Rede Ralf Briese: Rechtsextremismus und Antisemitismus in Niedersachsen
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Anrede,
Niedersachsen war aufgrund von rechtsradikalen Umtrieben und Ereignissen in den letzten Monaten in den Schlagzeilen.
Wir wollen das nicht künstlich dramatisieren, aber bei Rassismus und Antisemitismus ist die Wachsamkeit von Staat, Politik und Gesellschaft gefordert.
Eine Strategie des Totschweigens halten wir für absolut verfehlt.
Junge Neonazis haben im Raum Verden frech und ungeniert menschenverachtende Propaganda verteilt und um neue Mitglieder geworben.
Die NPD hat sich nach dem Verbotsdebakel erschreckend schnell erholt und neu aufgestellt, das bestätigt die Antwort der Landesregierung auf unsere Große Anfrage eindeutig.
Dort heisst es: "Die NPD hat als einzige Partei ein strategisches Konzept, um neue Mitglieder zu rekrutieren. Infolge dieser strategisch geplanten Aktivitäten ist innerhalb des niedersächsischen Landesverbandes der NPD ein Verjüngungsprozess festzustellen."
Fast zeitgleich zu den NPD-Werbeaktionen hat sich der Rechtsanwalt und bekennende Neonazi Jürgen Rieger ein großes ehemaligen Bundeswehranwesen in Dörverden gekauft und verkündet, er wolle dort Fruchtbarkeitsforschung betreiben, um arischen Nachwuchs zu züchten.
Anrede,
nicht nur angesichts der deutschen Geschichte darf ein solches Vorhaben eines antisemitischen Rechtsextremisten nicht hingenommen werden.
Wir wissen, dass Rieger ein Wirrkopf ist und vieles ankündigt – aber eine Neonazi-Kaderschmiede mitten in Niedersachsen muss mit allen politischen Mitteln unterbunden werden. Gerade auch aufgrund der Erfahrungen mit Rieger in Hetendorf.
Gegenwärtig bestückt Rieger sein Anwesen in Dörverden mit alten Militärfahrzeugen und hält dort rechtsradikalen Ratschlag.
Angesichts jüngster Wahlerfolge der NDP in anderen Bundesländern muss uns das besorgt machen, meine Damen und Herren. Die Landesregierung muss dem Rechtsextremismus in Niedersachsen mehr als bisher entgegen setzen.
Zwar wird in der Antwort auf unsere Große Anfrage am Anfang weitschweifig dargelegt wie ernst die Landesregierung das Problem nehme, die Bekämpfung des Rechtsextremismus stelle gar einen Schwerpunkt im Bereich der inneren Sicherheit dar.
Gemessen an Ihren Taten, Herr Innenmister, entstand in den letzen Monaten jedoch eher der Eindruck, dass die Landesregierung die rechtsradikalen Umtriebe in Niedersachsen etwas lax nimmt.
Erst nach umfangreicher Presseberichterstattung zu dem Thema meldeten Sie sich zu Wort: Tatkraft, Ernsthaftigkeit und Entschlossenheit, Herr Schünemann sehen anders aus.
Sie werden sonst nicht müde die Ausweitung von Gendateien, der Rasterfahndung, der Biometrie, der Einrichtung von Islamistendateien und sogar den Bundeswehreinsatz im Inneren zu fordern. Dagegen bleiben Sie erstaunlich gelassen, ja fast phlegmatisch, wenn es um rechtsextremistische Vorgänge und braune Umtriebe im eigenen Bundesland geht.
Die massenhafte CD-Verteilungsaktion rechtsradikaler Musik war bereits lange im Gespräch, aber das Innenministerium musste erst mit Nachdruck auf das Problem aufmerksam gemacht, bevor es aktiv wurde.
Anrede,
im ersten Teil unserer Großen Anfrage werden Zahlen und Straftatbestände mit rechtsradikalem Hintergrund abgefragt.
Eines wird an den Zahlen deutlich: sie sind immer noch auf viel zu hohem Niveau. Auch der erneute leichte Anstieg von rechtsextremistischen Straftaten im 1. Quartal 2004 gibt absolut keinen Grund zur Entwarnung.
Entscheidend sind die politischen Konzepte gegen den rechten Extremismus – vor allem die Ursachenbekämpfung in Form von Aufklärung, in Form von Bildungsmaßnahmen und Sozialprogrammen.
Die Antwort der Landesregierung zu diesem Punkt ist, gelinde gesagt, irritierend:
Zwar gibt es noch einige Programme und Initiativen – aber keines stammt von der neuen Landesregierung – sondern alle aus der Zeit der SPD-Regierung oder sogar noch von rotgrün in Niedersachsen.
