Rede Hans-Jürgen Klein: Entwurf eines Haushaltsbegleitgesetzes 2012 – Allgemeinpolitische Debatte

 

Als allgemeinpolitische Debatte über die Regierungs- und Haushaltspolitik ist dieser Tagesordnungspunkt beschrieben. Das ist ein inhaltlich weit gefasster Anspruch, der sich mit der vorgesehenen Redezeit kaum in Übereinstimmung bringen lässt.

Sicher - wenn es nur darum ginge die positiven Aspekte dieser Regierung darzustellen, wären diese 15 Minuten mehr als auskömmlich. Für eine begründete Kritik der Fehlleistungen dieser Landesregierung könnte aber auch eine Stunde Redezeit knapp werden.

Ich werde mich deshalb auf den Komplex Haushaltskonsolidierung konzentrieren, zweifellos mit die größte und ärgerlichste Erblast, die Schwarz-gelb in gut einem Jahr einer neuen, anderen Regierung hinterlassen wird.

Meine Damen und Herren von CDU und FDP,

Sie haben regelrecht abgewirtschaftet und Sie tun das sehenden Auges, aber offensichtlich in dem Bewusstsein oder vielleicht auch Unterbewusstsein, die Folgen Ihrer verantwortungslosen Haushaltspolitik nicht mehr selbst ausbaden zu müssen.

Vor wenigen Tagen hat Präsident Dinkla seinen - von den Fraktionen akzeptierten - Vorschlag für eine Anpassung der Fraktionsmittel vorgelegt. Errechnet und zugrunde gelegt wurde die Steigerung fraktionstypischer Sachausgaben um 0,95 Prozent und die Erhöhung der Vergütungstarife um 1,5 Prozent. Gewichtet und zusammengefasst war das im Ergebnis eine Steigerung von 1,35 Prozent.

Da stellt sich doch die Frage: Mit welchen Zahlen hat eigentlich diese Landesregierung gerechnet, wenn sie uns jetzt einen Haushaltsentwurf vorlegt, der nach durchschnittlichen Steigerungen von rund 2 Prozent in den letzten Jahren, plötzlich eine Erhöhung um über 5 Prozent aufweist?

Die normalen Sach- und Personalkostensteigerungen werden sich nicht signifikant von denen der Fraktionen unterscheiden. Hinzu kommt die eine oder andere zusätzliche Zahlungsabwicklung über den Landeshaushalt. Aber mindestens die Hälfte des Aufwuchses stellt sich als außerordentliche Ausgabensteigerung heraus, die sich hauptsächlich mit dem Landtagswahltermin 20.1.2013 erklärt. Herr Ministerpräsident, Sie legen uns hier einen "Wahlkampfhaushalt pur" vor, in dem das Wort Konsolidierung im Gegensatz zu Ihren verbalen Bekundungen nicht mehr vorkommt. Seien Sie wenigstens konsequent und streichen Sie diese Begrifflichkeit aus Ihren künftigen Reden. 

Mit dem Wahltermin hat natürlich auch der Umstand zu tun, dass die Schwarz-Gelben plötzlich ihre Liebe zum Doppelhaushalt entdeckt haben. Es ist ja nachvollziehbar. Diese Mannschaft scheut eine nochmalige intensive Haushaltsdiskussion ihrer Politik kurz vor der Wahl, wie der Teufel das Weihwasser.  Nachdem selbst die Bildzeitung die Zerfallserscheinungen dieser Regierung schon registriert hat und mit "Schöne Bescherung für McAllister - Drei Minister wackeln" kommentiert, würde ein solcher Faktencheck die Pleite dieses CDU/FDP-Projektes noch einmal besonders deutlich machen.

Wir werden Ihnen diesen Gefallen nicht tun! Unser Änderungsantrag enthält keine Zahlen für 2013. Die werden wir Ihnen im nächsten Jahr mit einem ausführlichen Nachtragshaushaltsentwurf vorlegen.

