Rede S. Wenzel: Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Haushaltsplans für das Haushaltsjahr 2004

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Anrede,
der Haushalt, der dem französischen König von seinem Finanzminister Calonne im Jahr 1788 vorgelegt wurde, sah noch deutlich schlechter aus als Ihrer, Herr Möllring. Damals lagen die Ausgaben 20 % höher als die Einnahmen des Staates. 50 % der Ausgaben wurden für Zins und Tilgung aufgewendet. In der Folge kam es zur Einberufung der Generalstände und die Ereignisse nahmen den bekannten Lauf.
Das Beispiel zeigt die Brisanz einer finanzpolitischen Kamikaze-Politik.
Anrede,
mit dem Haushaltsplan, den Sie uns heute vorlegen, werden ca. 11 % der Ausgaben durch neue Kredite finanziert. Gleichzeitig stellen Sie eine ganze Reihe von verfassungswidrigen Landeshaushalten in Aussicht.
In absoluten Zahlen legen Sie uns einen Plan vor, der im Jahr 2004 die dritthöchste Neuverschuldung aller Bundesländer ausweist. Außerdem wird – wie bei Herrn Aller schon praktiziert – eine globale Minderausgabe auf höchst möglichem Niveau eingestellt. Eine Vorgehensweise, die Sie Herr Möllring, in der Vergangenheit immer scharf kritisiert haben.
Die Mittelfristige Finanzplanung enthält – soweit sie uns heute schon bekannt ist – erhebliche Risiken, unsichere und unwahrscheinliche Annahmen. Ein Novum ist zudem die verspätete Vorlage der Mipla. Dies ist ein Verstoß gegen die Landeshaushaltsordnung.
Anrede,
Sie haben im Haushalt 2500 neue Lehrer vorgesehen, aber Sie haben auch eine dreigliedrige Schulreform beschlossen, die den größten Teil der Lehrerstellen wieder auffrisst und Sie kassieren in der Mipla 700 von den neuen Lehrerstellen gleich wieder ein.
Sie haben in Kabinett und Fraktion eine Kürzung bei den Hochschulen beschlossen, die die Qualität der niedersächsischen Hochschulen teuer zu stehen kommt. Wenn künftig keine renommierten Professoren mehr berufen werden können, werden die Hochschulen im Ranking weiter abfallen. Maßstab der niedersächsischen Hochschulen darf aber nicht die Uni Vechta sein, sondern müssen vielmehr die weltweit besten Fakultäten sein. Bei den Stiftungshochschulen werden Sie vertragsbrüchig indem Sie die Finanzausstattung der Gründungsverträge einseitig aufkündigen.
Anrede,
seit gestern haben wir es noch mal schwarz auf weiß: Zuwenig Abiturienten und mittelmäßige Hochschulen wirken sich negativ auf die wirtschaftliche Entwicklung aus. Die OECD ist in ihren Aussagen mehr als deutlich geworden.
Der Investitionsbegriff ist mehr als überholungsbedürftig. Münchhausen hatte die Gründung der Universität Göttingen als ein Projekt der Wirtschaftsförderung betrieben. Heute werden die Universitäten nicht mehr als Investition in die Zukunft begriffen, sondern als Kostenfaktor. Und wenn Sie von Wirtschaftsförderung reden, dann schütten Sie die Gelder wie mit der Gießkanne aus.
Anrede,
der Landesrechnungshof hat Ihnen das – genauso wie auch Ihrer Vorgängerregierung - ins Stammbuch geschrieben. Jetzt weigern Sie sich sogar in großkoalitionärer Verbundenheit eine Evaluation vorzunehmen. 50 % Mitnahmeeffekte hat der Landesrechnungshof bei dieser Form der Wirtschaftsförderung zur Kenntnis nehmen müssen.
Die niedersächsischen Häfen weisen nur eine Kostendeckung von 33 % auf. Leider steht zu befürchten, dass die von Ihnen vorgesehene Finanzierung des Tiefwasserhafens zusätzliche große Löcher in den Haushalt reißt. Das Zauberwort PPP (Public-Private-Partnership) wird hier arg strapaziert. Public-pays-plus – die Öffentlichkeit zahlt drauf - sollte es wohl besser heißen.
