Rede Meta Janssen-Kucz: Antrag (SPD/GRÜNE) zum Radikalenerlass

- Es gilt das gesprochene Wort - 

Endlich, zweieinhalb Jahre nach Einbringung in den Landtag, beschließen wir heute den Antrag in geänderter Fassung. Wir bitten die Landesregierung eine/n Beauftragte/n zur Aufarbeitung der Schicksale, der durch den Radikalenerlass von Berufsverboten Betroffenen, einzusetzen.

Ich  bedauere, dass die Fraktionen von CDU und FDP diesen Antrag ebenso wie schon unseren im Jahr 2012 eingebrachten Antrag zur Einsetzung einer Kommission zum gleichen Thema ablehnen und offenbar an einer Aufarbeitung nicht interessiert sind.

Niedersachsen wird nun also - auch gegen die Überzeugung von CDU und FDP - bald eine/n Beauftragte/n zur Aufarbeitung dieses unrühmlichen Kapitels einsetzen. Niedersachsen ist damit das erste Bundesland, das sich offensiv mit diesem Kapitel auseinandersetzt und daraus für die Zukunft lernen will.

Es ist höchste Zeit, denn allein in Niedersachsen waren 130 Personen betroffen, die seit Jahrzehnten auf eine gesellschaftliche und politische Rehabilitierung warten. Bundesweit kam es sogar zu 11.000 offiziellen Berufsverboten, 2.200 Disziplinarverfahren, 1.250 Ablehnungen von Bewerbungen und 265 Entlassungen.

Formell richtete sich der Erlass gegen "Links- und Rechtspopulisten". In der Praxis traf es vor allem politisch Aktive des linken Spektrums: Mitglieder von kommunistischen, sozialistischen und anderer linker Gruppen, bis hin zu Friedensinitiativen.

Den Betroffenen wurden vor allem, fast ausnahmslos, legale politische Aktivitäten, wie das kandidieren auf Wahllisten, die Teilnahme an Demonstrationen und auch das Mitunterzeichnen von politischen Erklärungen, vorgeworfen.

Das damalige staatliche Agieren macht deutlich: Der Radikalenerlass war ein Angriff auf Grundrechte wie das Diskriminierungsverbot, die Meinungs- und die Berufsfreiheit.

Das sieht nicht nur Rot-Grün in Niedersachsen so, auch der Europäische Gerichtshof hat geurteilt, die Praxis der Berufsverbote sei völker- und menschenrechtswidrig.

Die Jagd auf vermeintliche "Radikale" vergiftete das politische Klima und Menschen wurden eingeschüchtert. Eine funktionierende Demokratie braucht Menschen mit Zivilcourage. Menschen, die sich politisch engagieren. Wir brauchen Menschen, die gegen Rassismus und  Menschenfeindlichkeit ihre Stimme erheben und Position beziehen. 

Politisch motivierte - pauschale - Berufsverbote, Bespitzelungen und Verdächtigungen dürfen nie wieder Instrumente unseres demokratischen Rechtsstaates sein.

Mir liegt persönlich sehr am Herzen, dass politische sowie gesellschaftliche Rehabilitierung nach 45 Jahren endlich stattfindet. Wir entschuldigen uns hier und heute öffentlich für das Geschehene und bedauern es zutiefst und zollen den Betroffenen unseren Respekt und Anerkennung.   

Anerkennung dafür, dass sie bis heute mit großem Engagement für demokratische Prinzipien streiten und dafür, dass dieses unrühmliche Kapitel deutscher Geschichte sich nicht wiederholt. Wichtig ist Rot-Grün dabei auch eine wissenschaftliche Begleitung, die öffentliche Darstellung der Ergebnisse und deren weitere Verwendung in der politischen Bildung in Niedersachsen.

Ich danke allen, die angekündigt haben, aktiv daran mitzuarbeiten und diesen Aspekt der Geschichte in das öffentliche Bewusstsein zu rücken. Ich bin gespannt auf die Ergebnisse.

Vielen Dank!

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