Rede Gabriele Heinen-Kljajic: Kahlschlag statt Konzept - Stratmann bei der Kulturförderung orientierungslos!

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Dr. Gabriele Heinen-Kljajić (GRÜNE):
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das, was wir im Moment erleben, ist nicht mehr und nicht weniger als die Verabschiedung dieser Landesregierung aus der Verantwortung für den nichtstaatlichen Kultursektor.
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)
Verloren gehen wird dabei nicht nur eine Vielzahl von Einrichtungen in freier Trägerschaft, sondern verloren geht dabei auch die Glaubwürdigkeit dieser Landesregierung; denn die Halbwertszeit der Postulate in Sachen Kultur lässt für die Verlässlichkeit dieser Landesregierung nur Böses befürchten.
Nehmen wir das Beispiel Koalitionsvertrag! Da ist noch großartig die Rede davon, eines der prioritären Ziele sei die Stärkung des ländlichen Raumes. Jetzt heißt es in Sachen Kultur: Wir sind nur noch zuständig für die Finanzierung der Leuchttürme. - Damit sind gemeint die staatlichen Einrichtungen wie Staatstheater und Landesmuseen, die sich bekanntlich in Großstädten befinden, aber nicht im Land.
Noch im Mai letzten Jahres hat Minister Stratmann wie ich finde, völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass im Bereich der freien Kultur die Einsparpotenziale für den Landeshaushalt in keinem Verhältnis stehen zu dem Schaden, den diese Kürzungen vor Ort bei der Grundversorgung mit Kultur anrichten würden. Das heißt, Minister Stratmann: Das was Sie im Moment an Kürzungen planen, das planen Sie wider besseren Wissens.
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)
Ein weiterer Widerspruch: Sie wollen nur noch Kultur mit überregionalem Stellenwert fördern. Gleichzeitig soll aber mit den Landschaften das Element der Regionalität gestärkt werden. Wie, bitte schön, wollen Sie das noch miteinander in Deckung bringen? Außerdem kann man sich die Frage stellen: Welches Geld sollen die Landschaften nach den von Ihnen geplanten Kürzungen dann überhaupt noch verteilen?
Und von der FDP ist außer der Forderung, dass auch die Staatstheater mit in die Kürzungen einbezogen werden müssen, eigentlich auch nicht viel zu hören, obwohl sie doch erst jüngst Kultur als neues Profilierungsgebiet entdeckt hatte.
Das heißt: Statt einer kulturpolitischen Debatte, die wir anscheinend, jedenfalls nach dem Beitrag meiner Vorrednerin, auch leider hier und heute nicht führen können, erleben wir allerorten nur Konfusion. Stattdessen bräuchten wir eigentlich ganz dringend diese kulturpolitische Debatte; denn es geht hier um mehr als nur um Kürzungen bei einzelnen Haushaltstiteln.
Das, was wir hier im Moment erleben, ist ein echter Paradigmenwechsel; denn die Landesregierung kündigt einen Konsens auf, einen Konsens, den wir in jahrzehntelangen Debatten erreicht haben, der nämlich besagt, dass das Land, die Kommunen und die freien Träger gemeinschaftlich auf gleicher Höhe partnerschaftlich für die Grundsicherung in Sachen Kultur in diesem Lande zuständig sind. Stattdessen propagieren Sie jetzt neuerdings die Privilegierung der Landesbetriebe.
Es geht also gar nicht mehr nur um ein Mehr oder Weniger an Kulturförderung oder an Kulturangeboten, sondern um die Glaubwürdigkeit einer Politik, die seit Jahren auf aktivierenden Staat, Bürgergesellschaft und Bürgerengagement setzt, was ja auch Sie an anderen Stellen tun. Der Staat braucht aber diese Ressourcen der Zivilgesellschaft als Kooperationspartner, weil wir mit eigenen Mitteln längst keine ausreichende Versorgung mehr sicherstellen können. Das gilt auch für den Bereich Kultur.
Das heißt, Sie zerschlagen mit Ihren Kürzungen Strukturen, die wir eigentlich gerade wegen der Lage der öffentlichen Kassen stärken müssten, statt sie zu reduzieren.
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)
Schlimmer noch: Zur Rechtfertigung Ihrer Sparpolitik unterstellen Sie den freien Trägern Schwächen dort, wo ihre eigentlichen Stärken sind, gerade im Vergleich zu staatlichen Institutionen. Minister Stratmann behauptet, ein Großteil der Mittel der Kulturförderung würde gar nicht der Kultur selbst zugute kommen, sondern würde fließen in Bürokratie und Lobbyismusarbeit der Verbände. Dann frage ich mich: Wieso haben Sie das nicht vorher moniert? Schließlich müssen die Landesverbände jährlich ausführliche Berichte über ihre Mittelverwendung vorlegen. Die belegen übrigens genau das Gegenteil.
Wenn man das Kriterium "ein Minimum an Bürokratie" schon als Messlatte anlegt ich will erst einmal auch gar nicht abstreiten, dass das sinnvoll ist , warum setzt man dann gleichzeitig die größten Kürzungen bei der LAG Soziokultur an, deren Modell der beliehenen Unternehmerschaft bundesweit als das Modell für effektive Mittelverwendung gehandelt wird?
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)
Ein letztes Wort, apropos Lobbyarbeit: Das, was Sie, Herr Minister Stratmann, als Lobbyarbeit bezeichnen und das wissen Sie auch , ist in Wahrheit nichts anderes als Fachberatung und Fachbildung für Einrichtungen und Verbandsmitglieder, von der die Qualität der Kulturangebote doch nur profitiert. Das kann doch eigentlich nur im Landesinteresse sein.
Wir fordern Sie deshalb auf, Minister Stratmann: Hören Sie auf mit dem Versteckspiel, und legen Sie endlich konkrete Zahlen auf den Tisch. Hören Sie auf damit, eine Zweiklassenkultur zu propagieren: auf der einen Seite die staatlichen Einrichtungen, auf der anderen Seite die freie Kultur, für deren Zukunft wir nicht mehr zuständig sind.
Und hören Sie auf mit Ihren unhaltbaren Unterstellungen. Kommen Sie zurück zu einer sachlichen kulturpolitischen Debatte, an deren Ende aus unserer Sicht als Ergebnis nur stehen kann: die Rücknahme des Mittelkahlschlags bei der freien Kultur. - Danke schön.
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

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