Die Koalitionsfraktionen haben die Wahlkampfbotschaft natürlich gierig aufgenommen und eine "Politische Liste" vorgelegt, in der nur Plus-Zeichen, sprich zusätzliche Ausgaben erscheinen. Auch hier gibt es keine strukturellen Einsparungen, sondern das Verfrühstücken von Zinsminderausgaben, die für die Finanzierung struktureller, d.h. dauerhafter Mehrausgaben wahrlich nicht geeignet sind. Solche Kurzfriststrategien schaden dem Land und sind zudem aussichtslos. Die Niedersachsen werden sich von Schwarz-Gelb nicht kaufen lassen.

Sie werden sich auch nicht für dumm verkaufen lassen! Schon gar nicht von Pressemitteilungen des Kollegen Hilbers, in denen behauptet wird, das Land mache in den nächsten Jahren deutlich weniger neue Schulden. Eine wider besseren Wissens unwahre Behauptung. Nicht nur der Landesrechnungshof hat Ihnen mehrfach vorgerechnet, dass das falsch ist. Denn natürlich wissen Sie sehr gut, das neue Schulden neue Schulden bleiben, auch wenn man sie zur Abwechslung mal "Entnahmen aus Rücklagen" nennt. In diesen sogenannten Rücklagen befindet sich kein müder Cent sondern ausschließlich Ermächtigungen zur Schuldenausweitung , die Sie sich in den Vorjahren mit Ihrer Mehrheit großzügig bewilligt aber tatsächlich nicht benötigt haben. Allein 2012 machen Sie so zusätzlich zur offiziellen Nettokreditaufnahme von 1,2 Mrd. Euro rund 640 Mio. Euro neue Schulden.

 Wir haben in unserem Änderungsantrag vollständig auf die Verwendung dieser Mittel verzichtet. Vieles spricht dafür, dass dies auch dem Urteil entsprechen wird, das der Staatsgerichtshof am Freitag in dieser Sache sprechen will. Wir verzichten ebenfalls auf den Ansatz von fiktiven Steuermehreinnahmen die der Bundestag beschließen muss, solange wir die Umsetzung einer anderen Steuerpolitik nicht mit anderen Mehrheiten sicherstellen können. So richtig die Einnahmeerhöhungen im Antrag der Linken sind, so falsch wäre es, diese zusätzlichen Einnahmen schon jetzt für ein regierungstaugliches Haushaltskonzept zugrunde zu legen.

Zum Ausgleich dieser 640 Mio. Euro sehen wir quer durch den gesamten Haushalt eine stärkere Ausschöpfung der Einnahmemöglichkeiten, erhebliche Einsparungen aber auch für uns schmerzliche Reduzierungen und Streckungen bei den bisherigen von uns gewünschten Mehrausgaben vor.

Danach verbleibt zunächst eine Deckungslücke von rund 230 Mio. Euro. Solange wir die dringend benötigten Einnahmeverbesserungen, durch eine stärkere steuerliche Belastung der hohen Einkommen und Vermögen nicht realisieren können, muss diese Lücke durch Vermögensveräußerungen gedeckt werden.

Dazu wollen wir, dass die Steuermehreinnahmen dieses Jahres, die in Höhe von 500 Mio. zur zusätzlichen und für das Land unzumutbaren Kapitalisierung in die NordLB fließen 2012 in einer ersten Rate in den Landeshaushalt zurückfließen.

Dabei geht es uns nicht nur um den Haushaltsausgleich, sondern auch darum, das Engagement des Landes, sprich des niedersächsischen Steuerzahlers in der NordLB zu begrenzen. Der Umstand, dass die Eigenkapitalsituation der Bank bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr prekär wird, sollte Anlass zur Vorsicht sein. Der niedersächsische Landeshaushalt ist für wiederholte Bankenrettungen dieses Ausmaßes nicht geeignet

Anrede,

Schwarz-gelb fällt regelmäßig in einen landespatriotischen Taumel, wenn es um die NordLB geht. Im Zustand der Entrückung sollte man aber keine Risikoentscheidungen treffen, die einen klaren Kopf erfordern.

