Rede Gabriele Heinen-Kljajic: Haushalt 2010 - Wissenschaft und Kultur

Anrede,

der Haushalt 2010 ist aus hochschulpolitischer Sicht eine Fortschreibung struktureller Defizite schwarz-gelber Bildungsfinanzierung.

Nichts macht dies deutlicher als die anhaltenden Proteste der Studierenden, die zu Recht beklagen, dass die zentrale Ursache der Bologna-Probleme, nämlich die Unterfinanzierung der Hochschulen, bislang nicht angegangen wird.

Gleich nach Regierungsantritt 2003 wurden die Hochschulen mit 50 Mio. Euro zur Ader gelassen. Die Folgewirkung dieser Austrocknung der Hochschuletats, meine Damen und Herren von CDU und FDP, werden die Hochschulen auch 2010 wieder spüren.

Seit 2004 haben Niedersachsens Hochschulen in großem Umfang Studienplätze abbauen müssen, um sie dann nur drei Jahre später wegen des Drucks des bevorstehenden doppelten Abiturjahrgangs mit Hilfe von Bundesmitteln im Rahmen des Hochschulpakts wieder kurzfristig aufzubauen. Doch trotz kräftiger Unterstützung aus Berlin hat Niedersachsen heute immer noch 6,4 Prozent weniger Studienanfänger, als beim Regierungsantritt von Schwarz-Gelb im Jahr 2003.

Wenn 2011 zwei Abiturjahrgänge gleichzeitig vor unseren Hochschulen stehen, werden sich die schon heute viel beklagten Studienbedingungen noch einmal dramatisch verschlechtern. Doch die Warnungen der Hochschulleitungen, die beklagen, dass sie mit vorhandenen Raum- und Infrastrukturkapazitäten den bevorstehenden Studentenberg nicht werden meistern können, bleiben ungehört.

Meine Damen und Herren von CDU und FDP, auch im Haushalt 2010 lassen Sie die Hochschulen im Regen stehen, wenn es darum geht, für die Folgewirkungen des doppelten Abiturjahrgangs finanziell grade zu stehen. Ausbaden müssen das die Studierenden.

Anrede,

genau dieser Grundhaltung ist auch die Bologna-Reform zum Opfer gefallen. Es gibt zweifellos bei der Umsetzung eine Menge an Fehlern, die bei den Hochschulen zu suchen sind. Hier sind sicher vielerorts strukturkonservative Beharrungskräfte zum Tragen gekommen, die die Reformen als Angriff auf ihre langgehegte aber überholte Lehr- und Prüfungspraxis verstanden haben. Die Folgen sind hinlänglich bekannt. Aber der Kardinalfehler bei der Umsetzung der Bologna-Reform war der Umstand, dass die neuen Bachelor- und Master-Studiengänge von CDU und FDP als Sparmodell gefahren wurden. Sie haben gehofft, mit verkürzter Studiendauer Geld sparen zu können. Vor diesem Hintergrund war es nur folgerichtig, dass ausgerechnet Niedersachsen sich rühmt, die Reform besonders schnell umgesetzt zu haben. Solange Sie sich weigern, jenseits von Hochschulpakt und Exzellenzinitiative mehr Geld ins Hochschulsystem zu stecken, werden sie die Probleme an unseren Hochschulen – zu wenig Studienplätze, starre Curricula und eine insgesamt unzureichende Betreuung der Studierenden – nicht beheben können.

