Rede Georgia Langhans: Handlungskonzept: Zwangsheirat ächten - Zwangsehen vorbeugen

...

Anrede
Zwangsheirat in Deutschland, in Niedersachsen- das war bisher vor allem eines – ein Tabuthema. Über die Ausmaße von Zwangsheiraten existieren weder in Deutschland noch in Niedersachsen belastbare Zahlen. Die aktuellsten Zahlen stammen aus Berlin, der Berliner Senat veröffentlichte für das Jahr 2002 die Zahl von 230 Zwangsverheiratungen.
Von der Polizei in Celle weiß ich von über 200 Frauen, die in letzten fünf Jahren von Zwangsheirat bedroht waren. Wobei die Dunkelziffer in allen Fällen vermutlich um ein Vielfaches höher liegt. Allein diese spärlichen Zahlen zeigen, dass Abhilfe geschaffen werden muss.
Wenn den Opfern von Zwangsheirat aber besserer Schutz gewährt werden soll, wenn vorbeugende und unterstützende Maßnahmen angeboten werden sollen, dann ist es zunächst notwendig Informationen zu haben, Informationen über die Hintergründe und Ursachen ebenso wie über die Situation der Betroffenen. Vor diesem Hintergrund verstehen wir unseren Antrag als wichtigen Schritt dieses bedrückende Thema aufzugreifen und den Handlungsbedarf zu verdeutlichen.
Anrede
Von Zwangsheirat reden wir dann, wenn die Zustimmung zu einer Heirat nur unter massiven Druck oder Androhung von Gewalt- bis hin zu den so genannten Ehrenmorden – erfolgt. Die Umstände, die zu einer Zwangsheirat führen können, sind von außen schwierig zu erkennen und fließende Übergänge sind möglich. Wenn beispielsweise zunächst einer arrangierten Ehe zugestimmt wird und erst nach einiger Zeit Zweifel aufkommen dann kann dem Druck der Familie häufig nicht Stand gehalten werden und das trifft besonders auf Minderjährige zu. Dann wird aus einer arrangierten Ehe sehr schnell eine Zwangsehe.

Anrede
Betroffen von Zwangsheirat sind im Übrigen nicht nur hier geborene oder lebende Frauen sondern auch Frauen und Mädchen, die durch Heiratsmigration hier her kommen.
Anrede

Um es deutlich zu betonen Zwangsheirat ist keine Frage der Religion sondern ist durch traditionell patriarchalisch, verfestigte Familienstrukturen geprägt. Und Zwangsverheiratung ist keine private oder kulturelle Angelegenheit, sondern eine schwere Menschenrechtsverletzung, die schärfstens geächtet werden muss.
Die rot-grüne Koalition hat im vergangenen Jahr einen Gesetzentwurf eingebracht, der Zwangsheirat als einen besonders schweren Fall von Nötigung ins Strafgesetzbuch aufnimmt. Dieser Gesetzentwurf ist einstimmig im Bundestag verabschiedet worden. Die Tragödie der Zwangsheiraten lässt sich allerdings nicht allein mit juristischen Mitteln beenden, zumal die Beweisführung im familiären Umfeld oft schwierig und für alle Beteiligten belastend bleiben wird.

Anrede
Gut ist, dass die bereits im letzten Jahr gestartete bundesweite Kampagne " Stoppt Zwangsheirat" von Terre des Femmes einen Stein ins Rollen gebracht hat, und überall Stimmen laut geworden sind, die von weiteren Fällen berichten und die steigende Brisanz dieses Problems bestätigen. Nur das Aushängen eines Plakates der Kampagne hat in Celle dazu geführt, dass sich allein im Januar bereits 3 junge Frauen um Hilfe an die Polizei gewandt haben. In diesem Zusammenhang begrüßen wir die heute bekannt gewordene Initiative der Sozialministerin, die schon bevor unser Antrag eingebracht wird einen Teil dessen ankündigt.

Anrede,

Wir brauchen in Niedersachsen ein Handlungskonzept zum Thema Zwangsheirat, dass zunächst das Ausmaß ermittelt und notwendig eine intensive Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit beinhaltet und Fortbildungsangebote im Rahmen der Prävention bietet. Über eine Schulversäumnisanzeige könnte beispielsweise jungen Mädchen geholfen werden, die zu Hause eingesperrt sind. Die Zusammenarbeit zwischen Polizei, Jugendhilfeeinrichtungen Ärztinnen, Krankenhäusern und der Dialog mit Migrantinnenorganisationen muss intensiviert werden. Immer wieder passiert es, dass Väter oder Brüder die Polizei um Hilfe bitten, weil ihre Tochter bzw. Schwester angeblich Opfer einer Entführung geworden sei. In diesen Fällen wäre es hilfreich zu wissen ob nicht eher eine Flucht vor der Zwangsehe dahinter steckt.
Anrede
Leider legitimiert die Ehre und das Ansehen der Familie- in den Augen vieler Eltern- sehr oft, dass gegenüber den eigenen Töchtern Gewalt ausgeübt wird. Sie sind Morddrohungen ausgesetzt müssen mit Verschleppungen ins Herkunftsland der Eltern rechnen und haben bereits zu Hause häufig massive Gewalt erfahren.
Ob Frauen und junge Mädchen sich gegen eine erzwungene Ehe auflehnen hängt sicher von ihrer Erziehung und Sozialisation ab. Das wird auch ein Grund dafür sein, warum sich immer mehr junge Frauen gegen das ihnen zugedachte Schicksal wehren. Je früher also von Zwangsheirat bedrohte Frauen erfahren, dass es sich dabei nicht um eine Privatangelegenheit, sondern um eine Straftat handelt und es Hilfsangebote gibt, desto eher steigen ihre Chancen einer Zwangsverheiratung zu entgehen. Wir glauben, dass die Unterstützung einer Kampagne gegen die Zwangsheirat durch Migrantenselbstorganisationen und religiösen Gemeinschaften besonders geeignet ist zu einem Bewusstseinswandel innerhalb der eigenen Gemeinschaft beizutragen.
Anrede,
Im Zusammenhang mit Zwangsheirat ist insbesondere die ausländerrechtliche Situation für Frauen, die im Ausland zwangsverheiratet wurden zu verbessern, denn bislang erlischt das recht auf Wiederkehr bereits nach sechs Monaten. Hier sehen wir dringenden Handlungsbedarf.

Anrede,
es gibt Stimmen, dass die Zahl der Zwangsheiraten in der dritten Migrantengeneration auf Grund fehlgeschlagener Integrationsmaßnahmen weiter zunimmt.
Die Verfassung verlangt die Freiheit und Unantastbarkeit der Würde jedes Menschen. Diese Grundsätze werden verletzt, wenn Frauen und Mädchen gegen ihren Willen verheiratet werden. Deshalb müssen wir handeln. Nur wenn Frauen mit ihren Problemen nicht allein gelassen werden gibt es die Chance zu einer wirklichen Integration von Migrantinnen beizutragen.

Zurück zum Pressearchiv