Rede Hans-Jürgen Klein: Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Haushaltsplans für das Haushaltsjahr 2009

Anrede,

ich möchte mich anhand von fünf Thesen mit dem vorliegenden Entwurf auseinandersetzen.

These 1:

Der 100-Tage-Fehlstart in die neue Wahlperiode hat bei  der Landesregierung offensichtlich eine nachfolgende Schockstarre ausgelöst. Der Haushalt 2009 ist ein Dokument des Stillstands und des Rückschritts.

Manchmal ist die Ursache eines Fehlstarts ein besonders ambitioniertes Drängen nach vorn und zum Sieg.  Dann konzentriert man sich beim zweiten Mal und startet durch. Manchmal ist die Ursache aber auch schlicht Erschöpfung. Darum handelt es sich offensichtlich bei der Landesregierung. Zumindest kann man diesen Eindruck bekommen, wenn man den vorliegenden Haushaltsentwurf auch in Verbindung mit dem Nachtrag 2008 und der Mittelfristigen Finanzplanung querliest.

Recht vielversprechend war ja für den oberflächlichen Betrachter die verbale Eroberung der Klimaschutzpolitik durch die Union.

Anrede,

der Höhepunkt dieses Vorgangs war die Krönung Ihrer Klimaqueen in Berlin. Ich habe noch nie eine Monarchie so schnell zusammenbrechen sehen wie diese. Sie haben noch nicht verstanden, dass man Dinge über die man spricht auch tun kann! Der Haushalt 2009 ist kein Klimaschutzhaushalt. Aktive Klimaschutzmaßnahmen kommen dort kaum vor.  Selbstverständlichkeiten werden angepriesen. Eine Vorreiterrolle wird nicht eingenommen. Die wenigen positiven Ansätze werden zigfach kompensiert durch überflüssige Pläne zum Bau von Kohlekraftwerken und Autobahnen. Das ist so, als würde jemand sein Wohnzimmer mit Energiesparlampen ausrüsten und es gleichzeitig mit einem elektrischen Heizlüfter beheizen.

Im Bildungsbereich gibt es viele Ankündigungen, aber für die drängensten Probleme gibt es nur unzureichende Notlösungen. Im Kitabereich beschränkt sich die Landesregierung auf das vom Bund initiierte Pflichtprogramm. Es wird gekleckert, statt wie erforderlich geklotzt. In der Schule versickern weiterhin wichtige Ressourcen in den uneffektiven Strukturen eines gegliederten Systems und die Unterrichtsversorgung wird wieder schlechter. Der Wechsel vom System des Aussortierens zu einer Strategie der individuellen Förderung kommt nicht voran. Das erkennbare Problem des künftigen Lehrermangels wird mit der vorgelegten Sparversion nicht gelöst. Das bereitgestellte Geld ist zu wenig und wird zudem noch durch den Aufbau unnötiger neuer Strukturen verschwendet.

Auch im Sozialbereich gibt es nicht nur Stillstand, sondern auch Rückschritt. Im Zuge der Debatte um die grassierende Kinderarmut waren zusätzliche Mittel zum Beispiel für ein warmes Schulmittagessen zur Verfügung gestellt worden. Nicht einmal dieser wenig ambitionierte Sozialfonds hat den Sprung ins neue Haushaltsjahr geschafft.

Der Einzelplan 20 wird in Bezug auf neue Investitionen zur Wüstung, während sich der Finanzminister im Landesliegenschaftsfonds und im Agrarstrukturfonds neue Juliustürme aufbaut. Nicht nur eine niedrige Nettoneuverschuldung, sondern auch die Investitionsquote im Land sagt etwas über die Qualität der Regierungspolitik aus.

Seit Jahren unbearbeitet ist die implizite und drastisch steigende Verschuldung des Landes durch die Pensionsverpflichtungen. Bis zum Jahr 2030 werden die Ausgaben von heute knapp 10 Prozent auf rund 14 Prozent des Haushaltsvolumens steigen. Eine finanzielle Vorsorge wurde verschlafen und ignoriert. Minimierungsbemühungen durch den verstärkten Einsatz von Angestellten blieben aus – im Gegenteil! Der Versorgungsfonds der Landesregierung wird – wenn er dann tatsächlich 2010 kommt –  zur Deckung der Ansprüche bereits Beschäftigter keinen Beitrag leisten. Hier gilt es, die jüngste beratende Äußerung des Landesrechnungshofes tabulos zu prüfen.

Anrede, der Haushaltsentwurf 2009 ist nicht zukunftsfähig.  Kommen Sie in die Gänge! Für ein Sabbatjahr ist eine Wahlperiode einfach zu kurz!

These 2:

Die dogmatischen und symbolträchtigen Politikziele eines Haushaltes ohne Neuverschuldung in 2010 und eines angeblich konsequenten Schuldenaufnahmeverbotes provozieren bei der Landesregierung einen tiefen Griff in die Trickkiste. So wird der Haushaltsentwurf 2009 zu einem fragwürdigen Dokument von Selbstbetrug und Wählertäuschung. Das entwertet die durchaus guten und anerkennenswerten Konsolidierungserfolge der Vergangenheit.

