Rede Hans-Albert Lennartz: Sachliche Zuständigkeit der Polizeibehörden muss gesetzlich geregelt werden
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Rede zu Top 5 und 6 der Tagesordnung der 40. Sitzung im 15. Tagungsabschnitt des niedersächsischen Landtags am 15.09.04
"Entwurf eines Gesetzes zur Umorganisation der Polizei und zur Änderung dienst- und personalrechtlicher Bestimmungen"
und zum Entschließungsantrag
"Sachliche Zuständigkeit der Polizeibehörden muss gesetzlich geregelt werden."
Anrede,
Die Neuordnung der Polizei ist mehr als ein organisatorischer Vorgang und hat erhebliche Auswirkungen. Die Polizei wird eine eigenständige, abgeschottete, hierarchisch durchstrukturierte Sonderverwaltung unter parteipolitischer Führung. Das bedeutet die vollständige Abkehr von der traditionellen Eingliederung der Polizei in die allgemeine Verwaltung.
Die Polizei bildet künftig eine geschlossene Gesellschaft. Es gibt bis zur Leitung des Ministeriums keinen unabhängigen zivilen Beamten mehr. Unser Leitbild der Bürgerpolizei steht auf dem Spiel.
Anrede,
die von den Fraktionen der CDU und der FDP vorgelegte Gesetzesfolgeabschätzung/Kostenabschätzung der Umorganisation kommt zum Ergebnis, dass Gesamtkosten von 8,3 Mio. Euro entstehen werden. Wir halten diese Zahl für weitaus zu tief gegriffen. Nach unseren Berechnungen werden Kosten von 12,5 Mio. Euro anfallen, die merkwürdigerweise aber nicht im Kontext der Gesetzesfolgeabschätzung zu Gesetzentwurf 15/1121 (Abschaffung der Bezirksregierung) eingerechnet werden.
In unserer Kritik sehen wir uns bestätigt durch die gerade gestern eingetroffene Stellungnahme des Landesrechnungshofes.
Die zusätzlichen Kosten sollen offensichtlich die Polizeibeschäftigten mit finanzieren durch die Wiedereinführung der dreigeteilten Laufbahn in Niedersachsen. Dagegen wehren wir uns vehement. Wenn Sie wirklich sparen wollten, dann würden Sie nicht 7 Polizeidirektionen, sondern lediglich 4 schaffen. Es hätte gereicht, die Polizeidirektionen Hannover und Braunschweig auszubauen und zusätzlich in Oldenburg und Lüneburg Polizeidirektionen zu schaffen. Die Aufgaben der sog. funktionellen Direktion, insbesondere die Bereitschaftspolizei hätten bei der Polizeidirektion Hannover, die Aufgaben der Wasserschutzpolizei bei der Polizeidirektion Oldenburg ressortieren können.
In Ihrer jetzigen Vorlage des Gesetzentwurfs, sind die Zuordnungen der Polizeiinspektionen Nienburg und Schaumburg zu Göttingen, sowie der Polizeinspektionen Aurich, Leer und der kreisfreien Stadt Emden zu Osnabrück fehlerhaft. Ohne die gewaltsame Zuordnung der letztgenannten Inspektionen zur Polizeidirektion Osnabrück gäbe es keine Berechtigung für die Schaffung einer Polizeidirektion Osnabrück.
Aus unserer Sicht ist es ein fataler Fehler, dass Sie den Anlass der Neuorganisation der Polizei nicht mit einer Aufgabenkritik verbunden haben. Im Rahmen dieser Aufgabenkritik wäre zu prüfen gewesen, an welchen Stellen man polizeiliche Tätigkeit auf ihre sinnvollen Kernbereiche reduzieren kann. In diesem Kontext wäre zu prüfen gewesen, ob bspw. die Verkehrsunfallaufnahme weiterhin von der Polizei wahrzunehmen ist, es wäre zu prüfen gewesen, ob Polizeieinsätze bei privaten Großveranstaltungen weiterhin notwendig sind. Es hätte nach unserer Auffassung auch geprüft werden müssen bzw. das Polizeigesetz vom Dezember des vergangenen Jahres korrigiert werden können, in dem der dort wieder aufgenommene Ordnungsbegriff entfernt worden wäre. Auch das würde Entlastungen für polizeiliche Arbeit in den Kernbereichen bringe. Statt dessen überfrachten Sie die Polizei mit zusätzlichen Aufgaben.
Völlig neu ist die Zuständigkeit der Polizei für Hoheitsangelegenheiten, für die allgemeine Gefahrenabwehr, für Brand- und Katastrofenschutz. Der Staat tritt als Polizei auf. Dazu gehören u.a. das Melderecht und das Versammlungs- und Demonstrationsrecht. Die Freiheit sich zu bewegen und seine Meinung zu äußern ist ein fundamentales Recht in einer Demokratie. Protestumzüge sind für jede Regierung fast immer ein Ärgernis. Auch hier geht es nicht um die Frage, ob die Polizei auf dem Boden Grundgesetzes steht, sondern es geht um Abwägungen von Freiheit und Sicherheit und um Ermessensausübung, weder aus parteipolitischer noch rein polizeilicher Sicht.
Auch die Neugliederung der Inspektionen ist ein Problem. Sie realisieren eine weiter gehende Zentralisierung. Sie heben die Einräumigkeit zwischen Polizeiorganisation und kommunaler Gebietskörperschaft auf. In Zukunft wird nicht mehr jeweils eine Polizeiinspektion für einen Landkreis oder eine kreisfreie Stadt zuständig sein. Darüberhinaus werden im Zuge der Neugliederung eine Reihe von Kommissariaten zu Polizeistationen abgestuft, mit der Folge, dass dort kein "Rund-um-die-Uhr-Dienst" mehr stattfinden wird. So sieht also Ihre Stärkung der ländlichen Räume aus!
Anrede,
ein besonderes Problem sehen wir in der im Gesetzentwurf vorgesehenen Streichung der §§ 88, 89 und 90, die bislang die Zuständigkeiten der Polizeibehörden regeln. Das die auf die Bezirksregierungen bezogenen Regelungen aufgehoben werden, liegt auf der Hand, denn diese wollen Sie ja abschaffen. Aber dass die Zuständigkeiten des Landeskriminalamtes und der neuen Polizeidirektionen nicht mehr gesetzlich wie bisher üblich und wie unseres Erachtens verfassungsrechtlich geboten im Gesetz, sondern auf dem Verordnungswege definiert werden sollen, das kann nicht hingenommen werden.