Rede Hans-Jürgen Klein: Nachhaltige Stärkung der Landesfinanzen statt untauglicher Schuldenbremse

Anrede,

dieser Antrag der Linken ist eine schöne Erklärung für ein Phänomen, das die Parteienforscher seit einiger Zeit beschäftigt: Es ist Krise – und die Linke profitiert nicht! Mit solchen Anträgen, Herr Sohn, wird Ihnen das auch weiterhin nicht gelingen. Sie präsentieren uns hier unter dem Titel "untaugliche Schuldenbremse" ein Sammelsurium an Maßnahmen, mit denen Sie die Landesfinanzen retten wollen. Ich nenne das dilettantisch und nicht zielführend, Jens Bisky von der Süddeutschen Zeitung nennt so etwas "politisch folgenlos" und "Ätsch-Marxismus"

Zur Forderung der Linken der Grundgesetz-Änderung für die Einführung von Verschuldungsobergrenzen nicht zuzustimmen: die Grünen im Bundestag werden diese Grundgesetz-Änderung ablehnen. Allerdings sind wir im Gegensatz zu den Linken der Auffassung, dass wir tatsächlich verbindliche Verschuldungsregeln für Bund, Länder und Gemeinden brauchen. Gleichzeitig muss sichergestellt werden, dass eine solche Regel alle Ebenen politisch handlungsfähig hält. Die grüne Schuldenbremse bindet die Ausgaben an die Einnahmen. Dies bedeutet aber nicht eine Entmündigung der Politik, wie von den Linken kolportiert. Vielmehr kann der Staat seinen Handlungsspielraum dadurch erweitern, dass er seine Einnahmen steigert, zum Beispiel indem er umweltschädliche Subventionen abbaut, Ausnahmen von der Ökosteuer abschafft oder den Umweltverbrauch steuerlich stärker belastet. Darüber hinaus müssen wir zu einem modernisierten Nettoinvestitionsbegriff kommen. Hier bleiben die Vorschläge der Großen Koalition ohne jede Idee. Auch die Frage der Altschuldenhilfe ist nicht ausreichend geklärt. Wir brauchen zunächst einen solidarischen Ausgleich zwischen den Gebietskörperschaften. Länder und Gemeinden, die überdurchschnittliche Zinslasten tragen, müssen für einen begrenzten Zeitraum eine finanzielle Entlastung erhalten.

Die Forderung der niedersächsischen Landesregierung nach einem absoluten Verschuldungsverbot ist ökonomischer Unsinn und politisch gefährlich. Dass Herr Wulff und Herr Rösler im gleichen Atemzug massive Steuersenkungen fordern, ist an Unseriosität kaum zu überbieten und zeigt, dass für diese Landesregierung Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit Fremdwörter sind.

Die OECD hat kritisiert, dass von den Steuerentlastungen der vergangenen Jahre vor allem die Gutverdiener profitiert hätten. Da wird sehr deutlich für wen die Steuersenkungsversprechen der Union bestimmt sind. Und Herr Wulff marschiert vorneweg und zerstört die Reste finanzpolitischer Seriosität, mit der sich diese Landesregierung so gern schmücken möchte. Statt jetzt Prioritäten für Zukunftsinvestitionen in Bildung und Klimaschutz zu setzen, herrscht steuerpolitisches Chaos in der Union: Der Wirtschaftsflügel der Union fordert Steuergeschenke für Großunternehmen. Erbschaftsteuer und Solidaritätszuschlag sollen abgeschafft werden. Die CSU fordert, die Einkommensteuer zu senken, die Kalte Progression zu korrigieren und die Wohnungsbauförderung wieder einzuführen. Neueste Idee – Steuerprivilegien für Sprit schluckende Dienstwagen sollen weiter ausgedehnt werden. Diesem Sammelsurium fehlt jegliche ordnungspolitische Orientierung.

Aber genau so orientierungslos kommen auch die Linken daher: Mit ihrem Vorschlag der Steuersenkungsbremse und dem linken Evergreen "Großerbensteuer" bedienen Sie lediglich die andere Seite der Medaille. Konjunkturpolitisch wesentlich sinnvoller wäre ein anderer Weg, nämlich die hohe Belastung niedriger Einkommen durch die Sozialabgaben abzubauen. Hier schlägt das grüne Progressivmodell eine Lösung vor, die nicht nur die Lohnnebenkosten im unteren Einkommensbereich auf Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite gezielt und spürbar senkt. Durch die abgesenkten Beiträge werden außerdem die Rahmenbedingungen für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber attraktiver, zusätzliche Arbeitsplätze anzubieten.

Wenn man sich die Ideen der Linken anschaut, mit denen sie die Landesfinanzen nachhaltig stärken wollen, dann lohnt sich aber auch allemal ein Blick darauf, wie die Linken es bislang mit den Landesfinanzen gehalten haben, Herr Sohn.

Da gibt es zum Beispiel diesen Vorschlag der Linken im Dezember 2008 zum Haushalt 2009, als sie als Sahnehäubchen für alle Beamten und Beamtinnen, vom Amtsboten bis zum Professor, Sonderzahlung von 2000 € pro Kopf versprochen haben.

Im Februar 2009 dann die Debatte um den Landtagsneubau. Da war bei den Linken viel die Rede von Repräsentation und Geist des Parlamentarismus. Frau Reichwaldt fühlte sich durch den Oesterlen-Bau in ihrem ästhetischen Empfinden gestört und verlangte nach mehr Platz. Da war man auf Seiten der Linken auch gerne bereit 42 Mio. Steuergelder auszugeben und auch hier bestimmt offensichtlich frei nach Marx das Sein das Bewusstsein,  das Abgeordnetendasein verschiebt wohl auch bei den Linken manche Perspektive. Ihre Kehrtwende vom vergangenen Montag kommt da reichlich spät, Frau Reichwaldt.

Und zum schlechten Schluss noch die Forderung des umweltpolitischen Sprechers der Linken, der zum parlamentarischen Untersuchungsausschuss an erster Stelle mehr Geld für die Fraktionsarbeit fordert.

Da versteh einer die Linken. Die sind in vermeintlicher Robin-Hood-Manier unterwegs und liefern die Beute am Ende wieder beim Sheriff von Nottingham ab oder doch gleich lieber bei sich selbst. Letzten Endes, Herr Sohn, Frau Flauger sind auch Sie lieber staatstragend als strumpfhosentragend.

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