Rede Hans-Jürgen Klein: Mit Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit Planungsfehler verhindern – deshalb jetzt weiteren Nachtragshaushalt 2009 und korrigierte Finanzplanung vorlegen

Anrede,

ich will heute mit Ihnen nicht mehr über Zahlen reden; die liegen jetzt lange genug auf dem Tisch, wir wissen alle, was in den nächsten Jahren auf uns zukommen wird. Ich will heute mit Ihnen heute über das reden, worum es nicht erst nach den dramatischen Ergebnissen der Mai-Steuerschätzung tatsächlich geht. Es geht darum Antworten zu geben auf die Frage, wie wir in dieser Finanz- und Wirtschaftskrise mit den öffentlichen Haushalten umgehen wollen? Welche Schlüsse wir daraus ziehen auch vor dem Hintergrund des Klimawandels und der globalen Gerechtigkeit.

Diese Antworten können wir allerdings besser diskutieren, wenn wir uns mindestens gemeinsam darauf verständigen, mit welchen Finanzdaten wir in den nächsten Jahren und Haushaltsberatungen arbeiten werden.

Deshalb halten wir es für dringend geboten, unverzüglich einen weiteren Nachtragshaushalt aufzustellen und ebenso unverzüglich die Zahlen der Mai-Steuerschätzung sowie realistische Prognosen und Planungen in die Mipla einzuarbeiten. Die Finanzdaten, auf deren Grundlage die Landesregierung die Mipla 2008-2012 und auch den Haushalt 2009 aufgestellt hat, sind derartig von der Realität überholt worden, dass man die Haushaltsführung der Landesregierung nur als unseriös bezeichnen kann.

Herr Möllring, Sie werden doch um einen Nachtrag nicht herum kommen. Und natürlich wissen wir alle, dass Sie den so spät wie möglich machen wollen, um sich noch irgendwie über den Termin der Bundestagswahl zu retten. Eins sollten Sie sich aber immer vor Augen führen: das ist hier keine Wulff GbR mit einem Geschäftsführer Möllring! Ihnen ist das Geld, mit dem Sie mehr schlecht als recht arbeiten, lediglich auf Zeit anvertraut worden. Und die Menschen, die Ihnen dieses Geld anvertrauen, haben ein Recht zu erfahren, welchen haushaltspolitischen Kurs Sie vor dem Hintergrund der einbrechenden Steuereinnahmen einschlagen wollen – und zwar noch vor der nächsten Wahlentscheidung! Das gilt für die niedersächsischen SteuerzahlerInnen ebenso, wie für dieses Parlament.

Wir erwarten vom Ministerpräsidenten doch nur, dass er seine eigenen Regeln einhält. Im Focusinterview kritisiert er den Deutschlandfonds als demokratieschädlich und intransparent. Die vom Volk gewählten Politiker sollten am Ende über das Geld des Steuerzahlers befinden. Warum gilt das nicht in Niedersachsen?

Nachdem der Finanzminister ja lange lediglich durch Tatenlosigkeit auffiel, während um ihn herum die Finanzmärkte zusammenbrachen, kann man jetzt nur sagen: erst hatte er keine Idee und dann kam auch noch Einfallslosigkeit dazu. Es gibt aus dem Finanzministerium keinerlei Vorschläge, wie dieser außerordentlichen Überforderung der staatlichen Finanzen begegnet werden soll; bislang gibt es nur die Ankündigung, die Steuerausfälle in die Neuverschuldung zu verbuchen. Das ist schwarz-gelbe Haushaltspolitik, die die Handlungsmöglichkeiten der nächsten Generationen aufs Äußerste beschneidet, weil die zusätzlichen Millionen nicht strikt zukunftsorientiert ausgegeben werden.

Zu den Steuerausfällen kommen ja weitere unkalkulierbare Risiken, die den Landeshaushalt zusätzlich unter Druck setzen könnten. Die Haftungsverpflichtung des Landes für den Finanzmarktstabilisierungsfonds des Bundes, die vielfach umfangreicheren Bürgschaftsrisiken des Landes nicht nur für die Nord/LB, die mit fortschreitender Wirtschaftskrise immer prekärer werden – dazu ein Ministerpräsident, der sich munter an Steuersenkungsdebatten beteiligt, die die Einnahmesituation des Landes weiter verschärfen würden. Herr Möllring, wenn Sie sich heute weigern zügig einen Nachtrag vorzulegen, dann haben Sie doch aufgegeben Finanzpolitik zu machen.

