (6,4 %), Dänemark (6,7 %), Frankreich (6,1 %) und Korea (6,3 %) aus. Diese Zahlen verdeutlichen, dass in Deutschland erhebliche Defizite bei der Bildungsfinanzierung bestehen. Dieser Herausforderung müssen sich Bund und Länder stellen. Eine Umsteuerung der vorhandenen Ressourcen aus der Eigenheimzulage in Zukunftsinvestitionen ist somit dringend geboten.