Rede Ina Korter: Den Elternwillen respektieren ? Gesamtschulen bedarfsgerecht ausbauen

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Jedes Jahr um diese Zeit, wenn die Anmeldungen zu den weiterführenden Schulen vorgenommen werden, zeigt sich das gleiche Bild:
Es gibt zu wenig Gesamtschulen.

In Niedersachsen wird dies besonders deutlich, seit die schwarz-gelbe Landesregierung mit ihrem neuen Schulgesetz beschlossen hat, dass die Entscheidung über die Zukunft der Kinder im streng gegliederten System jetzt schon nach Klasse 4 gefällt werden muss.
Gerade vor diesem Hintergrund ist es mehr als verständlich, wenn Eltern für ihre Kinder ganz dringend eine Gesamtschule wollen,
weil sie sich wünschen, dass die Bildungschancen für ihre Kinder lange offen bleiben.
Denn wir wissen doch genau, dass sich Kinder unterschiedlich schnell entwickeln und ihre Begabungen und Interessen nicht durchgehend bis zur 4. Klasse entfaltet und sichtbar gemacht haben.
Wer ein demokratisches Verständnis von gerechten Bildungschancen für alle Kinder zur Grundlage seiner politischen Entscheidungen macht, kann gar nicht anders, als da, wo ein ausreichendes Bedürfnis vorhanden ist, die Gründung neuer Gesamtschulen zuzulassen.
Und das Bedürfnis ist vorhanden!
Zum Schuljahr 2003/2004 mussten an den niedersächsischen Kooperativen Gesamtschulen 462 Schülerinnen und Schüler abgewiesen werden, an den Integrierten Gesamtschulen waren es 1970 Schülerinnen und Schüler.
Zum neuen Schuljahr sieht es nicht viel anders aus:
An den Integrierten Gesamtschulen in Niedersachsen mussten wieder
1 820 Schülerinnen und Schüler mangels Platz abgelehnt werden.

Das entspricht ungefähr 60 Klassen und 10 – 15 neu einzurichtenden Gesamtschulen!
Wie Sie mit dem freien Elternwillen umgehen, Herr Minister Busemann, wird angesichts dieses nachweislichen Bedarfs immer deutlicher!
Zuerst wollen sie die Gesamtschulen im neuen Schulgesetz ganz verbieten, dann wollen sie den Ausbau verhindern. Als Sie auch das nicht durchziehen können, versuchen Sie mit der massiven Kürzung der Stundenzuweisungen die Gesamtschulen zu treffen.
Und nun - schon das zweite Mal - zeigen Sie angesichts dieser Anmeldezahlen für Gesamtschulen,
dass Ihnen der Elternwille bei Gesamtschuleltern ohnehin egal ist.
Man darf gespannt sein, wie lange Eltern unter Ihrer Regierung überhaupt noch selbst über die Zukunft ihrer Kinder entscheiden dürfen,
denn Sie denken ja bereits laut über Aufnahmeprüfungen und Zensurenschnitte für Realschule und Gymnasium nach, weil die Eltern sich einfach nicht auf Ihre geplante frühe Verteilung auf Haupt-, Realschule und Gymnasium einlassen wollen.
Natürlich wollen sie das nicht, denn die frühe Aufteilung auf das gegliederte Schulsystem bedeutet frühe Verteilung von Lebenschancen!
Anrede,
in der vergangenen Woche habe ich gemeinsam mit dem Kollegen Albrecht von der CDU, Herrn Dürr von der FDP und Frau Seeler von der SPD an einer Podiumsdiskussion in der IGS Roderbruch in Hannover teilgenommen.
Ganz genau wollten die Schülerinnen und Schüler von den Vertretern der Regierungsparteien wissen, warum denn keine neuen Gesamtschulen mehr zugelassen werden in Niedersachsen.
Weder der CDU – Kollege noch der FDP – Kollege konnten dafür auch nur einen einzigen pädagogischen oder wissenschaftlichen Grund nennen.
Nein, sie persönlich konnten sich vorstellen, sagten sie dort, dass es in jedem Landkreis eine Gesamtschule geben müsse, damit Eltern und Kinder eine Wahl hätten, so wie es der im Podium ebenfalls vertretene Erziehungswissenschaftler Prof. Bönsch von der Uni Hannover als Minimalforderung aufgestellt hatte.
Denn es gibt ja in vielen unserer Landkreise noch gar keine Gesamtschulen.
Kein schlechter Vorschlag, für den Übergang zumindest, finde ich.
Und ich wäre froh, diese Einstellung würde sich auch bei den anderen Kolleginnen und Kollegen der Mehrheitsfraktionen durchsetzen.
Sie können sich nicht auf Dauer über den Willen einer großen Zahl von Eltern in Niedersachsen hinwegsetzen!
Deshalb hoffe ich, dass Sie unseren Antrag auf Zulassung der Errichtung neuer Gesamtschulen in Niedersachsen ernsthaft prüfen und ihm am Ende zustimmen werden.
Es sei denn, Sie stehen weiter dazu, aus rein ideologischen Gründen eine ganz bestimmte Schulform, die Gesamtschule, zu verbieten, egal, was Eltern in Niedersachsen für ihre Kinder wollen.

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