Rede Hans-Albert Lennartz: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung verfassungs- und geheimschutzrechtlicher Vorschriften

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Anrede,
Sie sagen, die vorgesehenen Änderungen dienten vornehmlich der Umsetzung des Terrorismusbekämpfungsgesetz des Bundes (Sicherheitspacket II) in Landesrecht.
Verräterisch allerdings ist schon die Formulierung in der Begründung des neuen Gesetzentwurfs: "Insbesondere durch die Novellierung ... soll dem Niedersächsischen Landesamt für Verfassungsschutz an modernes, an die heutige Gefahrenlage angepasstes Verfassungsschutzgesetz an die Seite gestellt werden."
Klassisch wird einer Behörde nicht ein Gesetz an die Seite gestellt, sondern das Gesetz ist das Fundament für behördliches Tätigwerden.
Was wollen Sie ändern?
Ich will hier und heute nur einige wenige Punkte, die ich für besonders gravierend halte, ansprechen. Aber im Vergleich zur Novelle des Niedersächsischen Gefahrenabwehrgesetzes, die wir eben behandelt haben, setzt dieser Entwurf noch eins drauf in punkto Einschränkung der Bürgerrechte.
Zu §3: Wer entscheidet darüber, welche Gruppen vom Verfassungsschutz beobachtet werden sollen?
Bisher der Innenminister, nach Ihrem Gesetzentwurf, der Präsident des Landesamtes. Das nenne ich erfolgreiche Deregulierung!
Der Entwurf des Gesetzes geht in §5a über die im Bundesverfassungsschutzgesetz definierten Befugnisse im Hinblick auf Auskunftsrechte hinaus. In Zukunft sollen Kreditinstitute, Finanzdienstleister und Finanzunternehmen auskunftspflichtig gegenüber dem Landesamt sein. Das bisherige Ergebnis der Schleppnetzfahndung in der Welt der Banken wird im zuständigen Bundeswirtschaftsministerium fast wie ein Staatsgeheimnis gehütet. 4935,75 € sind laut Bundesbank identifiziert worden, unter Effizienzgesichtspunkten hat sich die entsprechende Regelung als totaler Flop erwiesen. Es ist nicht nachvollziehbar, wieso eine entsprechende Regelung in das Niedersächsische Recht aufgenommen werden soll.
Meine Damen und Herren der FDP-Fraktion: Hier hätten sie eingreifen sollen!
Ein besonders gravierender Tatbestand findet sich in §6 des Verfassungsschutzgesetzentwurfes. Erstmals soll der verdeckte Einsatz besonderer technischer Mittel zur akustischen und optischen Überwachung in Wohnungen zugelassen werden. Diese Regelung erlaubt intensivste Grundrechtsangriffe bis in den Kernbereich der Privat- und Intimsphäre hinein. Es handelt sich um einen besonders schwerwiegenden Eingriff in das Recht der betroffenen Bürgerinnen und Bürger auf informationelle Selbstbestimmung. Die im Entwurf enthaltene Befugnis zur technischen Wohnraumüberwachung geht weit über die bundesrechtlichen Vorschriften hinaus. Noch gravierender ist schließlich, das derartige Überwachungen auch in Wohnungen von Personen zulässig wären, gegen die kein Verdacht einer verfassungsfeindlichen Betätigung besteht.
Massivsten Bedenken unterliegt auch die in §6 Absatz 12 des Gesetzentwurfs vorgesehene Nutzung des so genannten IMSI-Catcher. Der Einsatz dieses Instruments bewirkt, das alle eingeschalteten Handys aller im Zweifel rechtstreuen Bürgerinnen und Bürger im Überwachungsbereich vom Gerät ein"gefangen" werden, denn es simuliert die echte Basisstation.
Eine ganze Reihe weiterer problematischer Änderungen, wie beispielsweise die Absenkung des "Erfassungsalters" Jugendlicher von 16 auf 14 Jahre, die Verlängerung der Speicherung von 10 auf 15 Jahre. Die vorgesehene Befugnis der Ausländerbehörden zur Datenübermittlung an das Landesamt halte ich ebenfalls für problematisch, will sie aber nur nennen um dann im zuständigen Ausschuss in den Beratungen später darauf zurück zu kommen.
Sie ändern auch das Niedersächsische Sicherheitsüberprüfungsgesetz mit Verweis auf notwendige Anpassungen an das Terrorismusbekämpfungsgesetz des Bundes. Eingeführt werden soll insbesondere der sogenannte vorbeugende, personelle Sabotageschutz. Danach sollen Personen, die an sicherheitsempfindlichen Stellen innerhalb lebens- oder verteidigungswichtigen Einrichtungen beschäftigt sind oder werden sollen, einer einfachen Sicherheitsüberprüfung unterzogen werden. Lebenswichtige Einrichtungen sind nach ihrer Definition "Unternehmen der Daseinsvorsorge" wie Wasser- und Energieanlagen sowie Banken und Unternehmen, die für das Funktionieren des Gemeinwesens notwendig sind wie Telekommunikation, Bahn und Post".
Schon jetzt gibt das Land für das Landesamt für Verfassungsschutz ca. 13 Millionen Euro pro Jahr aus. Eine Umsetzung des von Ihnen geplanten Sicherheitsüberprüfungsgesetzes wird eine Kostenexplosion auslösen, da die von Ihnen als lebenswichtig definierten Unternehmen, man denke nur einmal an die Bahn und an die Post, erhebliche zusätzliche Anforderungen auslösen werden. Warum sind nicht auch Unternehmen wie Aldi lebenswichtig, stellen sie doch für einen nicht unbeträchtlichen Teil der Bevölkerung die Lebensmittelsubsistenz sicher?
Wir halten den Weg, den sie einschlagen, für falsch. Nicht nur wegen der Schwere der Eingriffe, die in Ihrem Entwurf vorgesehen sind und zum Teil noch die bundesgesetzliche Regelung übertreffen würden, sondern auch weil es derzeit in erster Linie um etwas anderes gehen muss. Es muss um die Überprüfung der vorhandenen Strukturen des Bundesamtes für Verfassungsschutz und der Landesämter gehen. Es muss insgesamt darum gehen, die Geheimdienste zu überprüfen und zu Strukturveränderungen zu kommen. Das Scheitern des NPD-Verbotsverfahrens ist auch als Scheitern der derzeitigen Form der Zusammenarbeit der Verfassungsschutzämter in Deutschland zu verstehen.
Es gilt das gesprochene Wort

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