Natürlich ist man hinterher immer klüger, aber dass der Landesbankensektor nach Wegfall der Gewährträgerhaftung Probleme bekommen wird, war doch kein Geheimnis. Ebensowenig, wie das Wissen um eine im internatonalen Vergleich bestehende Unterkapitalisierung deutscher Banken.

Spätestens seit der Bankenkrise 2008 ist klar, dass die Erhöhung der Kernkapitalquoten bei den Banken ein zentrales Regulierungselement zur Stabilisierung ist. Wir alle haben das unisono gefordert. Das heißt aber auch, der besondere Bedarf der NordLB in dieser Hinsicht ist seit vielen Jahren absehbar. Aber für unseren Finanzminister gab es die Krise ja lange Zeit gar nicht, zumindest war sie seiner Meinung nach nicht niedersachsenrelevant. Da verwundert es dann auch nicht, dass die Beteiligungsstrategie des Landes in Sachen NordLB nicht von gestaltenden langfristigen Lösungsansätzen geprägt ist, sondern von reaktiven, hektischen und überfallartigen Notmaßnahmen, wie wir sie im Frühsommer erlebt haben und jetzt wieder erleben. Das machen wir nicht mehr mit!

Deshalb lehnen wir auch die Bürgschaft in Höhe von 1,5 Milliarden Euro ab, die in diesem Haushalt verankert werden soll. Dieser Plan B überträgt das Risiko dafür auf den Steuerzahler. Noch entscheidender ist: Als leichter Ausweg nimmt er den Druck von den Verantwortlichen das Problem innerhalb der Bank zu lösen. Genau das fordert übrigens ein gemeinsamer Entschließungsantrag der Bundestagsfraktionen von CDU, FDP, SPD und Grünen.

Die NordLB ist keine kleine, niedliche Regionalbank, die bei Schwierigkeiten mal eben aus dem Landeshaushalt gestützt werden kann. Sie agiert international und wird von der EBA als systemrelevantes Finanzinstitut eingestuft. Mit ihrem derzeitigen Kernkapitalproblem trifft sie sich auf einer Stufe mit der ebenfalls betroffenen LBBW, der Commerzbank und der Deutschen Bank.

Deshalb ist es auch naiv zu glauben mit der 9Prozent-Eigenkapitalschwelle sei das Ende der Fahnenstange erreicht und mit der 1,5 Mrd.-Bürgschaft das Problem dauerhaft gelöst. Der Sachverständigenrat für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung fordert in seinem aktuellen Jahresgutachten übereinstimmend mit einer britischen Expertenkommission für systemrelevante Banken Kernkapitalquoten bis zu 20 Prozent. In der Schweiz sind solche Größenordnungen bereits in Umsetzung.

Das ist weder im Landeshaushalt noch bei den anderen Eigentümern darstellbar. Deshalb müssen wir der Bank -auch in ihrem eigenen Interesse jetzt das klare Signal geben, das sie nach anderen Lösungen suchen muss. Die andere Lösung wird im Wesentlichen eine Reduzierung der risikogewichteten Aktiva sein müssen. Das heißt, die NordLB muss schrumpfen. Mit der Umwandlung sämtlicher Stillen Einlagen in Stammkapital hat das Land Niedersachsen bereits mehr als seine Pflicht getan. Damit verzichten wir bereits auf Einnahmen in 3-stelliger Millionenhöhe.

