Rede Hans-Albert Lennartz: Aktuelle Stunde - Verwaltungsreform
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Einstürzende Neubauten auf der Baustelle Verwaltungsreform. - Landesregierung düpiert Kommunen und Beschäftigte
Anrede,
Wenn Sie, Herr Minister, in die niedersächsische Geschichte eingehen sollten, dann als der Mann mit der Abrissbirne, aber nicht als der Architekt einer modernen Verwaltungszukunft.
Ihr Ziel war und ist, die Bezirksregierungen abzuschaffen. Auf dieser Baustelle haben Sie jetzt zur Kenntnis nehmen müssen, dass das ein kompliziertes Unterfangen ist, vor allem aber liegt die Kunst darin, die Verwaltungsstruktur nach den Bezirksregierungen intelligent zu planen und zu realisieren. Und da hapert es gewaltig.
Sie versprechen ein "Gesamtkonzept für eine zweistufige Verwaltung in Niedersachsen".
Die Zukunft sieht anders aus: "Der grundsätzlich zweistufige Behördenaufbau wird sich beim LAVES nicht in vollem Umfange erreichen lassen ...". Nicht anders sieht es aus bei der Übertragung der Wirtschaftsförderung aus den Bezirksregierungen auf die N-Bank, bei der Organisation der Polizei und beider Organisation der Umweltverwaltung im Bereich des MLWK.
Anrede,
noch wichtiger, vor allem aber noch unseriöser sind Ihre Rechenkunststückchen. Mit der Abschaffung der Bezirksregierungen wollen Sie 1.350 Stellen in der Landesverwaltung erwirtschaften. In Wirklichkeit erreichen Sie ein Einsparvolumen von 656 Stellen, nämlich 326 durch Wegfall von Aufgaben bspw. durch die Abschaffung des Widerspruchsverfahrens, mit dem Sie "den Zugang zu den Gerichten erleichtern" wollen. Und durch eine so genannte Optimierung, die aber nirgends präzise erläutert wird, wollen Sie 330 Stellen erwirtschaften. Die übrigen Kontingente, die Sie durch Privatisierung, Kommunalisierung und Übertragung von Aufgaben auf Dritte (Kammern) schaffen wollen, sind Scheinbuchungen.
Eine Ihrer Kernbotschaften war und ist, dass das Zusammenwirken von Land und Kommunen künftig von einer ausgeprägten Vertrauenskultur getragen werden wird. Die Kommunen können von der Ernsthaftigkeit dieser Ansage ein Liedchen singe. Konnexität ist versprochen, die Verabschiedung des heute anstehenden Aufnahmegesetzes spricht eine andere Sprache. Die Umorganisation der Schulen in Niedersachsen und die zum Teil immensen Kosten, die auf den Schulträger zukommen, sprechen eine andere Sprache.
"Aufgaben des Landes werden daher, soweit es möglich ist und mit den zur Aufgabenerfüllung notwendigen Finanzmitteln, auf kommunale Körperschaften übertragen." Tatsächlich werden von den 740 Aufgaben, die aufgabenkritisch untersucht und bewertet wurden, 73, also weniger als 10% auf die Kommunen übertragen. Die dafür benötigten 185 Stellen rechnen Sie als entbehrlich. Obwohl sie doch mit auf die Landkreisebene übertragen werden müssen.
Meine Damen und Herren, stellen Sie sich vor: "Das Land wird auch künftig in der Fläche weiter ansprechbar sein" sagt der Innenminister. Das ist aber freundlich. Und dazu schafft das Land anstelle der Bezirksregierungen so genannte Regierungsbüros, man könnte auch sagen "ständige Vertretungen", die die Kommunen beraten, sich besonders für Aufgaben des Konfkliktmanagements eignen, vor allem aber keine Aufsichtsfunktionen und auch keine Genehmigungsfunktionen erhalten Wie sollen mit solchen Einrichtungen regionale Interessen gebündelt werden? Die Wahrnehmung dieser Büros durch die regionalen Akteure wird sein: "war schön mal darüber geredet zu haben, im Ernstfall direkter Draht ins jeweilige Fachministerium". Statt die Leistungsfähigkeit der Landkreise in Niedersachsen zu homogenisieren und im Rahmen einer Gebiets- und Funktionalreform auf neue Herausforderungen einzustellen wird Ihre Reform dazu führen, das die starken Landkreise wie bisher "ihr Ding machen", während die schwächeren "hinten runter fallen".
