Rede Julia Hamburg: Gesetzentwurf (SPD/Grüne) zur Absenkung des Wahlalters für die Landtagswahl

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

frühes Wählen mit 16 stärkt die Demokratie. Das ist das Ergebnis einer Studie, die Ende letzten Jahres veröffentlicht wurde. Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Studie kam nicht etwa von der Heinrich-Böll-Stiftung oder von der Friedrich-Ebert-Stiftung – nein, es war die Bertelsmannstiftung, die diese Studie veröffentlicht  hat, um diese wichtige gesellschaftspolitische Debatte anzustoßen. Und die Bertelsmannstiftung, meine Damen und Herren, ist nun wirklich unverdächtig, rot-grüne Reformprojekte zu pushen.

Warum aber sah sich die Bertelsmann-Stiftung dazu berufen, diese Debatte anzustoßen – sie legt in ihrer Studie dar, dass der stetig sinkenden Wahlbeteiligung entgegengewirkt werden kann, wenn  junge Menschen durch Wahlteilnahme stärker mit unserer Demokratie verbunden werden. Die Stiftung geht sogar davon aus, dass die Wahlbeteiligung in der Perspektive durch diese Entscheidung wieder auf bis zu 80% ansteigen kann. Eines der zentralen Gegenargumente der CDU-Fraktionen in den Landtagen – das es keine Anzeichen von  Lern- und Bindeeffekt durch Wahlen geben würde – ist damit widerlegt worden. Und der Effekt ist auch ganz naheliegend:

Die Begleitung der ersten Wahl durch die Schule und das familiäre Umfeld führt zu einer intensiven Auseinandersetzung mit den Positionen der einzelnen Parteien und den Auswirkungen der eigenen Stimmenabgabe auf das eigene Leben. Es macht jungen Menschen deutlich, dass die regelmäßig stattfindenden Wahlen auch eine Menge mit ihnen selbst zu tun haben – ganz praktisch, und nicht nur als Unterrichtsstoff, für den es Noten gibt.

Und gerade die Landespolitik hat für junge Menschen eine immense Bedeutung auf ganz konkrete Lebenswirklichkeiten von jungen Menschen. Die Schulpolitik ist ein politisches Feld, dass dem Lebensalltag von jungen Menschen massiv beeinträchtigt. Junge Menschen sind hier Expertinnen und Experten in eigener Sache und es ist absurd, dass Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, jungen Menschen die Entscheidungskompetenz über diesen Themenbereich nicht geben wollen. Ganztagsschulen – ja oder nein? Schulstress – ist es alles zu viel? Reicht die Berufsorientierung an Schulen? Brauchen wir flexiblere Bildungswege und ein Lernen im eigenen Tempo? All diese Frage diskutieren wir rauf und runter – aber unterm Strich über die Köpfe der Betroffenen hinweg. Denn stellen wir uns mit unseren Positionen – Stellen Sie sich mit Ihren Positionen, wie etwa dem Turbo-Abitur, über die Köpfe der Betroffenen dieser Reformen? – Nein, sie wollen die Wahlen für Jugendliche nicht zulassen, sich jungen Menschen bei der Auseinandersetzung über die Zusammensetzung des Parlamentes nicht stellen.

Und dabei ist das Bürgerrecht der Wahl eines der zentralen Rechte in unserem Grundgesetz und unserer Verfassung. Und anders als Sie es mit Ihrer Partei propagieren, Herr Nacke, geht mit der Ausübung von dem Wahlrecht in unserem Land keine Ausübung von Pflichten einher. Und wenn Sie eine solche Debatte ernsthaft konsequent führen würden, dann kommen Sie schnell in ganz kurzes Gras. Die Debatte der Einschränkung dieses hohen Rechts ist eine sehr brisante und gefährliche und man braucht gute Gründe dafür, ein so gewichtiges und fundamentales Recht für unsere Bundesbürger einzuschränken. Es braucht gute Gründe Menschen von diesem Recht der Entscheidung, wer ihre ureigenen Interessen vertritt auszuschließen! Das müssen  wir ernsthaft diskutieren.. Und ein Blick in die Geschichte zeigt, dass ein einfaches „Es war schon immer so“ in der Debatte kein ausreichender Grund sein kann.

