Rede Heiner Scholing: Aktuelle Stunde (FDP) - Rot-Grün krempelt Bildungslandschaft um - Einfalt statt Vielfalt?

- Es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren,

Einfalt statt Vielfalt – so titulieren Sie diese aktuelle Stunde. Gerade nach ihrer sehr bemerkenswerten Rede, die Sie gestern gehalten haben, war ich sehr gespannt, welche Inhalte Sie wohl mit diesem Titel verbinden würden.

Und was ist draus geworden?

Mal wieder eine Debatte um die vermeintlich von rot-grün beförderte Einheitsschule.

Bei Verbandstagen von Lehrkräften an Gymnasien können Sie sich mit Ihren Zuspitzungen Applaus abholen.

Aber wen interessiert eigentlich dieser ständige Griff in die Mottenkiste der bildungspolitischen Debatten der 70er und 80er Jahre? Wie sagte Kollege Seefried so schön? Auf diese Debatte hat keiner Bock.  Und immer wieder können sie der Verlockung nicht wiederstehen, unsere bildungspolitischen Zielsetzungen in den Schablonen von vorgestern zu betrachten. Die tatsächlich geführte Debatte über notwendige Weiterentwicklung unseres  Bildungssystems lässt Sie auf dem Randstreifen zurück.

Einfalt statt Vielfalt. Wohin da die Reise gehen soll, ist ja klar. Hier Einheitsschule – dort das achtgliedrige Schulsystem (ich habe dabei die unterschiedlichen Förderschulen mitgezählt). Diese Kästchenpädagogik steht hier wohl für die Vielfalt.

Berichten Sie mal in einer Grundschule hier in Hannover von Ihren bildungspolitischen Erkenntnissen zur Vielfalt. Die Kolleginnen und Kollegen werden sie einigermaßen überrascht anschauen. Bei Vielfalt denken diese Kolleginnen und Kollegen nicht an Ihre Kästchenpädagogik sondern an ihre Klassen. Dort versammelt sich tagtäglich die Vielfalt, der Schule gerecht werden muss. Vielfalt, die sich durch unterschiedliche Lernzugänge und Lernstände ausdrückt, Vielfalt aufgrund der sozialen Herkunft, Kinder mit und ohne Migrationshintergrund. Heterogenität zu berücksichtigen ist hier die Voraussetzung für erfolgreiches Arbeiten.

Die Notwendigkeit, dieser Heterogenität Rechnung zu tragen, setzt sich selbstverständlich auch in der Sekundarstufe fort. Auch das Gymnasium um die Ecke, das über 40 % der Sek1-Schüler beschult, ist gut beraten, sich auf Heterogenität einzustellen.

Hinter ihrer Definition von Vielfalt verbirgt sich der wahre Einheitsbrei. Der Lehrer hält das Stöckchen für alle in die gleiche Höhe und verteilt anschließend Zensuren. Das ist gelebte Ignoranz gegenüber den Herausforderungen, vor denen unsere Schulen stehen.

Die Veränderungen, auf die sich unsere Schulen jeden Tag einstellen, sind mit den Händen zu greifen. Veränderte Kindheit, demografischer Wandel, neue inhaltliche Herausforderungen. Das was Schülerinnen und Schüler heute brauchen, um in unserer Gesellschaft erfolgreich zu bestehen, unterscheidet sich erheblich von gestern.

Politik kann sagen: NO CHANGE

Verantwortungsvoller ist es aber, aber die Herausforderungen Antworten zu finden. Schulstrukturreformen verfolgen übrigens durchaus keinen Selbstzweck. Sie ergeben sich als Konsequenz aus den Veränderungsprozessen in der Gesellschaft.

Der Mitbegründer der Berliner Universität, Friedrich Schleiermacher, hat es 1826 auf den Punkt gebracht:

„Es wäre frevelhaft, die Erziehung so anzuordnen, dass die Ungleichheit absichtlich und gewaltsam festgehalten wird auf dem Punkt, auf welchem sie steht.“

Unter dieses Zitat können wir die Kernpunkte der Schulgesetznovelle stellen:

  • Mehr Bildungsgerechtigkeit ermöglichen
  • Mehr Qualität in Ganztagsschulen
  • Mehr Zeit zum Lernen
  • Verlässliche Rahmenbedingungen für die Weiterentwicklung der Inklusion
  • Abbau von Hürden zur Errichtung neuer IGSen
  • Schulen fit machen, dass sie Vielfalt als Chance ansehen.
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