Wir reden über Vermögensverzehr, Schattenhaushalte und so genannte Rücklagen, die nichts anderes sind, als nicht aufgenommene Kredite.

Der Finanzminister weist immer wieder darauf hin, dass ein Landeshaushalt ebenso wie ein guter Privathaushalt geführt werden und mit seinen Einnahmen auskommen muss. Wie würde also die Lösung, die uns die Landesregierung jetzt unterjubeln will, bei Familie X aussehen:

Familie X hat einige Jahre über ihre Verhältnisse gelebt und ein ordentliches Schuldenpolster bei Lieferanten und Banken. Weil das nicht so weiter gehen kann, verkündet Vater X als Finanzvorstand vor dem Familienrat: Im nächsten Jahr wollen wir nicht mehr Schulden machen, als wir in dem Jahr tilgen müssen. Jetzt habe ich aber festgestellt, dass unsere Ausgaben immer noch 10.000 € höher sein werden als unsere Einnahmen. Trotzdem soll sich unser Schuldenstand nicht erhöhen. Ich habe da auch eine Lösung:

Ich verkaufe meine Krügerrand-Goldmünzen. Die bringen 2000 €. Außerdem verkaufen wir unseren Zweitwagen an unsere Tochter. Die benutzt das Auto sowieso am meisten. Um es zu bezahlen nimmt sie ein Darlehen auf. Das bringt 3000 €. Und schließlich: Als wir letztes Jahr in Urlaub wollten und etwas klamm waren, hatte unsere Bank uns doch einen zusätzlichen Überziehungskredit von 5000 € eingeräumt. Den haben wir nicht gebraucht, weil Mutter das Geld in der Spielbank gewonnen hatte. Die 5000 € nehmen wir jetzt in Anspruch und schon kommen wir ohne neue Schulden aus.

Anrede,

mit fünf zusätzlichen Nullen an den Beträgen im Beispiel sind wir beim Konzept der Landesregierung.

Für den nicht unwahrscheinlichen Fall, dass in darauf folgenden Jahr das Problem wieder auftritt, hat Vater X übrigens auch schon eine Lösung. Dann verkauft Familie X ihr Eigenheim und mietet es vom Käufer wieder zurück. Solange kann sie dann auch noch mit der überfälligen Erneuerung der Heizungsanlage warten!

Vor diesem Hintergrund kann man auch die Propaganda der Landesregierung um ein Schuldenaufnahmeverbot nicht mehr ernst nehmen. Das betrifft auch die Ablehnung eines konjunkturell atmenden Haushaltes im Rahmen einer Schuldenbremse. Obwohl wirksame Lösungen nur auf der Verfassungsebene möglich sind, verweigern Sie die Zusammenarbeit. Ihr angekündigter Alleingang über die Landeshaushaltsordnung (LHO) ist ein Papiertiger. Damit sollten Sie das Parlament nicht belästigen.

Die Mehreinnahmen von 2006 bis 2008 betragen rund 5,7 Mrd. €. Wenn man diesen Betrag einmal als Spannbreite der Konjunkturkurve zugrunde legt, müsste die Landesregierung zu ihrem Handlungsbedarf von 1 Mrd. von den Einnahmen 2008 noch einmal rund 2 Mrd. € zurücklegen, um für das nächste Konjunkturtal gerüstet zu sein. Ganz zu Schweigen von diversen Haushaltsrisiken, wie zum Beispiel den absurden Steuersenkungsplänen der CSU.

These 3:

Im Bestreben um die Konsolidierung des Landeshaushaltes vernachlässig die Landesregierung die Struktur- und Finanzprobleme der Kommunen. Der Haushaltsentwurf 2009 ignoriert den kommunalpolitischen Handlungsbedarf. Er löst die Zusagen der Regierungserklärung nicht ein.

Die Kommunen sind Teil des Landes und von ihm abhängig. Von einer Konsolidierung des Landeshaushaltes kann deshalb auch erst gesprochen werden, wenn dies auch für eine große Mehrheit der Kommunalhaushalte gilt. Trotz erheblicher, konjunkturell bedingter Einnahmeverbesserungen dauert die kommunale Finanzkrise an. Mit 4,2 Mrd. € haben die niedersächsischen Kommunen bundesweit die zweithöchste unzulässige Verschuldung mit Kassenkrediten.

