Rede Helge Limburg: Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Vollzuges der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung in Niedersachsen

Landtagssitzung am 20.06.2012

Helge Limburg, MdL

Herr Präsident, Meine Damen und Herren,

mit dem heute von den Fraktionen von CDU und FDP vorgelegten Gesetzentwurf setzt sich eine jahrelange politische und juristische Debatte über die Sicherungsverwahrung fort. Bereits im Oktober 2003 hatten dieselben Regierungsfraktionen hier ein Gesetz durch den Landtag gepeitscht, das damals die nachträgliche Sicherungsverwahrung regeln sollte. Mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Februar 2004 war dann aber klar, was ihnen SPD und GRÜNE schon während des gesamten Gesetzgebungsverfahrens immer wieder gesagt hatten, nämlich dass sie gar keine Gesetzgebungskompetenz für ihr damaliges Vorhaben hatten und es somit verfassungswidrig war. Nachdem in den letzten Jahren Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und schließlich des Bundesverfassungsgerichts die vielen gesetzgeberischen Fehlleistungen bei der Sicherungsverwahrung anprangerten und auch die praktische Ausgestaltung der Sicherungsverwahrung vom höchsten deutschen Gericht kritisiert wurde, wollen sie nun mit diesem Gesetz die landesrechtliche Ausgestaltung der Sicherungsverwahrung, obwohl die dem zu Grunde liegende Regelungen vom Bundesgesetzgeber noch gar nicht getroffen worden sind. Deshalb dazu zwei Bemerkungen: 1.) Die landesrechtliche Kompetenz zum Erlass dieser Reglungen steht diesmal nicht in Zweifel, 2.) ob der Bundesgesetzgeber seine neuen Leitlinien und den damit zusammenhängenden Gesetzentwurf für die Sicherungsverwahrten bis zur Landtagswahl beschlossen haben wird, das steht dahin. In der nächsten Woche erst findet dazu eine Anhörung im zuständigen Ausschuss des Deutschen Bundestages statt, vor der Sommerpause tut sich da also gar nichts. Es kann uns also blühen, dass Ihr Gesetzentwurf der Diskontinuität unterliegt.

Zum Inhalt ihres Entwurfes im Einzelnen: Ich muss sagen, der Entwurf der Regierungsfraktionen enthält sehr, sehr viele positive Regelungen und hebt sich auch von seiner Grundstruktur sehr positiv von den teilweise populistischen Aussagen des Justizministers Busemann in der öffentlichen Debatte ab. Sie setzen die Maßgabe der Therapieorientiertheit und der Wiedereingliederung der Sicherungsverwahrung um. Dass sie bei den Vollzugszielen die Sicherheit der Bevölkerung gleichrangig neben das Ziel der Minderung der Gefährlichkeit setzen, setzt ihre konservative sicherheitsorientierte Linie aus dem NJVollzG fort, die wir in dieser Form damals abgelehnt haben. Allerdings muss man sagen, dass dieser Zweck bei der Sicherungsverwahrung natürlich schon allein deshalb eine andere Legitimation hat, weil sich aus dem Schutz der Bevölkerung heraus die Sicherungsverwahrung überhaupt erst legitimiert.

Anrede

Sie legen in ihrem Entwurf detaillierte Vorschriften zur Eingangsuntersuchung sowie zur Aufstellung und Weiterführung des Vollzugsplans vor. Das ist m. E. sehr positiv, insbesondere weil es über die Regelungen des NJVollZG an der Stelle hinausgeht und auch die Einbindung von Personen und Stellen außerhalb der Anstalt stärker als bislang betont. Man sollte darüber nachdenken, hier auch das Vollzugsgesetz nachzubessern. Sie weiten die Möglichkeit zur Vorverlegung des Entlassungszeitpunktes aus, auch das erscheint gerade bei der Sicherungsverwahrung als angemessen. Grundsätzlich begrüßenswert ist auch, dass sie bei der Briefkontrolle erstmals die Möglichkeit erwähnen, Briefe zurückzuhalten, wenn dass dem Schutz der Opfer der Sicherungsverwahrten dient. Zu oft ist es vorgekommen, dass Sicherungsverwahrte per Brief ihre Opfer nachträglich noch beleidigten oder verhöhnten. Dem wird nun im Rahmen der Möglichkeiten ein Riegel vorgeschoben. Sie betonen in ihrem Gesetz die Freiheit der Religion und die Vielfalt religiöser Bekenntnisse, auch dass ist begrüßenswert und unserer heutigen Gesellschaft – auch der Gesellschaft hinter Gittern – gegenüber angemessen.

Das Zusenden von Paketen wird wieder zugelassen, Ausführungen und Ausgang sollen zum ganz normalen Repertoire vollzuglicher Maßnahmeschritte gehören. das ist in Ordnung und für uns eine Selbstverständlichkeit.

Nun aber zu den Kritikpunkten am bisherigen Entwurf: Sie schreiben, vermutlich zweifellos in bester Absicht, die Sicherungsverwahrten  sollten einer Briefzensur bei Beleidigungen oder gröblich verzerrender Darstellung unterliegen, das geht zu weit. Es muss den Sicherungsverwahrten auch erlaubt sein, sich mal richtig "auszulassen" in Briefen.

Sie dürfen zwar telefonieren, aber der Zugang zum  Internet und anderen neue Medien fehlt –dabei haben Sie doch selbst den Strafgefangenen solches in Wolfenbüttel ermöglicht.

Zum Schluss: Die von Ihnen in vorauseilendem Gehorsam zur Bundesebene – sie widersprechen doch sonst in allem was Frau Leutheusser-Schnarrenberger vorlegt - geplante Unterbringung der sogenannten Therapieuntergebrachten in Anstalten zum Vollzug der Sicherungsverwahrung unterzubringen findet nicht unsere Zustimmung. Auch hier ist ja die dafür notwendige Rechtsbasis, die Änderung des ThUG noch nicht vollzogen, wo kommen wir eigentlich hin, wenn hier in Zukunft laufend Gesetzentwürfe vorgelegt werden, die mit ungedeckten Schecks arbeiten?

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