Rede S. Wenzel: Haushalt im Nebel: Landesregierung umgeht Einfluss- und Kontrollmöglichkeit des Landtages bei neuen Formen der Haushaltsgestaltung

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Landtagssitzung am 22.01.04
Stefan Wenzel, MdL
TOP 33: Haushalt im Nebel: Landesregierung umgeht Einfluss- und Kontrollmöglichkeit des Landtages bei neuen Formen der Haushaltsgestaltung
Anrede,
Laut Enquete-Kommission zur Arbeit des Niedersächsischen Landtages befinden sich mehr als 50% aller Haushaltstitel in globalen Teilhaushalten, in Landesbetrieben, in Deckungskreisen und in Budgets. Eine Dezentralisierung von Entscheidungen über den Einsatz öffentlicher Finanzmittel ist im Prinzip sinnvoll. Entsprechende Ansätze werden von uns grundsätzlich unterstützt, weil die klassische Kameralistik eine Reihe von Problemen aufwirft.
Der Landtag, dem allein die Budgethoheit zusteht, muss aber im Gegenzug andere Steuerungsmittel nutzen können, um seine Budgethoheit wahrnehmen zu können, um seine politischen Ziele durchsetzen zu können und um die Ausgabenkontrolle gewährleisten zu können.
Die Landesregierung hat im Landeshaushalt 2004 eine ganze Reihe von neuen Deckungskreisen und Budgets gebildet, hat es jedoch in weiten Teilen versäumt, dem Landtag die entsprechenden Zielvereinbarungen vorzulegen. Auch die Qualität der zu erbringenden Leistungen bleibt im Nebel. Wie weit die Kosten- und Leistungsrechnung und das Controlling mittlerweile entwickelt sind bleibt unklar. Problematisch waren die Informationen oder besser gesagt, die Nichtinformationen, die dem Landtag über die Verwendung der Mittel zugänglich gemacht wurden.
Einige Beispiele möchte ich hier aufzählen.
Für den Bereich des schon seit längerem gebildeten Hafenbudgets hat sich das Wirtschaftsministerium beispielsweise geweigert, Abgeordneten Ertragszahlen zu den einzelnen Häfen vorzulegen. Obwohl es sich um ein Modellprojekt handelt, ist das Hafenbudget undurchsichtig. Im Haushaltsausschuss erklärte der Vertreter des zuständigen Ressorts schließlich, es handele sich beim Hafenbudget "lediglich um einen ersten Budgetversuch". (5.11.03)
In derselben Sitzung führte der Landesrechnungshof zur Budgetierung im Bereich der Straßenverwaltung aus, dass es eigentlich schon schwierig genug gewesen sei, sich im bisherigen Haushaltssystem zurechtzufinden. Mit der Budgetierung falle dies noch schwerer. Zudem sei der Landesrechnungshof hier der Ansicht, dass die Vorraussetzungen für eine Budgetierung gar nicht gegeben seien. Nach der einschlägigen Vorschrift darf nämlich nur budgetiert werden, wenn es geeignete Informations- und Steuerungsinstrumente gibt und wenn Art und Umfang der zu erbringenden Leistung durch Gesetz oder durch Haushaltsplan festgelegt sind.

Im Personalbudget des Kultusministeriums gibt es überhaupt keine Übersicht über die Verwendung der Mittel, dafür aber umso mehr Überraschungen. Wenn der Landtag dem Kultusminister ein Personalbudget von 3 Mrd. Euro in die Hand gibt, dann muss er auch wissen, wie die Lehrerausstattung der verschiedenen Schulen sein soll, welche Qualität der Unterrichtsversorgung angestrebt wird, welche Ressourcen beispielsweise für die sonderpädagogische Grundversorgung an den Grundschulen bereit gestellt werden. Es ist ein völliges Unding, dass der Landtag Geld für 2500 neue Lehrer bereitstellt und hinterher feststellen muss, dass die Ganztagsschulen nicht mehr mit Lehrern ausgestattet werden können oder das ihre Schulreform den allergrößten Teil der Lehrerstellen gleich wieder auffrisst.
Hier wollen wir künftig Zielvereinbarungen sehen, hier muss der Landtag deutlich machen, welche Maßnahmen mit den 3 Mrd. Euro im Personalbudget des Kultusministers durchgeführt werden sollen.
Anrede,
Gleiches gilt für den Wissenschaftsminister. Sie haben das Recht gebeugt und die im Hochschulgesetz vorgesehenen Zielvereinbarungen außer Kraft gesetzt. Sie haben nicht nur den Landtag im Unklaren gelassen, sie haben zusätzlich die Hochschulen ins Chaos gestürzt.
Der Landesrechnungshof hatte in der Sitzung des Haushaltsausschusses vom 23.10.2003 sogar angeregt, 10% des Hochschuletats zu sperren, weil sich "das Parlament in einer Situation befinde, in der es nicht mehr möglich sei, nach den Bestimmungen des Hochschulgesetzes zu steuern." Die Regierung musste einräumen, dass die Kosten- und Leistungsrechnung nicht hinreichend funktioniere. Ohne Sperrvermerk, so der Rechnungshof weiter, begäbe sich das Parlament jeder Möglichkeit, die Zielvereinbarungen zur Entwicklung der einzelnen Hochschulen zur Kenntnis zu nehmen und auf das Ministerium gegebenenfalls einzuwirken. Damit werde die Gesetzessystematik von §1 NHG unterlaufen.

Anrede,
ihre Budgetierungsversuche im Landeshaushalt 2004 sind chaotisch. Sie sind intransparent und sie erlauben keine wirksame Kostenkontrolle. Vermutlich gilt das nicht nur für die externe Kontrolle, sondern auch für die interne.
Anrede,
nach dem Ende der Personalunion mit England saß bis 1866 in diesem Haus der König - Exekutive, Legislative und Judikative weitgehend in einer Person. Die Budgethoheit lag beim König, einige wenige Beteiligungsrechte bei einer Ständeversammlung. Heute ist die Gewaltenteilung ein zentraler Maßstab für eine entwickelte Demokratie. Das alte Königsrecht liegt beim Parlament.
Sie haben das Königsrecht des Parlaments gebeugt, sie haben die Budgethoheit verletzt. Um eine schnellstmögliche Wiederherstellung der Rechte des Parlaments zu gewährleisten, bitten wir um Zustimmung zu unserem Antrag.
Vielen Dank

es gilt das gesprochene Wort

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