Mit welchem Recht, frage ich Sie, wollen Sie 16- und 17jährige Menschen von der Ausübung dieses Rechts ausschließen?

Viele junge Menschen beginnen in diesem Alter eine Ausbildung, sie ziehen aus, sie übernehmen Verantwortung. Es sind auch gerade diese jungen Menschen, die sich in unserer Gesellschaft massiv engagieren. Der Einsatz für geflüchtete Menschen an Schulen und Jugendverbänden sucht wirklich seinesgleichen! Wenn Sie sich unter den Jugendlichen einmal umhören, dann werden sie feststellen, dass die politische Bildung bei jungen Menschen deutlich höher ist, als bei vielen älteren Menschen. Also zieht auch ihr Argument der mangelnden Sachkenntnis junger Menschen nicht.

Und betrachtet man das Argument der Unmündigkeit, so ist auch dieses sehr haltlos: Die Jugendstudien der letzten Jahre machen deutlich, dass junge Menschen immer selbständiger werden und wir ihnen immer mehr erlauben und auch zumuten. Die Selbständigkeit bei der eigenen Freizeitgestaltung und der eigenständige Medien- und Smartphonegebrauch legen eine Teilhabe junger Menschen an unserem gesellschaftlichen Leben nahe, der keinen Ausschluss von dem Recht zu wählen mehr rechtfertigen. Jugendliche sind bereits mit 14 eingeschränkt straffähig, sie sind mit 14 familienrechtlich Verfahrensfähig und auch religionsmündig, mit 15 sozialrechtlich handlungsfähig. Und Herr Nacke, es war Ihre Partei, die sich um die Frage der Volljährigkeit in der letzten Legislaturperiode gar nicht geschert hat, als sie das Turbo-Abitur eingeführt hat. Da hatten wir dann plötzlich einen Haufen 17jähriger mit ihren Eltern in den Universitäten sitzen, da die 17jährigen noch nicht die Erlaubnis hatten, sich eigenständig einzuschreiben oder eine Wohnung zu mieten. Dann ist ihr Ruf nach der Einhaltung des Alters der Volljährigkeit nicht sehr glaubwürdig. Mal ganz abgesehen von der Frage, dass es in der Geschichte auch schon Zeiten gab, als das Aktive und Passive Wahlrecht sehr wohl auseinandergefallen sind. Nicht umsonst steht in Artikel 38 Grundgesetz, dass das aktive Wahlrecht mit 18 Jahren, das passive Wahlrecht hingegen mit der Volljährigkeit einhergehen soll. Und Herr Nacke, es ist Ihre Partei und ihre Bundestagsfraktion, die im Jahr 2008 die Ausweitung des Jugendstrafrechts sogar auf unter 14 Jahre gefordert hat und es sind Sie ganz persönlich, der meint, dass der Verfassungsschutz unbedingt auch junge Menschen unter dem 16. Lebensjahr beobachten solle. Hier interessiert sie die Volljährigkeit kein bisschen!

Mit welchem Recht also, frage ich Sie, mit welchem Recht wollen sie Menschen im Alter von 16 und 17 Jahren von der Ausübung dieses wichtigen Bürgerrechtes ausschließen? Mit welchem Recht schränken Sie es für diese Personengruppe ein? Sie, Herr Nacke, brauchen für Ihre Verweigerungshaltung gute Argumente und nicht wir, die dieses elementare Recht ausweiten wollen, auf junge Menschen, die viel für unsere Gesellschaft leisten, fundierte Meinungen zu dem politischen Geschehen haben.

Und wir bedienen mit diesem Antrag auf Änderung der Verfassung keinen Populismus, Herr Thümler, Nein: Wir wollen junge Menschen mitentscheiden lassen und fordern Sie dazu auf, diese jungen Menschen bei der Ausübung dieser Rechtes nicht länger auszuschließen. Und ich prognostiziere Ihnen, dass die gesellschaftliche Debatte um diese Gesetzesänderung jetzt erst beginnen wird! Sie sollten sich den gesellschaftlichen Veränderungen gegenüber öffnen und die Beteiligung junger Menschen hier nicht verhindern. 

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