Rede Hans-Albert Lennartz: Polizeireform und ihre Auswirkungen

Anrede,

Ihre Methode ist offensichtlich, wer viele Fragen stellt, kriegt noch mehr Antworten, allerdings auch manchmal falsche!

Zum Beispiel bei der ersten Frage "wie viele Einstellungen wurden insgesamt zu den Stichtagen 1.4.2004 ”¦ bis 1.10. 2006 vorgenommen?

Ihre Antwort: "Da wir auch bereits in 2003 Einstellungen vorgenommen haben, haben wir diese hinzugefügt."

In Frage 2 fragen wir nach dem Ausscheiden zu den gleichen Stichtagen.

Da bleiben Sie die Antwort für das Jahr 2003 schuldig.

Das ist doch keine seriöse Rechnung! Wie sollen wir den Saldo berechnen, wenn Sie für 2003 – ungefragt – nur den für Sie positiven Teil beantworten.

Nach der Beantwortung der großen Anfrage lautet mein Fazit Ihrer Polizeireform:

Es lebe die Organisation.Hoch lebe die Zentralisierung. Bürgernähe? Nachrangig!

Anrede,

im Folgenden will ich das an einigen Beispielen begründen:

Innerhalb von zwei Jahren wollen Sie die Vollzugsstärke in den Polizeibehörden um "rund 475" erhöht haben (Vorbemerkung, Seite 3).

Rechnet man Ihre Zahlen nach, kommt man auf 450 Stellen, es ergibt sich also eine Differenz von 25 Stellen.

Ihre Antwort ist falsch, mindestens aber unpräzise.

Aber Sie sprechen ja selbst davon, dass Ihre Antworten nur als vorläufige Zwischenbilanz zu lesen seien (Vorbemerkung Seite 2)

Stichwort Bürgernähe:

Besonders interessant sind die Angaben zur Personalstärke (Frage 3, Seiten 8-10) und zu den Flächenstärken (III. Seite 22ff):

Insgesamt haben die großen städtischen Polizeidirektionen Braunschweig und Hannover zum Teil erheblich abgeben müssen (Braunschweig 105, Hannover 71,5), während die vier neu gebildeten Polizeidirektionen profitiert haben. Offensichtlich – so muss man Ihre Zahlen doch verstehen – sind die Ballungsräume Braunschweig und Hannover kriminalgeografisch weniger stark belastet als andere, eher flächengeprägte Regionen in Niedersachsen.

Schaut man sich die Personalverteilung in den Polizeiinspektionen bzw. deren Untergliederungen - früher selbstständige Polzeiinspektionen – an (vergl. Tabelle Seite 8ff b), dann gibt es in 21 Bereichen Zuwächse, aber in 28 Bereichen Stellenverluste.

Fazit: Kleinere Einheiten verlieren, größere gewinnen.

Das zeigt das Beispiel der Polizeiinspektion Salzgitter: der Landkreis Peine verliert 22, der Landkreis Wolfenbüttel verliert 20 Stellen, Salzgitter hat einen Zuwachs von 39 Stellen.

"Ein Hoch der Zentralisierung"!

Ob die Zahlen im Einzelnen stimmen, wissen wir nicht definitiv. Wir haben zumindest angesichts einer konkreten Falschaussage Zweifel inwieweit sie insgesamt stimmen. Denn für die Polizeiinspektion Hameln-Pyrmont ist die von Ihnen angegebene Größenordnung unzutreffend. Nach Ihrer Aussage ist dort ein Verlust von 5 Stellen zu verzeichnen, nach meiner Information sind es 20 Stellen.

Schaut man sich die Polizeistärken in den Polizeistationen an, also den Einheiten, die unmittelbar vor Ort die AnsprechpartnerInnen der Bürgerinnen und Bürger sind (Tabelle c, Seite 10), dann sind dort vom 1. April 2004 bis zum 1.10.2006 insgesamt 83 Stellen abgezogen worden.

Fazit: Je weiter entfernt vom Bürger, umso mehr Polizei.

Nächstes Beispiel. Eine für Bürgernähe sehr bedeutsame Kategorie ist die Verstärkung des Einsatz- und Streifendienstes, nach der wir in Frage 4 gefragt haben.

Auf den ersten Blick ergibt sich ein Zuwachs. Insgesamt 114 Stellen sind ausweislich Tabelle 2, Seite 11 hinzugekommen.

Wenn man davon ausgeht, dass 12 Personen benötigt werden um einen Streifenwagen rund um die Uhr zu betreiben, so lassen sich mit Ihrer Verstärkung nicht einmal 10 zusätzliche Streifenwagen landesweit betreiben. Das ist doch ein jämmerliches Ergebnis!

In interessantem Kontrast dazu steht die Ausstattung des Landespolizeipräsidiums im Innenministerium (Abschnitt IV, Frage 3, Seite 34ff).

Während die frühre Abteilung "Öffentliche Sicherheit und Ordnung" über 79 Stellen verfügte, umfasst das Landespolizeipräsidium jetzt 97 Stellen. Das sind 18 Stellen mehr als früher.

Auffällig ist auch, dass ein deutlicher Zuwachs an hoch dotierten Stellen erfolgte:

B2, 5 statt 2

A15, 9 statt 4

A14, 6 statt 4

Fazit: Mehr Häuptlinge, weniger Indianer.

Anrede,

eine letzte Bemerkung zur Zentralisierung der Notrufe (Fragen 10 und 11, Seiten 41ff)

Aus Ihrer Sicht ist das kein Problem.

Bei einer GdP-internen Umfrage bei Beschäftigten des Einsatz- und Streifendienstes und der Leitzentralen beteiligten sich 476 Befragte, das waren 53% aller Befragten. Davon waren 2/3 der Auffassung, dass die Zentralisierung Nachteile habe bzw. zu Problemen führe.

Sie und Ihre Häuptlinge kennen die Stimmungslage und die Probleme vor Ort nicht!

Ihre Polizeireform hat mehr Schatten als Licht.

Die Organisation steht im Zentrum. Das zusätzliche Personal ist falsch verteilt worden.

Die Bürgerinnen und Bürger haben keinen Sicherheitszugewinn, weil die Polizei nicht vor Ort gestärkt wurde.

Korrekturen sind notwendig: Die Polizeistationen müssen mehr Personal bekommen.

Die Präsenz der Polizistinnen und Polizisten vor Ort ist entscheidend, nicht der in den Amtsstuben.

Zurück zum Pressearchiv