Rede Heiner Scholing: Antrag (SPD/GRÜNE) zur Förderung von Mehrsprachigkeit

- Es gilt das gesprochene Wort - 

Anrede,

Nehmen wir hier bitte doch mal einen Perspektivwechsel vor. Betrachten wir Schule doch einmal aus dem Blickwinkel einer Familie aus Portugal, die hier schon seit mehreren Jahren, ja vielleicht Jahrzehnten lebt. In der Familie wird portugiesisch gesprochen. Das schulpflichtig werdende Kind besucht eine Kita. Es wächst im Prinzip zweisprachig auf. Prägend ist allerdings die Herkunftssprache.

Im Sprachfeststellungsverfahren im Vorfeld der Schule wird ein Bedarf im Erwerb der deutschen Sprache festgestellt. Es ist ein großer Fortschritt, dass wir im Vorfeld von Schule eine Feststellung über den Unterstützungsbedarf in Bezug auf den Erwerb der deutschen Sprache ermitteln.

Bei der Familie kommt aber noch etwas anderes an: hier ist ein Defizit festgestellt worden. Das positive Vermögen des Kindes – nämlich eine weitere Sprache zu beherrschen - gerät nicht oder zu wenig in den Blick. Und diese fehlende Wahrnehmung einer sehr bedeutsamen Fähigkeit hat Folgen:

Die Familie fühlt sich dann eben doch nicht zugehörig.

Ich habe mit mehreren Verbänden und auch mehreren betroffenen Eltern über diesen Antrag gesprochen. Ich habe regelmäßig eine positive – nein, eine sehr positive Rückmeldung bekommen. Hin und wieder wurde mir aber auch eine Frage gestellt:

Warum passiert bisher zu wenig in Hinblick auf die Förderung des herkunftssprachlichen Unterrichts? Warum führt der herkunftssprachliche Unterricht ein Randdasein? Warum ist er nicht zeugnisrelevant?

Warum werden keine Zertifikate vergeben?

Ich habe regelmäßig und mit Überzeugung geantwortet, dass wir keineswegs am Nullpunkt stehen, dass wir schon einiges auf den Weg gebracht haben.

2014 wurde ein Erlass veröffentlicht, der eine Grundlage für schulische Angebote legt. Herkunftssprachlicher Unterricht wird in Grundschulen erteilt. In der SEK I gibt es Projektschulen und AG-Angebote. Es gibt Möglichkeiten der Anerkennung der Herkunftssprache als 2. Fremdsprache. Und so weiter.

Aber ich bin mit dieser Antwort nicht immer durchgedrungen.

Es fehlt etwas:

Zu viele Eltern bzw. ihre Kinder haben keine Angebote.

Schwierig ist die Fortführung von Angeboten in der SEK I.

Zeugnisrelevanz ist nicht gegeben.

Angebote finden eher am Rand der Schule statt.

Es fehlen Lehrkräfte.

Auch an diesem Thema wird etwas deutlich: wir haben die Tatsache, dass wir ein Einwanderungsland sind, noch viel zu wenig in Gesetze und Erlasse und erst recht nicht in tägliches Handeln übersetzt haben. Und das hat Konsequenzen.

Menschen fühlen sich abgehängt und an den Rand gedrängt.

Wir sind uns absolut einig darin, dass der Erwerb der deutschen Sprache essentiell wichtig für Integration ist. Deshalb haben wir auch angesichts der hohen Flüchtlingszahlen so große Anstrengungen unternommen diesen Bereich innerhalb kürzester Zeit mit Ressourcen und passenden Maßnahmen weiterzuentwickeln.

Aber die Weiterentwicklung der Maßnahmen zur Stärkung des herkunftssprachlichen Unterrichts ist lediglich die andere Seite der Medaille.

Die Zielsetzung ist identisch:

  • Integration soll gelingen!
  • Niemand wird abgehängt!
  • Keiner geht verloren!

Das Kultusministerium hat bereits zahlreiche, konkrete Schritte zur Weiterentwicklung des herkunftssprachlichen Unterrichts unternommen. Es wurden Maßnahmen zur Ausbildung von zukünftigen Lehrkräften auf den Weg gebracht. Bereits im Dienst befindliche Lehrkräfte sind angesprochen worden, ob sie Interesse an der Erteilung von herkunftssprachlichem Unterricht haben.

Qualifizierungsmaßnahmen sind in Planung. Dafür möchte ich mich ausdrücklich bedanken.

Und schließlich bin ich mir sicher, dass die Weiterentwicklung unsere Schulen besser machen wird.

Zurück zum Pressearchiv