Rede Stefan Wenzel: Entwurf eines Gesetzes über die Steuerakademie Niedersachsen

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Anrede,

mit dem Beschluss zur Neuorganisation der Aus- und Fortbildung im öffentlichen Dienst hat die Landesregierung Ende letzten Jahres die Auflösung der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege zum 31. Juli 2007 festgelegt, ohne tatsächlich ein neues schlüssiges Gesamtkonzept für die Ausbildung entwickelt zu haben. Der vorliegende Gesetzentwurf zur Steuerakademie enthält zudem eine ganze Reihe von rechtlichen Haken und Ösen. Beispielsweise ist nach Ansicht des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes nicht sichergestellt, dass die Ausbildung im gesamten Bundesgebiet anerkannt wird.

Immerhin sind wir mit diesem Gesetz aber schon weiter als im Königreich Hannover. In Braunschweig und Oldenburg zumindest muss die Ausbildung anerkannt werden. Das war vor 1866 nicht unbedingt der Fall.

Anrede,

die Fakultät Steuerverwaltung soll schon zum 1. August 2006 aus der Fachhochschule herausgelöst und mit der Landesfinanzschule zur Steuerakademie zusammengefasst werden. Gegen das Ziel die Ausbildung des mittleren und gehobenen Dienstes und die Fortbildung im Bereich der Steuerverwaltung enger miteinander zu verzahnen ist im Prinzip nichts einzuwenden. Der vorliegende Gesetzentwurf zur Steuerakademie stößt aber auf erhebliche Kritik.

Besonders problematisch ist, dass die Ausbildung des gehobenen Dienstes nicht mehr mit einem akademischen Grad abschließt, sondern lediglich ein Diplom als Berufsbezeichnung vorsieht. Zwar lässt das Steuerbeamten-Ausbildungsgesetz als Alternative zu einem Studiengang an einer Fachhochschule auch eine Ausbildung in einen "gleichstehenden Studiengang" zu, die Frage ist aber, ob die von der Landesregierung und den Mehrheitsfraktionen favorisierte Lösung sinnvoll und praktikabel ist. Letzteres wird – nicht nur von uns - bezweifelt.

Anrede,

Ich will ihren Gesetzentwurf an drei Kriterien messen:

  • Bietet diese Reform Rechtssicherheit für Studentinnen und Studenten, die ihr Studium bereits unter anderen Voraussetzungen begonnen haben?

Nein: Der vorliegende Gesetzentwurf liefert keine hinreichende Grundlage für eine uneingeschränkte Nutzung des akademischen Grades "Diplom-Finanzwirt (FH)" für die jetzt an der Fakultät Studierenden, da der zweite Teil der Ausbildung in einer neuen Institution erfolgt, die die Bezeichnung Diplom nur noch als Berufsbezeichnung akzeptiert.

  • Wird das neue Modell dazu führen, dass mehr qualifizierte Bewerberinnen und Bewerber für diese Ausbildung gewonnen werden können?

Nein: Die neue Akademie macht den gehobenen Dienst in der Finanzverwaltung nicht attraktiver. Zu befürchten ist auch, dass die Eingangsbesoldung sinkt. In unseren Finanzämtern brauchen wir exzellent ausgebildete Frauen und Männer, die bei Betriebsprüfungen oder bei der Steuerfahndung mit Steuerabteilungen großer Konzerne und Firmen konfrontiert sind, die zudem von guten Anwälten beraten werden. Hier können wir uns keinen Reputationsverlust der Ausbildung leisten.

Wir brauchen künftig sogar deutlich bessere Ausbildungen. Unsere Steuerbeamten müssen in Europa mit Kollegen aus Frankreich, Italien oder Großbritannien kooperieren können. Sie müssen illegale internationale Karussellgeschäfte bei der Umsatzsteuer verhindern und steuergestaltende Maßnahmen erkennen und entsprechend bewerten. Im letzten Jahr haben die Betriebsprüfungen bundesweit zu Mehrsteuern von 14 Milliarden Euro geführt. Das zeigt die Dimension über die wir reden.

  • Ist dieses neue Modell auch langfristig eine sinnvolle Maßnahme zur Ausbildung im öffentlichen Dienst und ist künftig eine engere Kooperation mit anderen Bundesländern möglich?

Auch das ist nicht der Fall. Es wird eine neue Ausbildungskleinstaaterei geschaffen. Nicht nur in Niedersachsen wird es dann völlig verschiedene Modelle in der Ausbildung für den gehobenen Dienst bei Steuerbeamten, Polizisten und Rechtspflegern geben. Auch länderübergreifend ist die Flexibilität mindestens eingeschränkt, wenn nicht unmöglich.

Anrede,

wir haben im Rahmen der Ausschussberatung des Steuerakademiegesetzes gefordert, eine Expertenanhörung durchzuführen. Wir wollten klären, wie dieses niedersächsische Vorgehen in den anderen Bundesländern, beziehungsweise von den dort für die Ausbildung im gehobenen Dienst in der Steuerverwaltung Zuständigen, gesehen und beurteilt wird. Aber offensichtlich wollen die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen keine offene Debatte über die zukünftige Ausrichtung der Ausbildung im öffentlichen Dienst.

Stattdessen sollen möglichst schnell Fakten geschaffen werden, um Ergebnisse bei der Verwaltungsreform Phase 2 präsentieren zu können.

In der Kritik steht auch die Auflösung der FH-Verwaltung und Recht. In einer Resolution der Rektorenkonferenz der Fachhochschulen für den öffentlicher Dienst ist mit Bezug auf das niedersächsische Vorhaben zu lesen: "Aus Sicht der Rektorenkonferenz ist es nicht realistisch, dass durch die Zerschlagung einer bewährten Institution und die Bildung einer Vielzahl neuer Einrichtungen wünschenswerte Ziele von Kostenminimierung und Qualitätsverbesserung erreicht werden können."

Wir brauchen eine offene Diskussion darüber, wie – natürlich auch länderübergreifend – die Ausbildung im öffentlichen Dienst reformiert werden kann. Dabei müssen sowohl die Qualität der Ausbildung als auch die Ausbildungskosten berücksichtigt werden.

Mitte des Jahrhunderts werden in Deutschland vermutlich nur noch 50 Millionen Menschen leben. Wie viele Lehrer, Steuerbeamte, Rechtspfleger und Polizisten brauchen wir dann?

Wäre es nicht sinnvoll in diesem Zusammenhang die Ausbildung im gesamten öffentlichen Dienst einmal grundsätzlich zu bedenken?

Bräuchten wir nicht künftig Ausbildungen, die breiter aufgestellt sind und auch einen Wechsel in verwandte und ähnliche Aufgabenfelder zulassen?

Anrede,

wir brauchen ein zukunftstaugliches Gesamtkonzept für die Aus- und Fortbildung im und für den öffentlichen Dienst und dabei sollten auch die Erkenntnisse der Enquetekommission "Demografischer Wandel" Berücksichtigung finden. Dem hier vorliegenden Gesetzentwurf werden wir nicht zustimmen.

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