Rede: Hans-Jürgen Klein: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Haushaltsgesetzes 2009 (Nachtragshaushaltsgesetz 2009) und zur Umsetzung des Konjunkturpakets II
Landtagssitzung am 20.02.2009
Hans-Jürgen Klein, MdL
TOP 35: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Haushaltsgesetzes 2009 (Nachtragshaushaltsgesetz 2009) und zur Umsetzung des Konjunkturpakets II
Anrede,
die beiden Konjunkturprogramme der Bundesregierung sind suboptimal und werden nicht so wirken, wie Sie es wünschen und erwarten. Es fehlt an einem abgestimmten Konzept, es fehlt an Vorgaben, die sicherstellen, dass die Konjunktur-Milliarden aus Berlin in die ökologische Modernisierung, die Bildung und die soziale Gerechtigkeit fließen. Es wurden zu wenig tatsächlich direkt und schnell wirkende Konjunkturmaßnahmen eingebaut. 13 Milliarden Euro Investitionen in den Gemeinden bei einem Paket von 50 Milliarden Euro sind zu wenig. Zeitlich gestaffelte Steuererleichterungen und Abgabensenkungen sind für eine Anregung der Binnenkonjunktur verschossen. Diese zusätzlichen Euros werden bei Einzelnen kaum spürbar sein und sicher keinen Kaufrausch auslösen. Haushalte, die Einkommensteuer zahlen, haben auch heute schon Spielraum für Anschaffungen oberhalb des Existenzminimums.
Da wundert es, dass Herr von und zu Guttenberg und Herr Westerwelle jetzt schon wieder das Lied der Steuersenkungen singen und die FDP an dieser Stelle Ihren Schaukampf um enttäuschte CDU-Wähler inszeniert. In Deutschland zahlt die Hälfte der Haushalte gar keine Einkommensteuer mehr. Deswegen müssen wir, wenn wir konjunkturell etwas erreichen wollen, die Transferleistungen für die, die sehr wenig haben, erhöhen, also zum Beispiel das Arbeitslosengeld II. Wer Konjunkturpolitik mit Gerechtigkeitspolitik verbinden will, der muss an dieser Stelle ansetzen, der muss etwas für die kleinen Leute tun und nicht für die, die sowieso mehr haben.
Dazu organisieren Sie über die Abwrackprämie einen Ausverkauf der alten Flotte. Ich kann Ihnen angesichts der Erfahrungen, die man in anderen Ländern gemacht hat, heute schon sagen, was passiert, wenn dieser Boom zu Ende ist - Sie werden einen gewaltigen Kater haben. Sie behandeln nur die Symptome und glauben, Sie könnten damit die notwendige schmerzhafte Operation verhindern. Das funktioniert nicht.
Ich will hier zwei weitere Vorgaben der Bundesregierung herausgreifen, die insbesondere auf die Kommunen – und eben auch auf die niedersächsischen Kommunen gravierende Auswirkungen haben könnten.
Zum einen sind bislang die Risiken, die mit den Regelungen zur Zusätzlichkeit von Investitionen verbunden sind immer noch nicht abschließend geklärt und damit unkalkulierbar. Eine Arbeitsgruppe der Länder und des Bundes auf Beamtenebene konnte sich Montagabend nicht über die Frage der Zusätzlichkeit einigen. Jetzt sollte am Donnerstag die Finanzministerkonferenz eine Entscheidung treffen. Man hört, dass die Flächenländer zu keiner gemeinsamen Linie gegenüber dem Bund gefunden haben, was die Zusätzlichkeit der Mittel, die Haftung dafür und den Nachweis darüber angeht. Laut Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern ist eine Zusätzlichkeit dann gegeben, wenn diese Investitionen in den Jahren 2009 bis 2011 den Durchschnitt der Investitionen der Jahre 2006 bis 2008 überschreiten. Da dies aber die Jahre des Steuerbooms gewesen sind, ist es mehr als fraglich, ob Land und Kommunen das Investitionsniveau von 2006 bis 2008 wieder erreichen können, eben auch wegen des zu erwartenden, deutlichen Einbruchs der Steuereinnahmen und auch der Gewerbesteuer. So drohen Rückforderungen des Bundes, mit ungeklärten Folgen für Land und Kommunen.
Anrede,
ein zweiter Kritikpunkt ist die Vereinfachung des Vergaberechts.
