Rede Hans-Joachim Janßen: Aktuelle Stunde (SPD) zu Antibiotikaresistenz

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

Bakterienresistenzen gegenüber Antibiotika stellen ein weltweites und gravierendes Problem dar. Eine Studie im Auftrag der britischen Regierung hat im Mai dieses Jahrs auf die Folgen hingewiesen: danach sterben weltweit rund 700.000 Menschen jährlich an multiresistenten Keimen. Geht die Entwicklung so weiter würden danach die Todeszahlen auf bis zum 10-fachen Wert im Jahre 2050 ansteigen können. Ich werde den Focus jetzt auf Maßnahmen im Bereich der Tierhaltung legen.

Bei Tieren und auf dem Fleisch lassen sich Bakterien mit Resistenzeigenschaften nachweisen. Beim direkten Umgang sowohl mit Tieren in der Tierhaltung als auch mit Fleisch können diese Bakterien übertragen werden. Landwirte haben ein hohes Risiko mit entsprechenden Bakterien (MRSA) besiedelt zu sein da der direkte Kontakt zwischen Mensch und Tier die wesentlichste Ursache für die Übertragung ist.

Die Bedeutung von Resistenzen aufgrund von Antibiotikaeinsatz in der Veterinärmedizin ist grade im letzten Jahr besonders deutlich geworden: Zunächst wurde in China ein gegen Colistin resistenter Bakterientypus bei Hühnern und Schweinen entdeckt. Durch Nachforschungen wurde das Resistenzgen mittlerweile weltweit nachgewiesen – bei Tieren und Menschen. Und nicht nur bei E-Coli-Bakterien, sondern auch in anderen Arten von Enterobakterien. Colistin ist nun aber ein Antibiotikum, was praktisch nur in der Tiermedizin eingesetzt wird, weil es für den Menschen mit erheblichen Nebenwirkungen verbunden ist. Für den Menschen gilt es als Reserveantibiotikum, das erst dann eingesetzt wird, wenn anderes nicht mehr hilft. In der Tiermedizin ist der Einsatz umfänglich, auch in Deutschland. Stellt sich die Frage: Wie kommt das Resistenzgen in E-Coli Bakterien des Menschen? Die Lösung ist eigentlich ganz einfach, macht aber die Wechselwirkung von Bakterienresistenzen zwischen Tieren und Menschen schlagartig deutlich: Das Resistenzgen fand sich nicht nur im Chromosomensatz der Tierbakterien, sondern auch im Zellplasma. Bakterien tauschen Plasmide auch über Artgrenzen hinweg aus. Das heißt: Resistenzen, die bei Bakterien von Nutztieren auftreten, können über Plasmide auf Bakterien, die Menschen besiedeln, übertragen werden und hier zu Resistenzen führen. Die Übertragung ist nicht nur auf harmlose Darmbakterien, sondern auch auf Krankheiterreger möglich, wie ein Fall aus den USA im Mai dieses Jahrs zeigte.

Meine Damen und Herren, diese Dramatik ist nicht zu überschätzen. Was bislang ein Verdacht war, wurde hier bestätigt und kann jederzeit wieder aufteten.

Daraus folgt: Wir müssen den Verbrauch an Antibiotika auch zum Schutz des Menschen in der Veterinärmedizin so gering wie möglich halten und Reserveantibiotika – also die Antibiotika, die eingesetzt werden können, wenn Standardmittel nicht mehr wirken – ausschließlich dem Menschen vorbehalten.  

Niedersachsen hat ganz erhebliche Erfolge in der Reduzierung der Antibiotika im Nutztierbereich aufzuweisen. Das kommt nicht von ungefähr. Das Antibiotikaminimierungskonzept bei Tierarzneimitteln ist zwar vom Bund bei der Arzneimittelgesetznovelle 2013 verabschiedet worden, aber unter deutlichem Druck der Länder und vor allem aus Niedersachsen. Und es ist ein gutes und wirksames Gesetz geworden, das zudem in Niedersachsen unter Minister Meyer konsequent umgesetzt wird. Bei jedem Betrieb wird die Therapiehäufigkeit halbjährlich abgefragt. Liegt die Therapiehäufigkeit im oberen Viertel aller abgefragten Betriebe, muss ein Maßnahmenplan gemeinsam mit dem Tierarzt erstellt werden. Und es ist gut und richtig, dass das Laves personell aufgestockt wurde, um bei diesem Maßnahmeplan Hilfestellung zu geben. Hier wurde eine fachkompetente Landesinstitution geschaffen, die sich schwerlich jeder Landkreis hätte zulegen können. Der Erfolg in der Antibiotikareduzierung ist überwältigend. Seit 2014 - also seit Inkrafttreten der AMG Novelle – wurde die Therapiehäufigkeit in Niedersachsen bei Mastschweinen um 57%, bei Masthühnern um 32% und bei Mastputen um 45% reduziert.

Das ist ein gemeinsamer Verdienst von Landwirtinnen und Landwirten, den hinzugezogenen Tierärztinnen und Tierärzten und den Mitarbeitern des Laves. Der Zielwert -50% bis 2018 ist in greifbarer Nähe; ein Ziel, dass 2013 noch als völlig utopisch galt.

Und Niedersachsen unterstützt gute Ideen: Durch Einrichtung der Webseite „Aniplus“ wird Landwirten erstmals die Möglichkeit gegeben, sich online selbst ein konkretes, auf ihren Betrieb individuell zugeschnittenes Maßnahmenpaket zur Tiergesundheit zusammen zu stellen. Sind die Tiere gesund, kann der Einsatz von Antibiotika reduziert werden. Die Federführung hat das Agrar- und Ernährungsforum Oldenburger Münsterland e.V. Das Land Niedersachsen fördert das Projekt maßgeblich.

Was jedoch noch nicht gelungen ist: Reserveantibiotika allein dem Humansektor vorzubehalten. Fluorchinolone, eine Gruppe der bedeutendsten Reserveantibiotika, stagnieren auf hohem Niveau – mit all den Risiken, die ich eingangs beschrieben habe. Hier gilt weiter die Forderung des Landes an den Bund, die Verwendung von Reserveantibiotika in der Tierhaltung stark zu beschränken und einzelne Antibiotika ausschließlich für die Humanmedizin vorzusehen.

Gemeinsam mit den Anstrengungen in der Humanmedizin muss es uns auch in der Veterinärmedizin gelingen, Antibiotikaresistenzen zu vermeiden. Wir sind in Niedersachsen auf einem guten Weg, brauchen aber auch eine Bundesregierung, die konsequent handelt und Antibiotika definiert, die ausschließlich dem Menschen vorbehalten bleiben.

Vielen Dank!

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