Rede Hans-Albert Lennartz: Verwaltungsreform der Landesregierung zwischen Gefälligkeitsgutachten und Ignoranz!

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Rede zu Top 3c der Tagesordnung der 40. Sitzung im 15. Tagungsabschnitt des niedersächsischen Landtags am 15.09.04
Aktuelle Stunde

Verwaltungsreform der Landesregierung zwischen Gefälligkeitsgutachten und Ignoranz!

Das Motto der Landesregierung "Wahrheit und Klarheit".
Bei der Verwaltungsreform: Fehlanzeige!
Herr Minister,
Ihre Tricksereien bei der Präsentation der Einspareffekte der Verwaltungsreform im Juni haben Argwohn in der Öffentlichkeit ausgelöst.
"Niemand darf sich deshalb jetzt wundern, wenn jede Zahl kritisch hinterfragt wird." (Kommentar, NWZ vom 7.8.04)
Der Landesrechnungshof hat dies in einem internen Papier getan. Wir kennen es nicht, aber offensichtlich haben Sie es. Denn warum hätten Sie sonst in direktem zeitlichen Zusammenhang am 3.8. eine Gegenexpertise in Auftrag gegeben, für 10.000 Euro?
Obwohl die Stellungnahme am 9.8. einging, erklärte Ihr Ministerium am gleichen Tag, Ergebnisse lägen noch nicht vor.
Zwei Tage später ließen Sie erklären, der Auftrag an Professor Homburg umfasse auch die "gutachterliche Begleitung des Reformprozesses in den nächsten Wochen ..., im übrigen bestätige das Gutachten die Berechnungsmodalitäten des Innenministeriums."
Obwohl die Mitglieder des Haushaltsauschusses am 25.8.04 einstimmig beschlossen haben, sich das Gutachten von der Landesregierung zur Einsichtnahme vorlegen zu lassen, verweigern Sie die Vorlage des Gutachtens. Warum?
Was haben Sie zu verbergen?
Die Beauftragung von Prof. Homburg ist - unabhängig von seiner fachlichen Kompetenz, die wir nicht in Zweifel ziehen- um so delikater, als er dem persönlichen Beraterkreis des Ministerpräsidenten angehört. Nach Aussage von Herrn Wulf sei dieser Beraterkreis –früher "Futureminds", jetzt "bodenständiger "Zukunft Niedersachsen" genannt, ungewöhnlich erfolgreich. Ihm sei "auch der Wahlsieg und die erfolgreiche Arbeit der neuen Landesregierung zu verdanken." (rundblick vom 13.9.)
Klassischerweise werden in Demokratien Wahlsiege einer Mehrheit der WählerInnen verdankt. Herr Ministerpräsident: Ihre Ausführung sind übrigens ein wichtiges Argument für den Erhalt der Landeszentrale für politische Bildung in Niedersachsen. Sonst glauben in Zukunft womöglich noch Leute, dass man nur einen Beraterkreis schaffen müsse um Wahlen zu gewinnen.
Die Delikatesse im hier behandelten Zusammenhang: Man gehört zum Beraterkreis des Ministerpräsidenten. Der hat Dank abzutragen; wie macht er das? Nur ein warmer Händedruck?
Zurück zur Kostenrechnung:
Wir haben auch noch mal nachgerechnet: In Ihrer Gesetzesfolgenabschätzung zum Gesetzentwurf 15/1121 (Abschaffung der Bezirksregierungen), die in 2005 Einsparungen von 0,5 Mio. Euro erbringen soll, haben Sie zwei große Positionen aufgenommen, die mit dem Gegenstand des Gesetzentwurfs nichts zu tun haben:
700 Stellen aus dem Geschäftsbereich des MWK, die im Zusammenhang mit dem sog. HOK eingespart werden sollen sind veranschlagt. Sie stehen jedoch in keinerlei Zusammenhang mit der Verwaltungsreform, sondern sind reines Personalabbauprogramm im Bereich der niedersächsischen Hochschulen.
Ebenso verhält es sich im Bereich des Finanzministeriums, von wo insgesamt 1.455 Stellen beigesteuert werden. Auch hier handelt es sich um Projekte in der Steuerverwaltung und im Baumangement, die in keinerlei Verbindung zur Abschaffung der Mittelinstanz in Niedersachsen stehen.
Zieht man die unzulässig berücksichtigten Positionen ab, so ergibt sich für 2005 kein Plus von 0,5 Mio. oder gar, wie Sie ursprünglich behauptet hatten von 36,5 Mio., sondern es ergibt sich ein Minus von 10,42 Mio. Euro.
Hätten Sie korrekter weise die tatsächlich mit der Abschaffung der Bezirksregierungen im Zusammenhang stehenden Kosten der Polizeireform eingerechnet, ergäbe sich ein weiteres beträchtliches Minus.
Wir stellen fest: Mit Ihren Tricksereien diskreditieren Sie die Verwaltungsreform. Was Sie machen, ist insoweit jedenfalls nicht mutig, sondern unseriös.

Anrede,
Herr Prof. Hesse aus Berlin hat Ihnen in der Anhörung des Innenausschusses bestätigt, Ihre Reform sei mutig. Er hat sich allerdings nicht mit der Gesetzesfolgeabschätzung befasst. Er hat aber zusätzliche Komponenten für die Verwaltungsreform gefordert. Zum einen hat er Ausgleichsbedarf auf der kommunalen Ebene definiert. Im Klartext geht er davon aus, das im Gefolge der Verwaltungsreform eine Kreis- und Gebietsreform in Niedersachsen notwendig ist.
Sie wissen, das dies unsere Position ist. Insofern fühlen wir uns durch die Stellungnahme des Sachverständigen bestätigt. Im Unterschied zu unserer Position meint Hesse, dass die Kreis- und Gebietsreform allerdings in einem mittelfristigen Zeitraum erfolgen muss und nicht bereits jetzt.
Und zweitens fordert er Ergänzungsbedarf bei den Regierungsbüros. Insbesondere fordert er die Zuweisung "harten" Kompetenzen.
Auch damit liegt er auf gleicher Linie wie wir, oder auch wie die Strukturkonferenz Oldenburg, ein Zusammenschluss der Landräte verschiedener Landkreise, die in einem kürzlichen Schreiben an Sie, Herr Innenminister, dringend gefordert haben, dass die Kommunalaufsicht (Genehmigung von Haushalten) nicht zentral im Ministerium, sondern dezentral in den Regierungsbüros erfolgen möge. Das haben Sie nicht gemacht. Was haben Sie aus den Anhörungen gelernt? Statt Regierungsbüros Regierungsvertretungen und sonst? Alles Ignoranz!
Herr Meierding hat es unfreiwillig auf den Punkt gebracht: "Regierungsbüro. Das ist Hannover in Oldenburg". Für manche in Oldenburg eine Schreckensvorstellung. Statt regionaler Bündelung und Interessenausgleich bzw. regionale Interessenwahrnehmung auch gegenüber der Landesregierung das Regierungsbüro als Trojanisches Pferd.

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