Rede Gerald Heere: Aktuelle Stunde (FDP) zur Erbschaftsteuer

- Es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren,

die nach dem Verfassungsgerichtsurteil notwendige Reform der Erbschaftssteuer ist für Niedersachsen ein wichtiges Thema, geht es hier doch um mindestens 300 Millionen Euro an Einnahmen. Aber Sie, liebe FDP, gehen dieses Thema - mal wieder - von der völlig falschen Seite an. Finanzpolitik ist kein Selbstzweck, wo man einfach mal pauschal sagen kann: runter mit den Steuersätzen, weitere Ausnahmen, weniger Einnahmen, nach mir die Sintflut! So geht das nicht!

Stattdessen muss vor der Frage über der Zukunft der Erbschaftsteuer - gleiches gilt für die Vermögenssteuer - doch bitte zunächst die Frage nach den zu finanzierenden Aufgaben gestellt werden. Ich nenn mal einige Beispiele aus verschiedenen Themenfeldern. Zum Thema Sicherheit zitiere ich aus aktuellem Anlass den Chefredakteur der Braunschweiger Zeitung: „Zugleich müssen die Sicherheitsbehörden den radikalen Kräften auf den Leib rücken, koste es, was es wolle. Personalnot darf nicht zum begrenzenden Faktor unserer Sicherheit werden.“

Oder ich nenne das Thema Flüchtlinge, wo wir uns alle gemeinsam mehr Geld wünschen für Sprachkurse und Integrationsmaßnahmen, für eine menschenwürdige Unterbringung und die Unterstützung der Kommunen bei der Bewältigung dieser humanitären Aufgabe vor Ort.

Oder das beliebte Thema Infrastruktur, wo wir gigantische Investitionsbedarfe für den Erhalt der Verkehrsinfrastruktur, für Energiesparmaßnahmen und die Energiewende sowie für den Ausbau des Breitbandinternets haben.

Und ganz besonders das Thema Bildung, in dem die entscheidenden Weichen für die Zukunft unseres Landes gestellt werden. Wir müssen die Qualität von Bildung auf allen Eben heben, brauchen noch mehr Engagement bei der Ganztagsschule, zusätzliche Stellen für SozialpädagogInnen und Psychologen, der Krippenbereich ist weiter auszubauen sowie Forschung und Entwicklung als entscheidende Faktoren für die zukünftige wirtschaftliche Dynamik zu stärken.

Für all diese Punkte finden Sie eine außerordentlich breite Mehrheit in diesem Haus - das belegen diverse Pressemitteilungen aus allen Fraktionen - und eine große Mehrheit in der gesamten Gesellschaft. Und wenn wir das gesamtgesellschaftlich wollen, dann müssen wir uns fragen, wie wir das alles finanzieren. Überschlägig kommen wir bei den genannten Punkten schnell in den Bereich von einer Milliarde Euro pro Jahr. Wir Grüne beschäftigen uns intensiv mit der Frage der Gegenfinanzierung. Nur das ist seriöse Finanzpolitik!

Sie - liebe Opposition - setzen hingegen auf die Schraubzwinge, die den Staat schon 15 Jahre ausgequetscht hat wie eine Zitrone, oder Sie retten sich in Schattenhaushalte, PPP-Projekte und dubiose Maut-Experimente! Das kann nicht funktionieren! Wer unter den Bedingungen der Schuldenbremse zusätzliche staatliche Anstrengungen begründet einfordert, muss auch zusätzliche Steuermittel bereitstellen. Und deshalb ist es ein Gebot der Ehrlichkeit, den SteuerzahlerInnen zu sagen: für die genannten Aufgaben benötigen wir von Euch mehr Geld - aber nicht, indem man z.B. die Mehrwertsteuer anhebt und damit alle trifft, sondern sozialverträglich über die Besteuerung hoher Vermögen!

Genau dies ist durch die richtige Ausgestaltung von Erbschafts- und Vermögenssteuer möglich. Dazu braucht man auch gar nicht die Steuersätze erhöhen, wie es die FDP in ihrer Überschrift suggeriert. Es reicht, wie es uns das Verfassungsgericht aufgibt, die Ausnahmetatbestände nicht mehr einfach mit der Gießkanne über bis zu 90% der Steuerpflichtigen zu verteilen. Stattdessen müssen die Ausnahmen zielgerichtet auf den Einzelfall, zielgerichtet auf Klein- und Mittelständige Unternehmen konzentriert werden. Denn eins ist uns wichtig: Arbeitsplätze, die dauerhaft für Produktivität und Steuereinnahmen in Niedersachsen sorgen, wollen wir selbstverständlich erhalten!

Nicht erst Piketty lehrt uns: Die Schere zwischen Arm und Reich ist in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten stark auseinander gegangen. Bereits ein Drittel des gesamten Vermögens gehört nur einem Prozent der Bevölkerung, während 50% über kein nennenswertes Vermögen verfügen. Gleichzeitig tragen hohe Vermögen immer weniger zur Staatsfinanzierung bei. Es ist nicht gerecht, wenn der Erbe eines millionenschweren Aktienpakets keine Steuern zahlen muss, obwohl er die Steuer leicht aufbringen könnte. Mit der zielgenauen Ausgestaltung von Erbschaft- und Vermögensteuer können wir diese Entwicklung korrigieren. Und dabei nicht vergessen: Wir finanzieren damit nicht irgendwas, sondern wichtige Aufgaben in den Bereichen wie Infrastruktur und vor allem Bildung, über die wir uns gesamtgesellschaftlich in hohem Maße einig sind.

Vielen Dank!

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