Noch ein Wort zur Diskussion um die Schuldenbremse. Auch hier streuen Regierung und Koalition den Menschen Sand in die Augen. Da inszenieren sie großspurig ein Wettrennen, wer der schnellste Konsolidierer ist und wer die Schwarze NULL als erster schafft. Und beim Startschuss laufen sie dann prompt in die falsche Richtung. Statt einer Reduzierung des strukturellen Defizits wird es noch einmal auf über 2 Mrd. Euro gesteigert. Das bestätigt auch der Sachverständigenrat, der für Niedersachsen einen Handlungsbedarf von rund 11 Prozent der heutigen Primärausgaben errechnet hat, um Einnahmen und Ausgaben bis 2020 auszugleichen.  Diesem Ziel haben sich CDU und FDP nicht einen Millimeter genähert, trotz sprudelnder Steuerquellen. Damit stehen Reden und Handeln dieser Regierung wieder einmal in diametralem Widerspruch zueinander. Damit nicht genug: Herr Ministerpräsident, völlig unglaubwürdig in Sachen Schuldenbremse haben Sie sich mit Ihrer Zustimmung zu den jüngsten Steuersenkungen gemacht, die dem Land jährlich 200 Mio. Euro Mindereinnahmen bescheren.  Das wollen Sie uns auch noch als soziale Wohltat für untere Einkommensschichten verkaufen. Was für ein Unsinn! Die Anhebung des Steuerfreibetrages bringt für Menschen die wenig verdienen wenig mehr und für Menschen die viel verdienen viel mehr. Das entspricht natürlich auch genau den Vorstellungen von sozialer Gerechtigkeit in dieser FDP-gefärbten Koalition.

Ebenso wenig mit der Schuldenbremse vereinbar, ist die Zustimmung dieser Regierung zu einer so familien- und gesellschaftspolitischen Dummheit wie der Herdprämie. Milliarden sollen zum Fenster rausgeschmissen werden, damit hier noch einmal das Familienbild der 50er jähre reanimiert werden kann.

Wir werden im Interesse wirtschaftlicher und finanzwirtschaftlicher Stabilität an der Schuldenbremse festhalten. Dazu braucht es klare und unzweideutige Regeln, insbesondere im Bereich der Ausnahmen vom Schuldenverbot und einen speziellen Schutz der Kommunen vor Lastenverschiebungen. Entscheidend ist aber auch ein belastbarer und nachsteuerbarer Finanzplan bis 2020, der ausweist, mit welchen Einnahmeerhöhungen und Ausgabenbegrenzungen das strukturelle Defizit ausgeglichen werden soll.

Meine FraktionskollegInnen werden heute und morgen die weiteren fachpolitischen Fehlleistungen dieser Landesregierung im Einzelnen darstellen.

Da geht es u.a. um das Versagen der Landesregierung bei der Gestaltung der frühkindlichen Betreuung und Erziehung und um die mangelnde Zukunftsfähigkeit des niedersächsischen Schulsystems.

Es geht um die mangelhafte Ertüchtigung der sozialen Infrastruktur und darum, dass ein humanes Konzept im Umgang mit Flüchtlingen immer wieder dem Streben eines einzelnen Ministers nach einem "Harten-Hund-Image" zum Opfer fällt.

Es geht um die verpassten und bewusst ausgelassenen Chancen einer Verkehrspolitik mit menschlicher Dimension und Beachtung des Klimaschutzpotentials. Es geht um FDP-Klientelpolitik, Wirtschaftsförderung nach Gutsherrenart und eine Innovationspolitik, die diesen Namen nicht verdient.

Wir werden ansprechen, dass die klima- und umweltpolitische Bilanz dieser Landesregierung schlicht grauenhaft ist und dass die neue atomkritische Position von Schwarz-Gelb mehr Schein als Sein produziert. Das gilt auch für Ihre tierschutzpolitischen Versprechungen, die den Tatbestand der Wählertäuschung erfüllen.

Wir werden auch auf die Versäumnisse in Bezug auf die ungelösten Probleme der kommunalen Verschuldung und der kommunalen Strukturen eingehen.

In all diesen Bereichen hat Schwarz-Gelb seine Pflicht, dieses Land gut und nach bestem Wissen zu regieren, nur mangelhaft bis ungenügend erfüllt. Deshalb wird es keine Versetzung in die nächste Wahlperiode geben.

Zurück zum Pressearchiv