Rede Ralf Briese: Kommunalverfassungsrecht demokratisieren – Kommunalfinanzen reformieren

Herr Präsident meine Damen und Herren,

unseren Städten und Gemeinden geht es schlecht. Es geht ihnen richtig schlecht und das ist nicht das allgemeine typische Gejammer, dass viele gerne mal in dieser Republik anstimmen. Nein, wir haben es mit einer tiefen und umfassenden Krise unseres Gemeinwesens zu tun.  Viele Kommunen sind nicht nur tief verschuldet, sondern überschuldet. Es gibt nichts mehr zu entscheiden. Man hangelt sich von einem Kassenkredit zum nächsten Haushaltssicherungskonzept.

Wie soll man Menschen noch für Politik begeistern, wenn es nur noch um Leistungsabbau und Gebührenerhöhungen geht? Wenn das allgemeine Volksvermögen der Bundesrepublik wächst – und es wächst beständig – warum sind wir dann nicht bereit, den Ort, wo das konkrete Leben stattfindet, finanziell angemessen auszustatten?

Warum trocknen wir unsere Kommunen aus, wenn alle vom Megathema Bildung reden? Warum geben wir Städten und Gemeinden nicht das Geld, das sie für Krippenausbau brauchen, damit Chancengerechtigkeit, Integration und damit Wachstum und Sicherheit eintreten? Herr Schünemann versteht unter Sicherheit ja immer nur Videokameras und Telefonüberwachung. Echte langfristige Sicherheit entsteht aber durch Chancengerechtigkeit und Bildung.

Meine Damen und Herren,

wir brauchen eine Gemeindefinanzreform, die diesen Namen verdient. Wir brauchen mehr Einnahmen für die Kommunen und wir brauchen sichere Einnahmen. Deshalb haben wir zwei finanzielle  Kernforderungen in unseren Antrag geschrieben:

Keine Abschaffung der Gewerbesteuer, sondern Verbreiterung. Das ist die orginäre Forderung aller kommunalen Spitzenverbände! Die Gewerbesteuer muss verstetigt und ausgebaut werden.

Punkt zwei:

Was die Bundesregierung derzeit macht ist doch ein steuerpolitischer Amoklauf: Steuern werden gesenkt und neue Subventionen auf Kosten der Kommunen verteilt. Dort werden nun die Gewerbesteuersätze und Grundsteuersätze erhöht, Eintrittspreise und Gebühren gleichfalls. Der Bund senkt – die Kommunen erhöhen. Das sind doch die ganz billigen Taschenspielertricks auf die keiner mehr Lust hat und die jeder durchschaut.

Deshalb: Keine Steuersenkungen mehr in Zeiten von kommunalen Schuldenständen von über 40 Mrd. €. Keine Steuersenkungen in Zeiten der höchsten Neuverschuldung des Landes Niedersachsen. Keine Steuersenkungen in Zeiten einer Bundesrekordverschuldung.

Interessanterweise finden diese Rekordverschuldungen immer unter schwarz-gelben Regierungen statt.  

Meine Damen und Herren,

was macht nun der amtierende Kommunalminister in einer Zeit der allgemeinen kommunalen Krise? Setzt er sich für eine bessere Finanzierung der Städte und Gemeinden ein? Bisher habe ich keinen einzigen echten Vorschlag aus ihrem Hause vernommen, Herr Schünemann. Stattdessen beglücken sie uns mit einem neuen Kommunalverfassungsrecht, das alles Mögliche ist, aber kein Aufbruchsignal:

Statt mehr Demokratie zu wagen, wollen Sie Demokratie einschränken und Stichwahlen abschaffen. Die Abschaffung der Stichwahl kann zur Folge haben, dass ein Kandidat schon mit 25% der Stimmen gewählt ist – also 75% der Leute etwas anderes wollten – und das nennen Sie Demokratie?

Das ist so durchschaubar – Sie wollen kleinere Außenseiter in der ersten Runde ausknocken.

Wenn Sie weniger Wahlen wollen, dann führen Sie die Kommunalwahl und die Bürgermeisterwahl wieder auf einem Termin durch. Das war doch der zentrale Fehler! Deshalb müssen wir die Amtszeit der Hauptverwaltungsbeamten wieder verkürzen und mit den Ratswahlen verzahnen. Amtsperioden von 8 Jahren sind eh zu lang. Wer gut ist, wird wieder gewählt – wer schlecht ist, muss nach maximal 5 Jahren wieder abgewählt werden.

Und natürlich fordern wir endlich die Reform des kommunalen Bürgerentscheides. Alles spricht für mehr Mitwirkungsrechte – nichts dagegen. Wir haben gute Erfahrungen mit breiten Mitwirkungsrechten gemacht. Die Leute wollen mitentscheiden, ob in ihrer Stadt eine Shopping Mall gebaut wird und damit die Innenstadt zerbröselt.

Die Heraufsetzung der Lebensalterszeiten tragen wir mit – und wollen dann konsequenterweise auch eine Herabsetzung für das passive Wahlrecht. Minister kann man mit 18 werden – wieso nicht BürgermeisterIn?

Wir wollen bessere Beteiligungsrechte für Jugendliche und Senioren und auch Migranten. Bisher hängt es viel zu stark vom Wohlwollen der Ratsvertreter ab, ob diese Gruppen stärker an der Kommunalpolitik beteiligt werden. Und natürlich wollen wir die Frauenbeauftragten zurück.

Meine Damen und Herren,

wir brauchen einen kommunalpolitischen  Aufbruch. Bisher kreist über unseren verschuldeten Kommunen aber die Abrissbirne. Die weitere finanzielle Austrocknung droht und demokratische Mitwirkungs- und Beteiligungsrechte werden beschnitten.

So kann man kommunale Selbstverwaltung auch zerstören. 

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