Rede Heiner Scholing: Aktuelle Stunde (FDP) zur Bildung

- Es gilt das gesprochene Wort - 

Meine Rede war fertig. Aus Gründen, zu denen ich später komme, musste ich sie ändern. In dieser Rede hätte ich Ihnen gesagt, was ich von dem sogenannten Neustart der Bildungspolitik der FDP halte.

Ich hätte Ihnen gesagt, dass ich ihre Vorstellungen von zukünftiger Bildungspolitik nicht für einen Neustart halte sondern für eine Rolle rückwärts mit unsauberer Landung.

Ich hätte ihnen gesagt, dass sie keine Antwort auf die Herausforderungen haben, vor denen Bildungseinrichtungen im Jahr 2017 stehen.

  • Bildungsgerechtigkeit herstellen – denn wie kann es sein, dass in unserem Land die Wertigkeit von Bildungsabschlüssen so stark an die soziale Herkunft gebunden ist?
  • Junge Menschen auf die Erfordernisse von morgen vorbereiten – sie stärken und nicht frühzeitig einsortieren, umsortieren, aussortieren.
  • Freude am Lernen wecken – Lernen mit Kopf, Herz und Hand
  • Antworten finden auf die zunehmende Heterogenität der Schülerinnen und Schüler

Alles Fehlanzeige!

Und dann hätte ich natürlich auch nicht ausgelassen, was ich von ihrem Konzept eines Schulfriedens halte.

Einfrieren der Verhältnisse von vor 2013!

Inklusion weiter entwickeln? Brauchen wir nicht!

Schule zu einem Ort des Lernens und Lebens weiterentwickeln? Unsinn – morgens ordentlich pauken – nachmittags Ringelpietz mit anfassen.

Leistung muss sich wieder lohnen – Zensuren, Tests, Sitzenbleiben.

Sollen die Lernpsychologen doch reden so viel sie wollen.

Aber ich halte hier ja meine letzte Rede. Also brauche ich ihnen das alles gar nicht zu sagen. Und ich habe schon oft genug versucht, sie von einem anderen Bild von der Schule von morgen zu überzeugen.

Ich hätte es geschafft, aber nicht in 5 Jahren. Politik und Pädagogik leben von Optimismus.

Bis zum Februar 2013 war ich Endverbraucher von Politik. Und sie hat mich meistens genervt.

Ihre Kurzatmigkeit hat mich genervt. Die immer wieder neuen Säue, die durchs Dorf getrieben wurden. Das Fehlen einer Vision, wo die Reise hingehen soll. Dieser nicht zu stillende Wunsch, Fußabdrücke zu hinterlassen.

Und jetzt habe ich selber fünf Jahre Bildungspolitik gemacht. Und haben wir es besser gemacht?

Ich hatte einen Kompass in der Tasche und ja wir sind bzw. waren auf dem richtigen Weg.

  • Lernen mehr Zeit geben – durch die Rückkehr zu G9, durch besseren Ganztag
  • Stress aus der Schule nehmen – durch Abschaffung der Schullaufbahnempfehlungen, durch Möglichkeit auf Zensuren auch in den Klassenstufen 3 und 4 zu verzichten
  • Antworten finden auf die veränderten Rahmenbedingungen von Schule – Schulsozialarbeit zur Landesaufgabe machen und zügig ausbauen
  • Inklusion weiterentwickeln – Vielfalt als Voraussetzung für gelungene Lernprozesse begreifen. Es gibt viele gute Beispiele im Land. Und dabei übersehe ich bestehende Probleme nicht.

Ob ich schließlich zufrieden bin?

Viele Baustellen bleiben.

Das wird in jedem Gespräch mit Eltern, Schülern, Lehrerinnen und Lehrern deutlich. Wenn ich bei einer Podiumsdiskussion darauf hinweise, dass wir ca. 1000 Stellen für schulische Sozialarbeit eingerichtet haben, findet sich bestimmt jemand der sagt, dass an seiner Schule keine Stelle angekommen ist.

Niemand bestreitet die immens hohe Bedeutung von Bildung. Aber wenn wir dieses Bekenntnis wirklich ernst nehmen, wissen wir, dass Bildung weiterhin chronisch unterfinanziert ist. Und noch immer hindert uns das Zusammenarbeitsverbot viele große Schritte zu machen.

Das fängt bei der räumlichen Ausstattung der Schulen an. Die Schule von morgen braucht eine ganz andere Architektur. Stichwort Digitalisierung. Auch das ist eine Herausforderung, die eine enge Verzahnung zwischen Land, Kommune und Bund braucht. Ankündigungen sorgen nicht für schnelles Internet in den Schulen.

Von der Förderschule in den Landtag. So ganz konnte ich meine inklusive Grundhaltung nicht an der Garderobe abgeben. „Und dann kommt der Herr Scholing mit seinen inklusiven Umarmungen,“ so eine Äußerung des Kollegen Seefried.

Meine beruflichen Vorerfahrungen hatten aber auch immer einen persönlichen Vorteil für mich. Der Umgang mit Menschen, denen gutes Verhalten nicht immer und nicht in allen Situationen gelingt, ist mir aus jahrelanger Praxis vertraut. Nicht zuhören, dazwischenrufen, störende Bemerkungen machen. Es hat mich überrascht, solchen Verhaltensweisen hier so massiv zu begegnen. Aber immerhin kannte ich es.

Als Schulleiter hätte es manches Gespräch in meinem Büro führen müssen.

Seien sie sich gewiss, dass ich ihre Arbeit weiter verfolgen werde und seien sie sich gewiss, dass ich es im Zweifel besser gemacht hätte.

 

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