Mittlerweile liegen sehr weitgehende Vorschläge zur Zukunft des Föderalismus auf dem Tisch. Wenn man die Vorschläge des Vorsitzenden Richters am Bundesverfassungsgericht ernst nehmen würde, wären auch das Thema Hafenkooperation und die parallele Subventionierung von Infrastrukturprojekten nur noch Schnee von gestern. Das ist sicher noch ein weiter Weg. Fakt ist aber auch, dass Niedersachsen, Hamburg, Bremen und Schleswig Holstein ein gemeinsames Landesamt für Statistik, einen gemeinsamen Verfassungsschutz, eine gemeinsame Katasterverwaltung und ein gemeinsames Amt für Bezüge betreiben könnten. Herr Wulff, Ihr Kollege Ole von Beust macht es Ihnen zusammen mit Schleswig-Holstein vor: drei Landesämter sind verknüpft und bei 15 weiteren wird das geprüft. Sie brauchen erst eine Einladung, um dieses Einsparpotential zu nutzen.
Anrede,
Sie setzen nach eigenem Bekunden einen Schwerpunkt im Bereich Sicherheit und wollen trotz Verfassungswidrigkeit des Haushaltes 1000 neue Polizisten einstellen.
In einem Punkt haben Sie Recht: In einer Zeit in der mit Angst vor Terrorismus, Gewalt, sozialem Abstieg und Krankheit immer mehr Politik gemacht wird, fühlen sich viele Menschen verunsichert. Die Sehnsucht nach Sicherheit und Geborgenheit ist ein sehr tief sitzendes menschliches Bedürfnis. Aber: die Einstellung von 1000 neuen Polizisten ist im besten Fall Placebo-Politik.
Wir Grünen setzen der Politik der Angst eine Politik der sozialen Sicherheit und der Geborgenheit entgegen. Wir wollen das bürgerschaftliche Engagement stärken und zivilgesellschaftliche Strukturen stärken. Wir wollen den Menschen, die sich für ihr Gemeinwesen engagieren wieder Mut machen und sie in diesem Engagement unterstützten. Deshalb ist es falsch, wenn Sie die kleinen sozialen Projekte zusammenstreichen. Das sage ich auch ausdrücklich den Ideologen von der FDP, die nur ihre Klientel der besserverdienenden Männer im Blick haben.
Da verkündet der FDP-Fraktionschef katastrophale Kürzungsvorschläge seiner Fraktion bei Wohlfahrtsverbänden, Mädchenhäusern und Frauenprojekten und behauptet dies sei mit den Ministerien abgestimmt. Aber: die Sozialministerin ist überrascht und lehnt die zusätzlichen Kürzungen im Sozialetat strikt ab. So ist es mit der FDP im Landtag: sie kündigt an, behauptet und raus kommt nichts.
Anrede,
"Soll noch mehr gespart werden oder sollen noch mehr Schulden gemacht werden?" Mit dieser Frage wollten der Ministerpräsident und der Fraktionsvorsitzende der CDU angesichts der Debatte über das Vorziehen der Steuerreform die Opposition in Mithaftung nehmen. Einen wichtigen Punkt haben Sie aber ausgespart, meine Herren.
Wir wollen endlich wissen, welche Position Sie im Bundesrat vertreten. Der Abbau von Subventionen wird sich in den nächsten Jahren ganz wesentlich auf die Einnahmeentwicklung auswirken. Ich will zwei Punkte ansprechen: Die Eigenheimzulage und die Kilometerpauschale. Allein die Abschaffung der Eigenheimzulage wird den Landeshaushalt langfristig mit ca. 250 Millionen Euro jährlich entlasten.
Beide Subventionen fördern die Zersiedelung. Beide Subventionen schwächen die historischen Zentren unserer Städte und Dörfer.
Anrede,
eigene Vorschläge zum Subventionsabbau – meine Damen und Herren von der CDU - legen Sie nicht auf den Tisch. Wir erleben auf der ganzen Linie eine Verweigerungshaltung: vom Subventionsabbau bis zur Gemeindefinanzreform verweigern Sie eine konstruktive Auseinandersetzung. Man kann nur hoffen, dass Sie nach dem 21. September, nach der Landtagswahl in Bayern mehr Mut haben werden.
Anrede,
wir werden nicht locker lassen. Wir wollen wissen, wo die Landesregierung im Bundesrat kooperiert, wo sie bessere Vorschläge hat und wo sie sich nicht zu einem Kompromiss durchringen kann.
Die Zusammenarbeit im Bundesrat beim Subventionsabbau könnte unseren Landeshaushalt schon im Jahr 2004 um bis zu 400 Millionen Euro entlasten. Eine Entlastung, die sich im Übrigen auch für die Folgejahre ergeben würde.
Eine weitere Blockade im Bundesrat bedeutet, dass auch weiterhin verfassungswidrige Haushalte vorgelegt werden und kommt Niedersachsen teuer zu stehen.

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