Da Ihnen Ihr zentrales Politikziel der zweiten Legislatur, die Nettokreditaufnahme 0 (NKA 0), abhanden gekommen ist, ist das ja auch nicht verwunderlich. Zugegeben, Sie haben die Nettoneuverschuldung gesenkt. Möglich wurde Ihnen das aber, weil Sie in den vergangenen Jahren mit mehr Glück als Verstand von den sprudelnden Steuereinnahmen profitieren konnten. Nicht nur der Landesrechnungshof hat Ihnen immer wieder gesagt, dass Ihre Konsolidierungsmaßnahmen demgegenüber nicht ausreichend waren. Sie haben es in den guten Jahren versäumt, das strukturelle Defizit der Haushalte konsequent anzugehen, haben mit Schattenhaushalten gegen das Gebot von Haushaltswahrheit und –klarheit verstoßen und haben keinerlei Versorge für die explodierenden Pensionsausgaben getroffen. Dies alles in dem Irrglauben, dass Sie auf weiteres Wachstum und weiter steigende Steuereinnahmen setzen können, wie ja Ihre letzte Mipla noch einmal eindrucksvoll belegt. 

Und hier sind wir beim Kern Ihres Problems und auch beim Kern der Ursachen für diese Finanz- und Wirtschaftskrise. Ihre Politik setzt auf ewiges Wachstum obwohl jeder spürt, dass es das nicht geben kann. Warum kümmern wir uns nicht endlich mal um die grundsätzliche Frage, wie wir ein stabiles Wirtschaftssystem mit zufriedenen Menschen schaffen, ohne ständig eine Schüppe Kohle mehr auflegen zu müssen?

Noch interessiert nur wenige Wirtschaftswissenschaftler die Frage nach dem Wirtschaftssystem ohne Wachstumszwang, die meisten rechnen lieber in komplizierten Modellen vor, wie sich das Wachstum beschleunigen ließe. Immer munter von einer Blase zur Nächsten! Der Begriff des "nachhaltigen Wachstums" hilft ihnen nicht weiter, solange Sie damit suggerieren wollen, dass wir alle noch viel reicher werden können, ohne dass das Klima weiter darunter leidet.

Ein passendes Beispiel für Ihre Philosophie ist die Abwrackprämie, die Sie so gerne als Umweltprämie verkaufen. Volkswirtschaftliche Erholung durch Wertvernichtung, absurder geht es wohl nicht mehr. 5 Mrd. € für eine Maßnahme ohne finanztechnische Zukunftsrendite: Sie hinterlässt unseren Kindern und Enkeln einen Haufen Schrott und ungedeckte Zinsen und Tilgung. Und eine Maßnahme mit einer verheerenden Umweltbilanz! Nicht nur weil der CO2-Verbrauch des Neuwagens nicht berücksichtigt wird. Auch weil man bis zu 400.000 Kilometer mit einem sparsameren Auto fahren müsste, um allein den bei der Autoproduktion anfallenden CO2-Ausstoß zu kompensieren. Die Wirtschaft muss wachsen – auch wenn die Natur schrumpft, das ist das Programm von CDU und FDP. Das funktioniert aber nicht auf Dauer! Unsere natürlichen Ressourcen sind endlich! Deshalb werden auch Haushalts- und Finanzplanungen, die weiterhin nur unter dem Postulat des Wachstumszwangs funktionieren auf Dauer scheitern.

Wir fordern Sie noch einmal nachdrücklich auf, diesem Parlament realistische Haushaltszahlen als Arbeitsgrundlage zur Verfügung zu stellen. Ihr Haushalt 2009 und die Mipla sind reif für die Altpapier-Tonne. Aber vielleicht sollten wir neben diesem Zitat des Kollegen Möllring aus dem Jahr 2002 auch seine damalige Idee aufgreifen. Er hat geschildert, wie er damals die Mipla in politische Diskussionen mitgenommen und die Fotos von Ministerpräsident und Finanzminister auf der ersten Seite gezeigt hat. Dann hat er die Zahlen zu den Wachstumsraten des Bruttoinlandsproduktes vorgelesen und die Steuereinnahme-Prognose. Und dann wusste – ich zitiere den Abgeordneten Möllring – "auch der Letzte im Raum, dass die beiden Herren, die sich da haben abbilden lassen, finanzpolitische Deppen sind". 

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