Rede Ina Korter: : Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung der beruflichen Grundbildung und zur Änderung anderer schulrechtlicher Bestimmungen

Anrede,

wir haben bereits heute Vormittag über den Gesetzentwurf von CDU und FDP gestritten, der unmissverständlich deutlich macht, dass es den Regierungsfraktionen um ihren politischen Willen geht und nicht darum, was Tausende von Eltern in Niedersachsen für ihre Kinder wollen.

Ihr Gesetzentwurf ist dazu da, Gesamtschulen auf dem Papier zulassen, in der Realität jedoch – vor allem auf dem Lande - möglichst zu verhindern.

Das ist aus der Begründung unschwer zu erkennen.

Ich fasse kurz zusammen, was ich in der Aktuellen Stunde bereits näher ausgeführt habe:

Gesamtschulen sollen vereinzelt das gegliederte Schulsystem ergänzen, nicht ersetzen, heißt es bei Ihnen.

Und sie dürfen es nicht gefährden.

Die Mindestzügigkeit wird von 4 auf 5 heraufgesetzt – bei IGS gleich auf 5 und bei KGS durch die Vorschrift von zwei Gymnasialzügen -  das soll die Neugründung vor allem auf dem Lande erschweren.

Alle Schulen des gegliederten Systems müssen erreichbar sein, also immer auch eine Hauptschule.

Das zu garantieren wird schon jetzt von Jahr zu Jahr schwieriger.

Sie wollen die Gesamtschulen zur Ausschöpfung der maximalen Zügigkeit zwingen, damit sie als Mammutschulen unattraktiv werden.

Also: Ein Gesetz mit List und Tücke, damit ja keine Kommune auf die Idee kommt, eine Gesamtschule einzurichten.

Ich kann nur sagen, dieser Gesetzentwurf ist eine Frechheit gegenüber den Eltern, die dringend auf einen Gesamtschulplatz für ihre Kinder warten.

Während in unseren Nachbar-Bundesländern Bremen, Schleswig-Holstein und Hamburg längst – auch mit CDU-Beteiligung – neue gemeinsame Schulformen aufgebaut werden, versucht sich die Regierung Wulff weiter schulpolitisch mit unvergleichlichem Starrsinn durchzuwurschteln.

Was Sie in der Schulpolitik anrichten, ist nicht mehr nur ignorant, es ist skandalös.

Sie haben das Abi nach Klasse 12 eingeführt ohne die geringste Ahnung, was Sie den Schülerinnen und Schülern an Belastung antun, welche Auswirkungen es auf die Nachhaltigkeit des Lernens hat.

Lustloses Pauken von Test zu Test statt Freude am forschenden und entdeckenden Lernen!

Aber Sie haben außer einem ergebnislosen Runden Tisch keinen einzigen Lösungsvorschlag für die von Ihnen verursachten Probleme, den müssen wir Ihnen machen. Und dann nörgeln Sie nur daran herum.

Über das Chaos mit der Unterrichtsversorgung und den ganz plötzlich auftauchenden Arbeitszeitkonten, von denen Sie nichts gewusst haben wollen, haben wir bereits heute gesprochen.

Beim Absenken des Einschulungsalters fällt Ihnen nichts Anderes ein, als ein Vorziehen des Stichtags für die Schulpflicht für alle.

Als ob alle Kinder gleich weit sind zu einem Stichtag. Viel sinnvoller wäre es, flächendeckend variable Lösungen wie im Modell der flexiblen Eingangsstufe einzuführen, damit Kinder nach ihrer individuellen Reife eingeschult und gefördert werden.

Und bei Ihren Vorschlägen zur Neuordnung der Beruflichen Bildung nach Wegfall des anrechnungspflichtigen BGJ ab 2009 zeigt sich das ganze Ausmaß Ihrer verkorksten und völlig konzeptionslosen Schulpolitik.

Erst nehmen Sie den HauptschülerInnen in Klasse 8 und 9 Unterricht weg, weil sie an 60 Tagen Praxistage absolvieren müssen, die angeblich zu Klebeeffekten in den Praktikumsbetrieben führen. Zweiwöchige Betriebspraktika zum Beispiel sind sinnvoll, keine Frage.

Aber diese vielen Praxistage finden zu einem großen Teil in Schülerfirmen oder Berufsbildenden Schulen statt, nicht in echten Betrieben und sie gehen natürlich auf Kosten des Unterrichts.

Dann stellen Sie am Ende der Hauptschulzeit Defizite bei zahlreichen Schulabgängern fest.

Und was machen Sie nun?

Sie schicken die Schüler ohne Abschluss und die mit schwachen Abschlüssen in die Berufseinstiegsklasse, damit sie dort Mathe, Deutsch und Englisch nachholen.

Sehr überzeugend ist das nicht, oder?

Es kommt noch schlimmer in Ihrem Gesetzentwurf:

Wenn nun eine Schülerin oder ein Schüler, der nach Klasse 9 oder 10 die Hauptschule verlassen hat, nicht gut genug mitkommt in der Berufseinstiegsklasse, kann er einfach abgeschult werden in das Berufsvorbereitungsjahr für Jugendliche mit besonderem Förderbedarf, das kann die Schule entscheiden, ohne Einverständnis des Schülers oder der Eltern. Durchlässigkeit nach unten aus jeder Schulform ohne Einspruchsrechte, das ist der Tenor Ihres Gesetzentwurfs.

Und wer ein Jahr lang eine Vollzeitschule wie die Berufseinstiegsklasse besucht aber den Hauptschulabschluss nicht erreicht hat, der ist raus bei Ihnen, für den gibt es kein weiteres Angebot, weil alle Berufsfachschulen den Hauptschulabschluss voraussetzen.

Das heißt, nach nur einem Jahr Vollzeitschule an einer Berufsvorbereitenden Schulform ist er ein Fall für die Arbeitsagentur, weil auch seine Schulpflicht für beendet erklärt wird.

Ein schlichter Verschiebebahnhof auf Kosten der lernschwächeren Jugendlichen, damit sie nicht lange den Landeshaushalt in Berufsbildenden Schulen belasten sondern möglichst schnell im Leistungsbezug der Agentur landen?

So versteht die Landesregierung ihren Bildungsauftrag?

Anrede,

über weitere Details des Gesetzentwurfs werden wir im Ausschuss beraten.

Wir werden unsere Kritik und unsere Alternativen in gewohnter Sorgfalt in die Gesetzesberatungen einbringen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

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