Rede Gabriele Heinen-Kljajic: Gründung der European Medical School mit Medizinischer Fakultät an der Carl-von-Ossietzky-Universität Oldenburg
Landtagssitzung am 29.06.2011
Gabriele Heinen-Kljajic, MdL
Anrede,
Niedersachsen bildet im Bundesvergleich zuwenig MedizinerInnen aus. Bundesweit wird nur jede 5. Bewerberin wegen Studienplatzmangels zum Studium zugelassen, gleichzeitig beklagen wir aber einen Ärztemangel. Da ist die Schaffung einer medizinischen Fakultät im Nordwesten Niedersachsens folgerichtig.
Die EMS steckt in der Gründungsphase. Es gibt noch keine Rahmenvereinbarung zwischen der Universität Oldenburg und den einzelnen Krankenhausträgern. Und der Gründungsausschuss, der die Errichtung voranbringen soll, hat noch nicht getagt. Aber angesichts der hochkomplexen Struktur der European Medical School, scheint der Grundsatz "Gründlichkeit vor Schnelligkeit" wohl auch angebracht – auch wenn es wegen des Doppelten Abiturjahrgangs schade ist, dass die neuen Studienplätze nicht schon früher zur Verfügung stehen.
Auch ein Finanzierungsplan liegt bisher nicht vor. Damit ist die Befürchtung, dass die Gründung einer medizinischen Fakultät zu Lasten anderer Studiengänge gehen könnte, immer noch nicht ganz vom Tisch. Es ist zwar geplant, neben 31 Neuberufungen Lehrkapazitäten von 15 bestehenden Professuren der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultät, die in die Medizinische Fakultät wechseln sollen, durch 5 neue Professuren zu kompensieren. Aber außer der Ansage, man werbe zurzeit zumindest zur Finanzierung der klinischen Lehrstühle Stiftungsprofessuren ein, ist der Landesregierung weder zu entlocken, wie hoch die tatsächlichen Kosten sein werden, noch macht sie Angaben zur Höhe der Finanzhilfe des Landes. Für uns gilt an dieser Stelle weiterhin: Nur wenn die EMS ausreichend finanziert wird, kann sie ein Erfolg werden. Nur wenn ihre Gründung nicht zu Lasten anderer Fachbereiche geht, wird sie die Universität Oldenburg stärken.
Ärgerlich ist aus unserer Sicht, dass der damals zuständige Bundesgesundheitsminister Rösler keine Bachelor- und Master-Abschlüsse für die EMS-Studiengänge in Oldenburg zugelassen hat. Und das, obwohl die Uni dieses Pilotprojekt gerne als Profilierungsfeld genutzt hätte und obwohl der Wissenschaftsrat bereits seinen Segen gegeben hatte. Soviel zum Liberalen-Credo "Freiheit für die Hochschulen", liebe KollegInnen von der FDP. Aus schierem Opportunismus ist Ihr Minister vor der geballten Macht der Ärzte-Lobby eingeknickt.
Anrede,
warum soll ein Medizinstudium nicht auch in Bachelor- und Master-Strukturen möglich sein? In der Schweiz und in den Niederlanden funktioniert das längst. Auch für Bachelor-Abschlüsse gibt es in der Medizin Verwendung – vom Klinikmanagement über Assistenzdienste bis zur Pharmaindustrie. Da in Oldenburg jetzt nur auf Staatsexamen studiert werden kann, müssen Groningen und Oldenburg unterschiedliche Studienstrukturen aufbauen, die trotzdem noch so weit kompatibel sind, dass ein Studium an zwei Standorten möglich bleibt. Wer sich dann in Oldenburg für das Staatsexamen entschieden hat, aber später auch in Groningen einen Master-Abschluss machen will, wird sich durch ein mühsames Anerkennungsverfahren für die Zulassung zum Master quälen müssen, weil ihm der BA-Abschluss fehlt: soviel zum Thema zusammenwachsendes Europa.
Durch die Zweigleisigkeit bei den Studienabschlüssen hat das Modellprojekt an Reformpotential verloren. Wir hoffen, zukünftige GesundheitsministerInnen kommen in dieser Frage zu mutigeren Entscheidungen.