Rede Stefan Wenzel: Ausländerfeindlichkeit und Gewalt verurteilen - Integration fördern

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Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass wir heute hier zu einer ge-meinsamen Entschließung des Hauses kommen. Das war ein schwieriger Prozess; das war kein ein-facher Prozess. Angesichts der Debatte hier könn-te man ein bisschen das Gefühl haben, dass wir gar nicht über dasselbe Papier reden. Deswegen will ich kurz noch einmal zwei Kernsätze vorlesen, die meines Erachtens deutlich machen, worum es geht.
Erstens:
"...ein friedliches Zusammenleben von Menschen verschiedener Abstam-mung, Nationalität, Sprache, Heimat und Herkunft, verschiedenen Glau-bens und religiöser und politischer Anschauung gelingt nur durch gegen-seitige Achtung ..."
Zweitens:
"Die Förderung der sozialen und rechtlichen Integration von Menschen anderer ethnischer oder kultureller Herkunft unterstützt ein Klima der Of-fenheit und ist ein unverzichtbarer Beitrag zur Prävention von Fremden-hass und Rassismus."
(Zustimmung bei der CDU)
In einem demokratisch verfassten Staat, dessen Verfassung auch im Kontext der UN-Menschenrechtscharta steht, ist kein Platz für aus-länderfeindliche Hetze. Das Grundgesetz be-schreibt aber auch eindeutig die Grenzen der Mei-nungsfreiheit, die dann erreicht sind, wenn einzel-ne Menschen oder Gruppen von Menschen in ihrer Würde oder persönlichen Ehre verletzt werden. Herr Bregulla hat diese Grenzen weit überschrit-ten, weil er Minderheiten, weil er Gruppen von Menschen das Existenzrecht abgesprochen hat. Das, was dort an Äußerungen gefallen ist, ent-sprach dem Sprachgebrauch der Nationalsozialis-ten.
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)
Das wird auch in der Bevölkerung so empfunden.
Uns hat in der Fraktion eine ganze Reihe von An-rufen erreicht, unter anderem der Anruf eines Pro-fessors, eines Linguistikers, der die Einschätzung, die ich eben geäußert habe, geteilt hat. Auch das Schreiben, das von dem Propst der katholischen Kirche für den Arbeitskreis der Religionen unter-schrieben wurde und das, wie ich denke, Ihnen al-len in Kopie zugegangen ist, zeigt, dass die Bevöl-kerung von diesen Äußerungen, die dort gefallen sind, durchaus betroffen ist.
Welche Reaktion ist angemessen? - Herr Ripke, Sie haben Ihre Äußerung, die auch auf Ihrer Web-site steht, zitiert und gesagt: Herr Bregulla hat sich von seinen menschenverachtenden Einlassungen distanziert und sich dafür entschuldigt. - Das war am 6. April. Herr Wulff, Sie haben in der Presse am 17. April geäußert: Der Fall ist abgeschlossen. Die Äußerungen Bregullas waren missverständlich und haben zu Interpretationen Anlass gegeben, die nicht okay sind.
Ich weiß, Herr Wulff, dass Sie das Thema sehr ernst nehmen. Ich will Ihnen Ihr Engagement in dieser Frage, beispielsweise auch bei der gemein-samen Veranstaltung von Menschen jüdischen, muslimischen und christlichen Glaubens vor kur-zem in der Volkshochschule, nicht absprechen. Ich bin aber doch sehr erstaunt, wie milde Ihre Reakti-on ausfällt. Solche Debatten kochen immer mal wieder in der Provinz hoch. Es gibt dann öffentli-chen Druck und eine öffentliche Auseinanderset-zung. Der Fall Hohmann war ein Beispiel, der Fall Klett ein anderes. Es gibt dann eine Entschuldi-gung. Die Frage ist aber: Ist der Fall damit aus der Welt? - Ich meine, man kann sich für den Tatbe-stand der Volksverhetzung so haben Sie es ge-nannt, Herr Jüttner nicht einfach entschuldigen. Bei anderen strafbewehrten Delikten geht das auch nicht. Eine Entschuldigung schafft hinterher zwar ein Klima, das es ermöglicht, darüber zu dis-kutieren, aber die Tat als solche ist mit der Ent-schuldigung nicht aus der Welt.
Solche Äußerungen wie die, über die wir hier spre-chen, sind geeignet, Rechtsextremisten zu inspirie-ren und indirekt auch zu Taten zu motivieren, die wir alle gemeinsam hier in diesem Hause verab-scheuen. Meine Frage, Herr Wulff, ist, warum Sie sich dann noch so taktisch äußern. Warum äußern Sie sich nicht deutlicher? Warum wurde nicht deut-licher verurteilt? Warum hat Herr Bregulla noch sein Amt inne? Letztlich stellt sich auch die Frage: Warum ist er noch in der Partei?
Unsere gemeinsame Entschließung ist ein wichti-ges und ein deutliches Signal. Wir brauchen aber auch ich bin der festen Überzeugung, dass das der richtige Weg ist glasklare Reaktionen und kla-re Grenzen, und zwar auch in der Partei, in der dieser Fall aufgetreten ist, damit uns solche Debat-ten künftig hier in diesem Hause erspart bleiben. Falsch verstandene Toleranz ist meines Erachtens fehl am Platze. Das hat auch die Antisemitismus-Konferenz der OSZE in den letzten Tagen gezeigt, die wir alle beobachtet haben. Herzlichen Dank für das Zuhören.
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

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