Eine weitere bemerkenswerte Fehlentwicklung ihrer so genannten Reform ist, dass in Zukunft die Ministerien verstärkt operative Aufgaben wahrnehmen müssen, weil die Mittelbehörden abgeschafft werden, Sie nicht genügend an Aufgaben auf die Kommunen übertragen und Sie mit den so genannten Regierungsbüros keine adäquate Auffanglinie im Gefolge der Bezirksregierungen schaffen wollen. Die spezifischen Aufgaben von Ministerien sind,
 die ressortspezifische Politik zu definieren und strategische Ziele zu setzen,
 Vermittlung und Sicherung der Umsetzung der strategischen Ziele bzw. ihre Erreichung,
 die optimale Verarbeitung von Informationen und deren Auswertung.
Wenn in Zukunft bspw. im Innenministerium die Genehmigung von Haushalten der Landkreise und großen kreisfreien Städte erfolgt, so wünschen wir Ihnen viel Vergnügen. Auch für die Dienstbesprechungen mit den 55 kommunalen Ausländerbehörden wünschen wir Ihnen im Ministerium viel Vergnügen.
Quintessenz Ihres Fehlgriffs ist, dass Verwaltung in Niedersachsen in Zukunft auch auf der operativen Ebene durch die Ressorts und die ihnen nachgeordneten zentralen Landesämter wahrgenommen wird, das also keine vergleichbar bestehende Quervernetzung der Verwaltung feststellbar ist. Konflikte zwischen den Ressorts werden Sie dann im Kabinett zu lösen haben.
Anrede,
eine noch völlig unbeantwortete Frage liegt im Bereich der Personalwirtschaft. Sie, Herr Meyerding haben ja kürzlich den bemerkenswerten Satz geprägt: "Ich kann mir vorstellen, dass ein Oberförster in Zukunft als Justizwachtmeister arbeitet". Für solche einfühlsamen Aussagen lieben die Beschäftigen der niedersächsischen Landesverwaltung Sie. Ja warum soll auch nicht der durch eine mehrjährige fachspezifische Ausbildung und im Zweifel langjährige berufliche Praxis hochqualifizierte Oberförster in Zukunft die Aktenwägelchen in einem Gericht hin und her transportieren?
Auch eine weitere Aussage von Ihnen löst Freude aus: "Ab 55 ist man nicht mehr vermittelbar". Da haben Sie ja gerade noch Glück gehabt, dass Sie rechtzeitig zum Staatssekretär ernannt wurden.
Ein letzter Punkt darf nicht fehlen: Ihr Zeitplan. Man kann ihn ambitioniert nennen, man kann ihn aber auch – und das glaube ich ist zutreffender- unseriös nennen. Der Ansatz Ihres Ministerpräsidenten, der schon häufig in punkto Gesetzgebungsverfahren im vergangenen Jahr widerlegt wurde, war "Gründlichkeit vor Schnelligkeit". Glauben sie ernsthaft, dass dieser Grundsatz mit Ihrem Zeitplan für die gesetzlichen Änderungen, die zur Abschaffung der Bezirksregierungen und dem Aufbau von Nachfolgestrukturen erforderlich sind, realistisch ist?
Meine vorläufige erste Bilanz Ihres Baustellenkonzepts: das Einzige was Sie erreichen wollen und vermutlichen werden, ist die übereilte Abschaffung der Bezirksregierungen. Die neue Verwaltung Niedersachsens dagegen ist ein potemkinsches Dorf!