Mit dem Konzept der zweistufigen Landesverwaltung ist die Landesregierung auf halbem Wege stehen geblieben. Aufgabenoptimierungen, die sich daraus ergeben, können nicht genutzt werden, da die Struktur und Leistungsmöglichkeiten der kommunalen Ebene dies in vielen Fällen nicht hergeben. Für die Verbesserung der Situation hat das Regierungslager keine Konzeption. Selbst um die Hilfe für Kommunen, die freiwillig fusionieren wollen, gibt es Streit zwischen Regierung und Fraktion, obwohl entsprechende Zusagen in der Regierungserklärung enthalten sind. Veranschlagt sind lediglich ein paar Euro für die Beratung. Für eine Altschuldenhilfe, ohne die weitere Fusionen kaum zustande kommen werden, sollen die Bedarfszuweisungsmittel und damit der kommunale Topf herhalten. Selbst wenn man diese reine Mittelumschichtung im kommunalen Topf akzeptieren würde, wäre das angesichts der Erwartungen der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein.

Und dann war da noch die Wunderwaffe Modell-Kommunen-Gesetz. Hier offenbart sich ein meteorologisches Phänomen. Beim Unterschied zwischen gemessener und gefühlter Temperatur sprechen die Experten von Windchill. Ein Megachill ergibt sich jedenfalls, wenn man den Wind, den das Regierungslager um dieses so genannte Entbürokratisierungsgesetz gemacht hat, mit den tatsächlichen Ergebnissen vergleicht, die mit dem wissenschaftlichen Statusbericht im Juni vorgelegt wurden.

These 4:

Der Haushaltsentwurf 2009 gibt keinen Aufschluss über ein konzeptionelles, langfristiges und nachvollziehbares Beteiligungsmanagement. Das wirtschaftliche Engagement der Landesregierung ist bestimmt von tagespolitischer Spontaneität und populistischen Hauptwindrichtungen.

Es ist nachvollziehbar, dass sich der Anspruch einer großen Volkspartei, möglichst nicht größere Wählergruppen zu verprellen, nicht immer verträgt mit der dogmatischen Privatisierungsideologie der FDP.  Aber dass man diesen Disput in der Regierungserklärung nur einer Scheinlösung zugeführt hat und nun mit allen seinen Unsicherheiten durch die Wahlperiode schleppt, ist den betroffenen Menschen in Niedersachsen nicht zuzumuten. Das Agieren der Landesregierung in Sachen VW, Nord/LB und anderen ist gelinde gesagt verbesserungsfähig.

Lassen sie mich auch das Beispiel DEWI ansprechen. Hier soll ein Dienstleister in Sachen Windkraft verkauft werden. Er sichert den Wettbewerb im Zertifizierungssektor, verbessert wirtschaftliche Rahmenbedingungen durch Normung und sorgt dafür, dass notwendige Forschung nicht unter die Räder des allgemeinen Anwendungsbooms gerät. Warum soll es an diesem Unternehmen kein Landesinteresse mehr geben. Und wie unterscheidet es sich vom Interesse des Landes Autos zu bauen, Stahl zu kochen und Bankdienstleistungen anzubieten.

Die Süddeutsche Zeitung analysiert die Strategie des Ministerpräsidenten als entschlossenes "Er will, er will nicht, er will”¦" und über so wegweisende Aussagen wie "Wenn wir müssten, könnten wir”¦" kann man nur staunen.

These 5:

Die Bilanzen im Haushaltsentwurf 2009 lassen sich verbessern; durch zusätzliche Einnahmen und stärkere Ausgabenreduzierungen, auf die die Landesregierung verzichtet hat.

Hier werden wir über Verbesserungen bei der Steuerprüfung, diverse Vorschläge des Landesrechnungshofes, Subventionskürzungen und vieles andere mehr zu sprechen haben. Aber das ist die Detail-Diskussion die wir in den Fachausschüssen führen müssen und werden.

Anrede,

ich habe Ihnen hier unsere Kritik am Haushaltsentwurf 2009 dargestellt.

In der weiteren Debatte werden wir Ihnen Vorschläge machen, wie diese Kritik ausgeräumt werden kann:

Wie aus einem Haushalt der Stagnation ein Jahresplan für eine nachhaltige Entwicklung, neue Bildungschancen und verbesserte Teilhabe werden kann, ohne Ausweitung der Nettokreditaufnahme.

Wie man den Grundsatz der Haushaltswahrheit ernst nimmt und wie man mit Elementen des Bürgerhaushaltes die Menschen beteiligen und ihnen Haushaltsnotwendigkeiten erklären kann, statt sie mit verschleiernder Symbolpolitik und Schattenhaushalten für dumm zu verkaufen.

Wie man den niedersächsischen Kommunen verlässliche Orientierung und Hilfe für die notwendige Neuaufstellung geben kann, statt sie mit einem Hü und Hott-Kurs zu verunsichern.

Wie ein stabiles Beteiligungsmanagement aussehen kann und wie dieses Landesvermögen dauerhaft Politikgestaltung absichert, statt in Haushaltslöchern zu verschwinden.

Anrede, wie in den letzten Jahren können Sie sich darauf verlassen, dass es seriöse, realpolitische Vorschläge sein werden mit realistischem Deckungsvorschlag. Die Errichtung von Wolkenkuckucksheimen überlassen wir anderen.

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