Rede Maaret Westphely: Niedersächsisches Tariftreue- und Vergabegesetz
- Es gilt das gesprochene Wort -
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren,
ich muss ganz ehrlich sagen:
Die Aufregung, die von einigen über den jetzt zu beschließenden Gesetzentwurf vorgetragen wird, kann ich nicht verstehen.
Die CDU versucht ja schon länger dieses Gesetz in den Kommunen zu diskreditieren: Zum Beispiel in Hannover mit einer Anfrage aus dem Juni dieses Jahres zur Absenkung des Auftragswertes auf 10 000 Euro. Allerdings stimmt mich das Ergebnis zuversichtlich in unserem Sinne: Von den 88 000 Aufträgen, die die Stadt Hannover in den letzten drei Jahren vergeben hat, lag der Anteil der Aufträge zwischen 10 000 und 30 000 Euro mit ca. 1000 Stück bei 1,14 %! Die Stadt folgert daher zu Recht: die Absenkung auf 10 000 Euro wird keinen wesentlichen Mehraufwand auslösen!
Unser wichtigstes Ziel mit diesem Gesetz ist, Lohndumping im öffentlichen Auftrag zu verhindern! Wir haben uns dafür entschieden, nur den Lohn und nicht weitere tarifvertragliche Regelungen einzufordern. Das ist eine praktikable Lösung. Wir haben uns intensiv mit der Einführung des vergabespezifischen Mindestlohns insbesondere im Hinblick auf die EU-rechtliche Zulässigkeit beschäftigt. Mit einem Mindestlohn über das Landesvergabegesetz schöpfen wir unseren Spielraum aus. Ein vergabespezifischer Mindestlohn kann aber immer nur eine Behelfslösung sein, denn eigentlich sollte er allgemein verbindlich sein, damit kein Mensch – und nicht nur öffentliche Auftragnehmerinnen und Auftragnehmer – für unter 8,50€ arbeiten muss.
Deshalb würden wir es sehr begrüßen, wenn nun den Ankündigungen auf Bundesebene Taten folgen und der gesetzliche Mindestlohn kommt.
Ein weiterer Punkt ist die Berücksichtigung der Umweltverträglichkeit und sozialer Kriterien, das wir zunächst in das Ermessen der Kommunen stellen. Auch das ist ein Zugehen auf die Bedenken, die bei der Anhörung geäußert wurden. Unser Ziel bleibt allerdings nach wie vor, dass wir mit dem Landesvergabegesetz einen Rahmen setzen wollen, in dem die öffentliche Hand ihrer Verantwortung für eine umweltverträgliche und sozial ausgerichtete Beschaffung nachkommt. Deshalb werden wir uns intensiv mit der Frage auseinandersetzen, inwieweit es durch die Berücksichtigung dieser Kriterien überhaupt zu Kostensteigerungen kommt und welche wesentlichen Punkte dieser Kriterien verbindlicher gefasst werden sollten.
Ein Punkt, der sich quasi als Scheidepunkt zwischen Regierungsfraktionen und Opposition aus CDU und FDP herausgestellt hat, ist die Forderung nach der Einhaltung international anerkannter Mindeststandards der Internationalen Arbeitsorganisation, die den Charakter universeller Menschenrechte wie Schutz vor Ausbeutung oder Kinderarbeit haben. Diese lehnen Sie kategorisch ab und das mit einem Zynismus, der mich echt erschüttert!
So hat Frau Ross-Luttmann im Rechtsausschuss ausgeführt, durch die Einhaltung der ILO-Mindestanforderungen werde mittelstandsfeindliche Symbolpolitik betrieben. Ihnen möchte ich gerne antworten mit einem Beschluss des Diözesankomitees des Bistums Münster, wo die Politik aufgefordert wird, langfristig konkrete und verbindliche Kriterien im Vergaberecht zu verankern, die ökologischen und sozialen Mindeststandards entsprechen, wie z.B. den ILO-Kernarbeitsnormen, deren Einhaltung Bestandteil jeder Beschaffung werden sollte.
Damit waren wir bei der Einbringung angetreten, aber wegen der verschiedenen Relevanz für bestimmte Produktgruppen, sind wir in der Sache einer Anregung, die unter anderem von der Industrie- und Handelskammer geäußert wurde, gefolgt. Nämlich Produkt- und Verfahrensspezifische Zertifikate auftragsbezogen anzuwenden. Denn so können wir verhindern, dass mit niedersächsischen Steuermitteln Menschenrechte in anderen Teilen der Welt mit den Füßen getreten werden, dass der Aufwand für die Kommunen im Rahmen bleibt, und die Wirtschaft eine klare Handreichung bekommt. Dies wird über eine Rechtsverordnung geschehen.
Abschließend möchte ich festhalten, dass insbesondere die VertreterInnen der kleinen Unternehmen und des Handwerks – unserer regionalen Wirtschaftsstruktur – die Absenkung des Geltungsbereiches auf 10 000 Euro und die wesentlichen Eckpunkte des Gesetzes begrüßt haben. Dieses Gesetz wird der regionalen Wirtschaft dienen, wird Wettbewerbsverzerrungen entgegenwirken und setzt die richtigen Schwerpunkte für eine verantwortungsvolle Auftragsvergabe in öffentlicher Hand.
Ich möchte mich an dieser Stelle für meine Fraktion bei allen Beteiligten – dem Wirtschaftsministerium, dem Gesetzgebungs- und Beratungsdienst und den Verbänden für den intensiven und ergebnisorientierten und zügigen Dialog danken – einiges findet sich im Ergebnis wieder.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.