Rede S. Wenzel: Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung der Niedersächsischen Verfassung

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Anrede,
Dutzende von Gesetzen hat der Landtag beschlossen, seit der Ministerpräsident von diesem Platz aus seine Regierungserklärung abgegeben hat. Aber ein Gesetz war nicht dabei: Das Gesetz zur Verankerung des Konnexitätsprinzips in der Niedersächsischen Verfassung.
Ein Zufall? - Wohl kaum!
Ein zu kompliziertes und umfangreiches neues Gesetz? - Nein!
Möglicherweise keine Zweidrittelmehrheit? - Kein Grund für den Verzicht auf eine eigene Initiative!
Anrede,
hinter diesem Verzicht auf einen eigenen Gesetzentwurf steckt aber mehr. Dahinter steckt offenbar bewusstes politisches Kalkül und der Versuch, eine ganze Reihe von Gesetzen durch den Landtag zu peitschen, die den eigenen politischen Ansprüchen in keiner Weise gerecht werden.
Wie einen Popanz haben Sie, Herr Ministerpräsident, den Anspruch vor sich her getragen: "Wer die Musik bestellt, der muss sie auch bezahlen."
Das ist ein einfacher Grundsatz, den jede und jeder versteht. Dieser Grundsatz würde mehr Verlässlichkeit und mehr Verantwortung in das politische Handeln bringen.
Tatsächlich aber verabschieden Sie Gesetze zu Lasten Dritter, die zwar kurzfristigen Beifall bringen mögen. Aber zu viele Gesetze von dieser Sorte legen die Axt an eine Wurzel unserer Demokratie: Die kommunale Selbstverwaltung.
Anrede,
Ihre Schulreform ist eindeutig ein Projekt zu Lasten Dritter.
Sie kostet die Kommunen einen hohen zweistelligen Millionenbetrag. Umzüge, Umbauten und Neubauten werden nicht erstattet.
Kürzlich wurde unsere Vorsitzende sogar von Ihrem Parteikollegen, Herrn Landrat Eveslage angeschrieben, der eine Resolution seines Kreistages übersandt hat. Dort wird gefordert, dass sich das Land, insbesondere bei der Finanzierung der Kosten "angemessen" zu beteiligen habe, die den Kommunen bei der Umsetzung der Schulstrukturreform entstehen.
Anrede,
es ist schon bemerkenswert, wenn sich Ihr ehemaliger Kollege Eveslage in seiner Verzweiflung an die Opposition wendet.
Bei der Debatte über das Aufnahmegesetz hat das Innenministerium im Haushaltsausschuss versucht, uns weis zu machen, dass die Kommunen dabei keine zusätzlichen Lasten zu tragen haben.
Die Wahrheit war das nicht. Mindestens 10% der Kosten sollen die Kommunen tragen. Zwischen Referentenentwurf und Gesetzentwurf haben Sie nur die Begründung für diesen erneuten Griff in die Kassen der Kommunen geändert.
Auch bei der Verwaltungsreform stehen Entscheidungen an, die für die Kommunen sehr teuer werden können.
Anrede,
bevor über weitere Gesetze diskutiert wird, muss nach Meinung der Grünen das Konnexitätsprinzip in der Niedersächsischen Verfassung verankert werden. Wenn die Regierungskoalition – ganz im Gegensatz zu ihrem bisherigen Vorgehen - im Einzelfall eine Verschärfung einschlägiger Formulierungen gegenüber unserem Entwurf wünschen sollte, sind wir die letzten, die sich diesem Wunsch verschließen.