Der Versuch, Ihre Kürzungen der Hochschuletats durch Studiengebühren zu kompensieren, ist kläglich gescheitert. Umfragen belegen zweifelsfrei die abschreckende Wirkung der Campus-Maut. Nach der jüngsten HIS-Studie nehmen ein Drittel der Hochschulzugangsberechtigten kein Studium auf. Davon begründen 77 Prozent diese Entscheidung mit fehlenden finanziellen Voraussetzungen, 69 Prozent beziehen sich  ausdrücklich auf Studiengebühren. Und die Studierenden, die die Gebühren gezwungenermaßen zahlen, sehen zu Recht nicht ein, warum sie für immer schlechtere Studienbedingungen auch noch Geld zahlen sollen. Selbst hartgesottene Privatisierungsideologen wie Roland Koch in Hessen haben, ähnlich wie die CDU in Hamburg, Schleswig-Holstein oder dem Saarland, längst erkannt, dass die Idee mit den Studiengebühren in eine Sackgasse führt. An der Front der Befürworter des Bezahlstudiums wird es um Sie herum immer einsamer, Herr Minister Stratmann. Die Effekte sind angesichts eines zunehmenden Fachkräftemangels schlicht kontraproduktiv und machen jede Anwerbebemühung fürs Hochschulstudium zunichte. Schon heute sind wir ungeschlagener Meister beim Studierendenexport und unsere Studienanfängerzahlen steigen längst nicht in dem Maße, wie die Zunahme der Hochschulzugangsberechtigten das erwarten lassen würde. Im Bundesschnitt sind wir mit einer Studienanfängerquote von 30,6 Prozent weiter auf Platz 13 abgefallen. Je mehr Bundesländer die Studiengebühren wieder abschaffen, umso unattraktiver werden niedersächsische Hochschulen werden. Ihr Festhalten an den Studiengebühren ist damit nicht nur unsozial, sondern es wirft Niedersachsen im Wettbewerb um kluge Köpfe weiter zurück. 

Ein national und international wettbewerbsfähiges Bildungssystem ist nun mal nicht kostenneutral zu haben. Der heute auf Bundesebene diskutierte Kuhhandel,  mehr Bildungsausgaben des Bundes gegen weniger Steuereinnahmen des Landes, ist eine Milchmädchenrechnung, weil bestenfalls kostenneutral. Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz wird ein Bildungsentschleunigungsgesetz werden. Wir fordern statt dessen eine Stärkung der Einnahmenseite und ein breit angelegtes Bildungsinvestitionsprogramm, das die Abschaffung von Studiengebühren gegenfinanziert, das ein landeseigenes Stipendiensystem mit sozialer Komponente aufbaut, das die Studentenwerke stärkt und das 50 Mio. € in die Verbesserung der Lehre investiert. Zusätzlich schlagen wir für den VW-Vorab eine neue Förderlinie "Gute Lehre" vor. Nur so, meine Damen und Herren von CDU und FDP,  wird Niedersachsen den Abstand zu den leistungsstärksten Bundesländern aufholen können.

Auch die Haushaltsansätze im Bereich Kultur werden den aktuellen Herausforderungen nur bedingt gerecht und bieten wenig Neues. Ausgerechnet die Soziokultur, die am stärksten unter Ihrer Kürzungspolitik hat bluten müssen, haben Sie anders als andere Kulturbereiche bis heute nicht wieder aufgestockt. Dabei ist sie ein wichtiger Pfeiler der kulturellen Grundversorgung in der Fläche und macht es wie kein anderer Kulturbereich möglich, alle Schichten und Altersgruppen anzusprechen. Angesichts der demographischen Entwicklung brauchen wir sie dringender denn je.  Wir haben deshalb in unserem Haushaltsentwurf zusätzliche 500.000 € für die Soziokultur eingesetzt. Unter dem Stichwort Förderung der kulturellen Teilhabe haben wir desweiteren 1,5 Mio. € eingestellt, um u.a. eine Anreizfinanzierung für Museen zu schaffen, die gezielt eintrittsfreie Angebote für die Familien aufbauen sollen, die ohne gesonderte Programme nicht unbedingt den Weg in Museen finden würden. Auch die Fördermodalitäten für nicht-staatliche Theater halten wir für unzureichend, da jede Tarifrunde die versprochene Planungssicherheit zunichte macht – woran auch die Spenden-Anreizfinanzierung nichts ändern wird.

Anrede,

auch hier wird deutlich: Es geht dieser Landesregierung nicht um sinnvolle Lösungen oder die Korrektur falscher Entscheidungen, sondern es geht anscheinend nur darum, sich von einem Jahr zum nächsten durchzuwursteln.

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