Rede Heiner Scholing: Antrag (SPD/GRÜNE) - Rahmenkonzept zur Weiterentwicklung der inklusiven Schule

- Es gilt das gesprochene Wort -

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren,

die Debatte um die Weiterentwicklung der Inklusion findet nicht im luftleeren Raum statt und schon lange nicht im Wolkenkuckucksheim. Das zeigt der Artikel in der heutigen Ausgabe der HAZ. Er weist auf Probleme bei der Umsetzung der Inklusion hin, die allen, die sich mit der Thematik beschäftigen, bekannt sind. Ich werde übrigens die Initiatoren in der kommenden Woche zusammen mit Herrn Politze treffen.

Ich möchte mit einer persönlichen Bemerkung beginnen: Ich setze mich mit dem Thema ‚gemeinsame Beschulung von Schülern*innen mit und ohne Beeinträchtigungen´ seit über 40 Jahren auseinander. Die Sonderpädagogik tut dies übrigens schon seit Beginn ihrer Etablierung als Wissenschaft.

Vor diesem Hintergrund freue ich mich, hier heute in den Niedersächsischen Landtag einen Antrag einzubringen, der nicht nur auf wichtige Entwicklungsbereiche hinweist, sondern auch Vorschläge für wichtige Maßnahmen macht.

Ich will hier auf die Meilensteine der bisherigen Entwicklung hinweisen:

  • Einrichtung von Integrationsklassen ab den frühen 70er Jahren
  • Konzept ‚Lernen unter einem Dach’ und hier insbesondere die Einführung der sonderpädagogischen Grundversorgung 1998
  • Ratifizierung der Behindertenrechtskonvention durch den Bundestag im Jahr 2009
  • Verabschiedung des Gesetzes zur Einführung der inklusiven Schule im Jahr 2012
  • Die Weiterentwicklung der inklusiven Schule in der Schulgesetznovelle 2015
  • Und nun der Antrag zur Weiterentwicklung der inklusiven Schule – und auch dieser Antrag stellt einen Meilenstein dar.

Bevor ich auf wichtige Bausteine zur Weiterentwicklung der Inklusion eingehe, sind einige Vorbemerkungen notwendig:

  1. Inklusion umfasst weit mehr als die gemeinsame Beschulung von Schülern mit und ohne Unterstützungsbedarf. Die inklusive Schule hat die Verschiedenheit aller Schüler*innen im Blick. Verschieden sein ist normal.
  2. Die Einführung stellt einen echten Paradigmenwechsel dar. Sie braucht Ressourcen aber sie braucht auch Leidenschaft, Engagement und Haltungen. Und sie braucht Zeit.
  3. Die Weiterentwicklung der inklusiven Schule ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
  4. Diese Umsetzung kann nur gelingen, wenn sie als ein für alle Beteiligten transparenter Prozess gestaltet wird, in den sich alle einbringen können und möglichst alle Akteure mitgenommen werden.

Diese Landesregierung hat der Weiterentwicklung der Inklusion einen hohen Stellenwert gegeben. Sie weiß um die Chancen, die dieser Entwicklungsprozess bedeutet.

  • Im Planungszeitraum 2016 bis 2018 werden 1,7 Milliarden Euro für die Weiterentwicklung der inklusiven Schule zur Verfügung gestellt.
  • Zusätzliche Mittel werden für Qualifizierungsmaßnahmen zur Verfügung gestellt.
  • Berufsbegleitende Qualifizierungsmaßnahmen wurden entwickelt.
  • Kapazitäten für die Ausbildung von Sonderpädagogen*innen wurden deutlich ausgeweitet.
  • Eckpunkte für die Einrichtung von Regionalen Beratungs- und Unterstützungszentren wurden entwickelt.
  • Diese Landesregierung hat den Streit mit den Kommunen zur Finanzierung der Inklusion beendet. Ab 2016 unterstützt das Land die Kommunen mit 30 Millionen Euro.
  • Die Landesregierung hat eine wissenschaftliche Begleitung auf den Weg gebracht.

Zum Schuljahr 2013/2014 hat die Einführung der inklusiven Schule begonnen, und wir verfügen mittlerweile über sehr unterschiedliche Erfahrungen.

Wir kennen Regionen, in denen der Entwicklungsprozess weit fortgeschritten ist. Wir kennen Schulen, die sich schon lange inklusiv aufstellen und sich kein anderes Arbeiten vorstellen können.

Wir kennen aber auch die Herausforderungen, die sich vor Ort stellen. Und diesen Herausforderungen stellen wir uns.

Der Entwicklungsprozess der inklusiven Schule wird immer wieder neue Impulse und Nachsteuerungen brauchen. Das ist bei einem so großen Vorhaben eine Selbstverständlichkeit.

Mit diesem Entschließungsantrag fordern wir die Landesregierung auf, eine Rahmenplanung zu erstellen. Diese Rahmenplanung soll Bausteine zum Personaleinsatz, zur Schulentwicklung und zum Unterricht, zu Ressourcen, für regionale Strukturen, für Fortbildung und Beratung und für rechtliche Vorgaben enthalten.

Wir nehmen die wichtigen Punkte in Angriff!

Einige Beispiele:

In den Grundschulen ein hat sich ein sehr erfolgreiches Modell entwickelt, das bundesweit Vorbildcharakter hat: die sonderpädagogische Grundversorgung. Jeder Grundschulklasse stehen 2 Förderschullehrerstunden zu. Hier werden also keine Ressourcen definiert, die sich an einzelnen Schülern orientieren sondern an Schulen. In der Sek 1 werden Ressourcen personenbezogen definiert. Dies hat Folgen. Etikettierungen werden notwendig, um Ressourcen zu bekommen. Die Anzahl der Gutachten hat enorm zugenommen, Verwaltungsaufgaben hindern Pädagogen an der Arbeit mit Kindern, zur Deckung des Bedarfs fehlen schließlich die Ressourcen. Folgerichtig gilt es, auch in der Sek 1 Perspektiven für eine systembezogene Ressourcenzuweisung entwickeln.

Ein weiteres Beispiel:

Die ´Förderschulen Lernen´ laufen aus. In einigen Regionen ist dieser Prozess bereits weit fortgeschritten. Die ´Förderschulen Lernen´ haben ihre Aufgabe, gleichzeitig Förderzentrum zu sein, immer in den Mittelpunkt ihrer Arbeit gestellt. Nun braucht es zunehmend Strukturen, die diese Aufgabe übernehmen und weiterentwickeln. Hierzu hat es bereits einen breit angelegten Dialog gegeben und es werden breit getragene Konzepte entwickelt.

So wird es Teil des Gesamtkonzept sein, für ein innovatives und bedarfsgerechtes Beratungs- und Unterstützungssystem für die inklusiven Schulen zu entwickeln und unter anderem die Einrichtung von Regionalen Beratungs- und Unterstützungszentren auf den Weg zu bringen. Dabei soll auch die Entwicklung regionaler Inklusionskonzepte Berücksichtigung finden.

Ein drittes Beispiel: Viele Schülerinnen und Schüler mit Unterstützungsbedarf werden von sogenannten Inklusionsassistenten unterstützt. Diese Unterstützung wird nach dem Bundessozialgesetz oder nach dem KJHG gewährt. Auch hier muss geprüft werden, wie eine stärker systembezogene Unterstützung organisiert werden kann.

Die Weiterentwicklung der inklusiven Schule ist und bleibt ein zentrales Anliegen der Landesregierung und der sie tragenden Fraktionen.

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