Die Grundsätze des Urteils des Staatsgerichtshofes wollen wir nicht außer Kraft setzen. Paragraph 57 NV regelt heute den übertragenen Wirkungskreis. Paragraph 58 NV regelt den eigenen Wirkungskreis. Dabei hat der Staatsgerichtshof eine Eigenquote im übertragenen Wirkungskreis grundsätzlich für zulässig erklärt. Er hat aber darauf aufmerksam gemacht, dass hier Mittel aus dem eigenen Wirkungskreis in Anspruch genommen werden müssen, wenn die Synergieeffekte nicht ausreichen, um die Eigenquote abzudecken. Das sei nur zulässig, wenn den Kommunen darüber hinaus eine freie Spitze bleibe. Diese freie Spitze ist zur Zeit aber bei fast keiner Kommune zu finden. Deutlich geworden ist aber auch, dass Paragraph 58 NV eine Lastenverteilung zwischen Land und Kommunen erlaubt, wenn sich beide in einer sehr schwierigen Haushaltslage befinden. Insofern wird hier auch klar, dass jede neue Regelung ihre Grenzen hat.
Anrede,
damit wird aber auch deutlich, dass der zum Zeitpunkt des Urteils geltende rechtliche Rahmen mit dem horizontalen und vertikalen kommunalen Finanzausgleich in Einklang zu bringen war. Es kann daher nicht angehen, dass der Abschaffung der Frauenbeauftragten mit Blick auf das Konnexitätsprinzip das Wort geredet wird. Dieses Argument greift nicht. Die Abschaffung eines Großteils der kommunalen Frauenbeauftragten lässt sich nicht mit dem Konnexitätsprinzip begründen. Allenfalls ist denkbar, dass Sie hier die Mehrkosten, die den Kommunen durch eine achtjährige Amtszeit der Bürgermeister im Bereich zusätzlicher Pensionskosten entstehen werden, kompensieren wollen. Diesen politischen Kuhhandel haben Sie zu verantworten, jenseits der Debatte über das Konnexitätsprinzip.
Anrede,
unsere Gesetzesänderung bezieht sich auf künftige Entwicklungen. Das heißt, für künftige Veränderungen muss das Konnexitätsprinzip voll greifen. Künftige finanzielle Mehrbelastungen der Kommunen müssen voll ausgeglichen werden. Das gilt gemäß unserer Formulierung sowohl für den übertragenen Wirkungskreis als auch für den eigenen Wirkungskreis.
Ein besonderes Problem stellt die Wirkung von bundes- und europarechtlichen gesetzlichen Regelungen dar. Soweit eine gesetzliche Regelung des Bundes oder der Europaebene einer Umsetzung durch ein Landesgesetz bedarf, würde dies gegebenenfalls eine Ausgleichspflicht des Landes nach sich ziehen. Das Land wäre daher gut beraten, bereits zum Zeitpunkt der Beratung im Bundestag auf eine genaue Analyse der entstehenden Kosten für die verschiedenen Bereiche der kommunalen Selbstverwaltung bzw. des Staates zu drängen und für Transparenz zu sorgen. Volle Sicherheit gegen einseitige Belastungen ist damit aber nicht gegeben. Dies bliebe einer eindeutigen Konnexitätsregelung im Grundgesetz vorbehalten.
Anrede,
die vorgeschlagene Änderung der Verfassung soll nicht zu neuen aufwändigen Verfahrensregelungen führen. Regelungen zum Konsultationsverfahren können zwischen den kommunalen Spitzenverbänden und dem Land getroffen werden. Entsprechend wird auch in Bayern verfahren.
Die neuen Formulierungen in der niedersächsischen Verfassung werden insbesondere für eine Selbstdisziplin des Landes sorgen. Sie bringen außerdem mehr Transparenz über die Wirkung einzelner Gesetze.
Anrede,
die Situation der niedersächsischen Kommunen lässt kein Abwarten mehr zu. Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass CDU und FDP im Bundesrat eine Verbreiterung der Gewerbesteuer verhindert und den Kommunen damit Einbußen bei den Steuereinnahmen beschert haben.
Das Konnexitätsprinzip muss in die Verfassung – noch vor der Umsetzung der von Ihnen geplanten Verwaltungsreform.

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