Rede Ina Korter: “Eigenverantwortliche Schule: Erlasse aufheben – Gestaltungsfreiräume der Schulen erweitern“

Anrede,

im Juli hat der Landtag den eigenverantwortlichen Schulen eine neue Verfassung gegeben.

Eltern und SchülerInnen bekommen im Schulvorstand mehr Mitspracherechte bei der Entwicklung ihrer Schule. Das ist gut so!

Aber damit haben die Schulen noch nicht die benötigten Freiräume für ihre pädagogische Weiterentwicklung bekommen.

Ihre Arbeit wird noch immer durch eine Vielzahl von Erlassen und Verordnungen reglementiert.

Bis heute wissen die Schulen nicht, auf welche Gestaltungsfreiräume sie sich einstellen können.

Anrede,

Jetzt legen wir einen Antrag vor, mit dem wir ganz konkret Freiräume für die Weiterentwicklung der Schulen schaffen wollen.

Wir wollen damit endlich den Weg freimachen für eine Reform der Schule von innen und von unten

Dabei geht es  besonders um folgende Bereiche:

Eine eigenständige Rhythmisierung des Schultages und der Schulwoche,

mehr fächerübergreifenden Unterricht, inhaltliche Modernisierung auf der Basis von Kerncurricula anstelle von Rahmenrichtlinien in allen Fächern,

flexiblere Lerngruppen,

neue Formen der Leistungsbewertung

und Verzicht auf das Sitzenbleiben zu Gunsten von Förderkonzepten.

Schulen sollen den Tagesablauf neu strukturieren können, um dem Lernrhythmus der Kinder besser gerecht zu werden und um Projektunterricht besser organisieren zu können.

Schulen sollen den Unterricht fächerübergreifend organisieren und inhaltlich modernisieren können.

Anrede,

Noch immer ist Schule in gleichförmige, altershomogene Klassenverbände gegliedert, in denen Alle zur gleichen Zeit das Gleiche lernen sollen.

Meine Damen und Herren von der CDU, sie sie benutzen so gerne den abschätzigen Begriff der "Einheitsschule".

Wenn dieser Begriff  irgendwo passt, dann für die herkömmlichen Schulklassen mit ihrem "Lernen im Gleichschritt"

Wir wollen den Unterricht stärker individualisieren.

Dafür müssen die Schulen, die Gruppen flexibler bilden können.

Sicherlich wird es auch künftig Klassenverbände geben.

Daneben werden Schülerinnen und Schüler aber auch in Kleingruppen oder einzeln gefördert, sie werden in Arbeitsgruppen selbstständig lernen. Sie lernen in jahrgangsübergreifenden Gruppen und zeitweise auch in reinen Jungen- und  Mädchengruppen.

Dafür soll es keine Vorgaben mehr geben zur Größe der Klassen.

Es soll nur noch festgelegt werden, wie viele Stellen den Schulen jeweils insgesamt zustehen,

abhängig von der Schülerzahl und vom besonderen Förderbedarf.

Anrede,

Die altbekannten Klassenarbeiten sind eine Form der Leistungsüberprüfung, die zum herkömmlichen Unterricht "im Gleichschritt" passt.

Ein individualisierter Unterricht braucht neue Formen der Leistungsüberprüfung: Lernjournale, selbstständige Einzel- und Gruppenarbeiten und Portfolios.

Lediglich die Abschlusszeugnisse müssen im Interesse der Vergleichbarkeit einheitlich sein.

Anrede,

Wir wollen den Schulen die Freiheit geben, auf das pädagogische Holzhammerinstrument "Sitzenbleiben" zu verzichten und durch geeignete Förderkonzepte den Lernerfolg aller Schüler zu sichern, so wie es in den skandinavischen Ländern längst selbstverständlich ist.

Anrede,

wir wollen diese neuen pädagogischen Konzepte den Schulen nicht vorschreiben, aber wir wollen es den Schulen endlich ermöglichen, neue pädagogische Wege zu gehen, ohne sich in jedem Einzelfall eine Sondergenehmigung geben lassen zu müssen.