Unter dem Deckmantel der Förderung kommunaler Investitionen hat die große Koalition durch die Hintertür einen ordnungspolitischen Sündenfall beschlossen, den Sie mit dem Nachtragshaushaltsgesetz munter nachvollziehen. Befristet auf zwei Jahre sollen sich die Kommunen nun im Rahmen der beschränkten Vergabe bei Bauleistungen mit einem Auftragsvolumen von bis zu 1 Mio. Euro (bisher 100.000 Euro) aussuchen, von welchen Firmen sie zum Vergleich Angebote einholen. Bei bis zu 100.000 Euro Auftragswert (bisher 30.000 Euro) können zukünftig als freihändige Vergabe einfach nach Gusto vergeben werden. Bei den Dienst- und Lieferleistungen wird die Grenze für beschränkte und freihändige Vergabe einheitlich von 30.000 auf 100.000 Euro erhöht. Diese Änderungen gelten jedoch nicht nur für Maßnahmen aus dem Investitionsprogramm, sondern für die gesamte öffentliche Auftragsvergabe mit einem jährlichen Volumen von rund 300 Mrd. Euro. Eine faire, transparente und wettbewerbsorientierte Vergabe wird so weitgehend außer Kraft gesetzt und damit aller Erfahrung nach die Kosten von öffentlichen Aufträgen und die Gefahr von Korruption willkürlich in die Höhe getrieben.
Nun aber zur Umsetzung des Konjunkturprogramms in Niedersachsen. Da ist zunächst zu kritisieren, dass die Landesregierung ihre eigene Argumentation, hier handele sich um einen 1-Punkt-Nachtrag selbst missachtet. Klammheimlich wird uns nebenbei eine massive Personalaufstockung für den Bereich der Straßenbauverwaltung untergeschoben. Diese Steuergeldverbrennung für die künftigen Investitionsruinen A 39 und A 22 lehnen wir entschieden ab.
Und dann gibt es da jetzt auch noch die 20 Mio. Euro für Lehrer. Vor zehn Wochen haben wir hier den Landeshaushalt 2009 verabschiedet, vor zehn Wochen waren die Probleme in der Unterrichtsversorgung hinlänglich bekannt, aber Sie haben aus ideologischen Gründen nichts unternommen. Jetzt nutzen Sie den Nachtrag zum Konjunkturpaket, um die größte Not in den Schulen kurzfristig etwas zu lindern. Wir wissen alle, dass diese 20 Mio. Euro nicht ausreichen werden, um die vielfältige Problematik in unseren Schulen in den Griff zu bekommen. Wir erwarten weitere Verbesserungen und werden unsere Vorschläge dazu einbringen. Wir werden jedoch Ihrem Antrag zustimmen. Ich habe mir überlegt, dass ich in dieser Woche nicht noch einen weiteren Rücktritt fordern kann und deshalb Ihre Kultusministerin über dieses Wochenende mit retten werde. Für die weitere Zukunft von Frau Heister-Neumann in der nächsten Woche kann ich allerdings nichts garantieren.
Ebenso wie die Politik der Bundesregierung ist die Politik der schwarzgelben Landesregierung zukunftsblind. Und daran wird wahrscheinlich auch ein Augenarzt als Wirtschaftsminister keine Abhilfe leisten. Die Chance, die Überwindung von Klima- und Finanzkrise gemeinsam anzugehen, wird vertan. Auch wirtschaftlich zeugt das Handeln der Landesregierung von Aktionismus statt Weitsicht.
Sie müssten sich der Frage stellen: Was sind die Bereiche, die in 10Â Jahren blühen und weiter wachsen werden? Wofür wollen wir in der Zukunft arbeiten? In was wollen wir in der Zukunft investieren?
Diesen Fragen haben Sie sich beim Schnüren Ihres Pakets erkennbar nicht gestellt. Dabei sind sie gar nicht so schwer zu beantworten. Wir müssen heute in all das investieren, was unsere Wirtschaft nachhaltig unabhängiger macht. Wir müssen vor allen Dingen in das investieren, was dazu beiträgt, dass auf eine kohlenstoffärmere Produktion und Energieerzeugung umgestellt wird. Das ist die eigentliche Herausforderung. Da verknüpfen sich Klimakrise und Finanzkrise. Das heißt, Sie müssen in Modernisierung, vor allen Dingen in ökologische Modernisierung investieren. Darauf hätten Sie die Verwendung der Gelder konzentrieren müssen. Das kann man auch schuldenfinanziert verantworten, weil es für kommende Generationen eine Verbesserung ihrer Lebensbedingungen bedeutet und weil es eine maximale Chance auf Refinanzierung bietet. Aber was tun Sie? Sie investieren blind in all das, was die verschiedenen Lobbygruppen innerhalb der Regierungsfraktionen durchgesetzt haben.