Aber nicht einmal die bestehenden Projekte führen Sie fort.
Stattdessen fangen Sie an, die ersten Bildungsprojekte einzustampfen wie z.B. die Landeszentrale für politische Bildung und die durch diese geförderten Projekte.
Es ist schon erstaunlich, in Ihrer Antwort auf unsere GroßeAnfrage stellen Sie den Sinn der Landeszentrale mit keiner Silbe in Frage. Im Gegenteil: es gibt sogar ausdrücklich Lob.
Ich zitiere: "Die Landeszentrale für politische Bildung fördert neben eigenen Veranstaltungen seit dem Jahr 2001 im Rahmen eines Sonderprogrammes vielfältige und gesellschaftliche Initiativen gegen Rechtsextremismus und Gewalt. Der Erfolg ist an den Berichten ablesbar."
Ich frage Sie: warum wird eine Institution geschlossen, wenn sie so erfolgreich war gegen extremistische Strömungen aller Art. Das passt doch nicht zusammen.
Anrede,
wir appellieren an Sie : erhalten Sie wenigstens die guten noch existenten Programme gegen Rechtsradikalismus in Niedersachsen und geben Sie Ihnen Planungs und Bestandsschutz für die nächsten Jahre.
Noch gibt es zum Beispiel die Aussteigerhilfe Rechts, das Modellprojekt Prävention gegen Rechts und das Präventions- und Integrationsprogramm PRINT.
Wir werden genau darauf achten, wie Sie diese Projekte zukünftig finanzieren.
Es ist klar, dass der Kampf gegen menschenverachtenden und Gewalt verherrlichenden Extremismus aus der Mitte einer demokratisch verfassten Gesellschaft kommen muss und dass das Bewusstsein für Toleranz, Menschenrechte und Rechtssaat nicht von oben politisch verordnet werden kann.
Anrede,
eine starke Zivilgesellschaft ist immer auch Produkt einer lebendigen Kulturlandschaft. Gerade die kleinen soziokulturellen Einrichtungen sind wichtige Vermittler demokratischer Grundwerte. Auch dort setzen Sie jedoch massiv den Rotstift an. Das ist fahrlässig und das schädigt die gesellschaftliche Zivilcourage, die immens wichtig ist um dieDemokratie stabil zu halten.
Lassen Sie mich zu einer abschließenden Bewertung der Antwort der Landesregierung zum Problem Rechtsradikalismus und Antisemitismus in Niedersachsen kommen:
- Die Zahl der rechtsradikalen Umtriebe in Niedersachsen bewegt sich auf zu hohem Niveau.
- Die NPD formiert und organisiert sich neu.
- Im Raum Verden besitzen die geistigen Brandstifter und bekennenden Antisemiten eine Vielzahl an Liegenschaften und planen dort arische Fruchtbarkeitsforschung.
- Es gibt eine beängstigend hohe Zahl rechtsradikaler Musik und entsprechender Internetauftritte zwecks Werbung von Jugendlichen. Die Maßnahmen zur Eindämmung dieser Propaganda sind von Hilflosigkeit gekennzeichnet
- Die Landesregierung streicht demgegenüber vielen kleinen Kulturprojekten die Mittel und schädigt damit die demokratische Zivilgesellschaft.
- Noch gibt es in Niedersachsen einige funktionierende Projekten gegen Rechtsradikalismus allerdings beginnt die CDU/FDP-Landesregierung damit, einzelne dieser Projekte finanziell auszutrocknen
Anrede,
ein entschlossener Kampf gegen rechte Umtriebe lässt sich nicht mit frommen Bekenntnissen und finanziellen Kürzungen führen. Zwar kündigen Sie an, dass Sie im Kampf gegen die Gefahren des Rechtsextremismus die Maßnahmen weiterentwickeln, verbessern und mit neuen Konzepten ergänzen wollen – davon ist in der Praxis jedoch nichts zu sehen.
Im Saarland hat die NPD vor zwei Wochen knapp den Einzug ins Parlament verfehlt. Bei den anstehenden Wahlen in Sachsen und Brandenburg droht ein Stimmenzuwachs.
Ihre Antwort auf die Große Anfrage bestätigt: Es gibt in Niedersachsen eine stabile rechtsextreme Szene, die sich weiter formiert.
Auch in diesem Landtag saßen schon einmal Abgeordnete der NPD.
Soweit darf es nie wieder kommen.