Herr Minister,

sicher erzählen Sie uns gleich wieder, Sie machen doch schon alles.

Sie haben zwar im April eine Liste von Erlassen vorgelegt, die aufgehoben oder ganz oder teilweise zur Disposition der Schulen gestellt werden können.

Aber bislang ist es bei einer Ankündigung geblieben.

Noch steht im Erlass Unterrichtsorganisation: "Die Dauer einer Unterrichtsstunde beträgt (”¦) grundsätzlich 45 Minuten."

Noch ist im Unterrichtsversorgungserlass vorgeschrieben, in welcher Größe die Klassen zu bilden sind.

Noch müssen die Schulen in den meisten Fächern die überfrachteten Stoffkataloge der Rahmenrichtlinien abarbeiten.

Noch ist in den Grundsatzerlassen festgelegt, welches Fach in welchem Schuljahr mit wie vielen Stunden in jeder Woche erteilt werden muss und wie viele Klassenarbeiten in jedem Fach pro Schuljahr zu schreiben sind.

Und so weiter, und so weiter.

Anrede,

künftig wird den Schulen mit den Bildungsstandards vorgegeben, welche Ziele sie erreichen müssen. Aber wir trauen ihnen zu, selbst zu entscheiden, mit welchen Konzepten sie diese Ziele am besten erreichen können.

Dafür wollen wir ihnen die nötigen Freiräume verschaffen.

Damit die Schulen diese Freiräume auch ausschöpfen können, wollen wir ihnen auch mehr organisatorische Gestaltungsräume geben.

Schulen müssen vor allem über ihre Ressourcen eigenverantwortlich verfügen können, wenn sie die Verantwortung für die Qualität übernehmen sollen.

Wir wollen ihnen deshalb die Möglichkeit geben, im Rahmen des ihnen zustehenden Personalbudgets einen eigenen Stellenplan aufzustellen.

Sie sollen selbst bestimmen können, welches Profil und z.B. welche Zusatzausbildung die Lehrkräfte haben müssen und sie sollen auch bestimmen können, dass für einzelne Stellen z.B. eine SozialpädagogIn oder eine andere Fachkraft eingestellt wird.

Anrede,

Auch der Einsatz der einzelnen Lehrkräfte soll flexibler werden.

In der Arbeitszeitverordnung der Lehrkräfte ist vorgeschrieben, wie viele Unterrichtsstunden pro Woche die einzelnen Lehrkräfte an den verschiedenen Schulformen erteilen sollen.

Diese Regelung passt nicht mehr für eine Schule, die mehr ist als Unterricht.

Wir wollen deshalb nur noch festlegen, wie viele Stunden die Gesamtjahresarbeitszeit der Lehrkräfte beträgt.

Wie die Arbeitszeit der einzelnen Lehrkräfte eingesetzt wird , für Unterricht mit Vor- und Nachbereitung, für Einzelförderung, Beratung von SchülerInnen und Eltern, Aufgaben der Schulentwickung etc., das soll in den Schulen selbst bestimmt werden.

Rahmenvereinbarungen für dieses neue Arbeitszeitmodell müssen selbstverständlich mit den Lehrerverbänden ausgehandelt werden.

Meine Damen und Herren,

unsere Schulen brauchen nicht nur Freiräume, um neue Konzepte zu entwickeln. Sie brauchen dafür auch Unterstützung.

Der nächste notwendige Schritt wird es deshalb sein, ein qualifiziertes Beratungs- und Unterstützungsangebot aufzubauen.

Herr Busemann, Sie möchten ja immer so gern der Erste und der Schnellste sein.

Wir werden Sie daran messen, ob Sie den Mut haben, jetzt den Schulen die nötige Freiheit für ihre eigenverantwortliche Weiterentwicklung zu geben und sie dabei zu unterstützen.

Aber zum Nulltarif wird das nicht zu haben sein!

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