Mit Ihrem Wahlkampffonds "Wünsch-dir-was" von 163 Mio. Euro, Ihrem so genannten Aufstockungsprogramm stellt sich wieder einmal heraus: Sie stecken das Geld nicht in eine gutdurchdachte und schlüssige Idee. Man kann nicht erkennen, dass diese Regierung eine Vorstellung hat, wie sie mit dieser Krise umgehen will. Es ist nicht erkennbar, dass sie in der Krise an Strukturen herangeht und so investiert, dass dieses Land nach der Krise fit ist. Eine Leitidee ist in diesem Sammelsurium von Maßnahmen, die Sie hier vorgestellt haben, wirklich nicht erkennbar. Sie trauen sich nicht, die Frage der Ökologisierung unserer Wirtschaft anzugehen. Sie glauben, dass das Hinterherwerfen von Geld in der Krise eine Delle auffüllen kann und man drübermarschiert. Aber ich sage Ihnen: Wenn sich unsere Wirtschaft nicht ökologisiert, wenn wir die Chance des Strukturwandels nicht ergreifen, dann geht es nach der Krise eben nicht einfach so weiter wie vorher. Mit Ihrem Konjunkturprogramm von gestern bereiten Sie nichts für morgen vor.
Wir schlagen Ihnen dagegen ein nachhaltig wirkendes Investitionsprogramm vor. Wir wollen, dass die gesamten Mittel in Höhe von rund 1,4 Mrd. Euro in Niedersachsen für eine ökologische Modernisierung genutzt werden, um so die Folgekosten einer falschen Energie- und Verkehrspolitik zu senken. Deshalb haben wir, anders als die Landesregierung, die ohne jeden Gestaltungsanspruch unterwegs ist, einen Kriterienkatalog festgelegt. Damit können wir neue Energietechnologie und Energieeffizienz fördern, die Abhängigkeit von fossilen Energien mindern und Energie- und Betriebskosten senken. Wir wollen dabei die pauschalen Zuweisungen an die Kommunen von 600 Mio. auf 800 Mio. Euro erhöhen, in dem wir die nach Förderschwerpunkten zu vergebenden Mittel für die Schulinfrastruktur dem kommunalen Topf zuschlagen. Das verbessert die Handlungsmöglichkeiten der Kommunen deutlich und ermöglicht eine sinnvollere Verwendung der Gelder. Knapp 200 Mio. Euro sollen für Investitionen in Hochschulen verbleiben. Fast 400 Mio. Euro verwenden wir für ein Energiewendeprogramm Niedersachsen, das u. a. Sofortmaßnahmen bei den Landesliegenschaften, bei der Ertüchtigung des Schienennetzes oder bei der Umsetzung dezentraler innovativer Technologien beinhaltet.
Die jetzt landauf - landab von CDU Landtagsabgeordneten verkündeten Investitionshilfen könnten sich ohne unser Konzept für manch eine Kommune im Nachhinein als böse Überraschung entpuppen. Vor dem Hintergrund, dass die Städte und Gemeinden die jetzigen Investitionshilfen kofinanzieren müssen, wird das Investitionsprogramm gerade in den finanzschwachen Kommunen die Verschuldungsspirale weiter vorantreiben.
Dazu die drohenden Steuerausfälle bei den Kommunen: die steuersenkenden Vorhaben aus den Konjunkturpaketen werden Kommunen in diesem Jahr 114 Mio. € der zusätzlichen Investitionsmittel gleich wieder entziehen, im nächsten Jahr sogar bis zu 200 Mio. €. Dazu kommen zurzeit noch nicht bezifferbare, konjunkturell bedingte Ausfälle vor allem bei der Gewerbesteuer.
Sie wollen heute auch unseren Antrag zur Reform des Finanzmarktes ablehnen mit dem wir schon Oktober letzten Jahres eine Nachbesserung des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes gefordert haben. Wie recht wir damit hatten sehen wir heute. Der Finanzmarktschirm war von Anfang an falsch konstruiert. Im Oktober2008 hat die Große Koalition Angst vor einer effektiven Teilverstaatlichung gehabt. Sie haben aus ideologischen Gründen diesen Weg gefürchtet. Die Schwierigkeiten und Fehler, die daraus resultierten, sehen Sie jetzt ganz deutlich: Der Finanzmarktschirm funktioniert nämlich nicht. Er hat den Anspruch, die Wirtschaft mit Krediten zu versorgen und zu erreichen, dass sich die Banken gegenseitig Liquidität zur Verfügung stellen, bisher nicht erfüllt. Die Unentschlossenheit der Bundesregierung beim Drama um die Hypo Real Estate, einer Bank, in der inzwischen 102 Milliarden Volksvermögen stecken, die aber gerade noch 270 Millionen Euro wert ist, ist ein Skandal. Die selbst verschuldete Hilflosigkeit der Politik bei den umstrittenen Boni-Zahlungen bestätigt die von uns kritisierten Fehler des Gesetzes. Auch der unverschämtem Forderung vieler Bänker das Risiko für ihren wertlosen Investitionsschrott in einer Bad Bank zu bündeln und dem Steuerzahler zuzuschieben, wollten wir von Anfang an einen Riegel vorschieben. Dass Sie all das heute ablehnen und stattdessen ein Loblied auf die Große Koalition singen zeigt die Kopflosigkeit dieser Landesregierung.