Rede Gabriele Heinen-Kljajic: Gesamtkonzept für die Lehrerinnen- und Lehrerbildung in Niedersachsen

Landtagssitzung am 28.09.2012

Gabriele Heinen-Kljajic, MdL

Anrede,

alle Fachdebatten zeigen: Nicht die Lehrerinnen und Lehrer an unseren Schulen sind gescheitert, sondern gescheitert sind die Strukturen, in denen sie ausgebildet werden und in denen sie arbeiten müssen. Viele internationale Vergleichsstudien belegen, es gibt sie, die Schule, die Kinder in ihrer Entwicklung individuell unterstützt, statt ihnen vorzugeben, wer wie was zu lernen hat und dabei viele Schülerinnen und Schüler auf der Strecke lässt. Dazu bedarf es allerdings einer Neuausrichtung – nicht nur des Schulsystems, sondern auch der Lehrerinnenbildung.

Ein zentraler Punkt dieser Neuausrichtung ist aus grüner Sicht der Wechsel von einer bisher schulformbezogenen Ausbildung, hin zu einer schulstufenbezogenen Ausbildung. Spätestens seit Einführung der Oberschulen ist der deutsche Sonderweg schulformbezogener Ausbildung auch in Niedersachsen ein Anachronismus. Diese Landesregierung bildet Studenten für Schularten aus, die es vermutlich in naher Zukunft gar nicht mehr geben wird. Nicht nur das eigens neu geschaffene Lehramt für Realschulen ist längst überholt.

Und bevor sie, liebe KollegInnen von CDU und FDP, jetzt einen verkappten Anschlag auf die Gymnasien wittern, nennen Sie mir einen Grund, weshalb ich für das individuelle Lernen mit zehn bis 15 jährigen Kindern an einer Hauptschule oder einer Oberschule andere Kompetenzen als Lehrer brauche, als an einem Gymnasium.

Es gibt keinen, es sei denn, man hält wie CDU und FDP an einem eliteverliebten Menschenbild fest, das Leistungsstarke nach dem Motto „nur das Beste für die Besten“ von  speziell ausgebildeten Lehrern unterrichten lässt. Das ist nicht unser Ansatz, zumal er die Ursache für das Scheitern unseres Bildungssystems ist. Wir wollen Lehrkräfte, die Lernen in heterogenen Gruppen ermöglichen und das Beste aus jedem einzelnen Kind herausholen.

Wir wollen Lehrerinnen und Lehrer, die für inklusives Lernen gewappnet sind, weil sich alle Lehramtsstudenten bereits im Studium mit dem Thema Sonderpädagogik befasst haben.

Ein weiterer Kernpunkt unseres Konzeptes ist die stärkere Fokussierung auf die berufspraktische Eignung. Der Beruf des Lehrers ist mit hohen Belastungen verbunden, deshalb ist es umso wichtiger, dass junge Menschen frühzeitig überprüfen können, ob sie für diesen Beruf geeignet sind. Aus diesem Grund wollen wir allen Lehramtsstudenten die Möglichkeit zu einem Eingangspraktikum vor Beginn des Studiums geben. Das bisher nur im Master vorgesehene Praxissemester wollen wir bereits im Bachelor-Studium einbauen. Alle Praxisphasen müssen vorbereitet, begleitet und ausgewertet werden. 

Am Ende der Bachelorphase soll ein Assessment durchgeführt werden, das den Studierenden eine Empfehlung bezüglich ihrer Stärken und Schwächen und damit letztlich ihrer Eignung für den Lehrerberuf mit auf den Weg gibt. Ohne diese Möglichkeit der professionell begleiteten Selbsteinschätzung macht die Idee des polyvalenten Bachelors überhaupt keinen Sinn. Wer nach diesem Assessment immer noch entschlossen ist, Lehrer zu werden, dem muss der Zugang zum Master ermöglicht werden. Hier setzen wir auf Motivation und Selbstreflexion statt auf Noten, die nichts über die Eignung aussagen.

Um Motivation und Engagement junger Lehrkräfte nicht gleich nach dem Sprung ins kalte Wasser des Schulalltags verpuffen zu lassen, wollen wir für die ersten drei Berufsjahre ein Beratungs- und Unterstützungsangebot aufbauen. Ansonsten soll zukünftig auch für Lehrerinnen und Lehrer gelten: Berufsbegleitende Fort- und Weiterbildung ist für alle verpflichtend. Neue Erkenntnisse der Lernforschung oder die Anwendung neu entwickelter Lehr-Lern-Konzepte sollten alle Lehrerinnen und Lehrer kennen. Die Schulen sind mit entsprechenden Haushaltsmitteln auszustatten.

Womit wir bei der dritten Kernaussage unseres Konzepts wären: Wir wollen die  Lehrerbildung aus einem Guss. Alle drei Phasen, die universitäre Ausbildung, der Vorbereitungsdienst am Studienseminar und die berufsbegleitende Weiterbildung

sollen enger zusammen gebunden werden. Das bisherige Nebeneinander der jeweils zuständigen Einrichtungen behindert gegenseitigen Austausch und Rückkopplung zwischen Theorie und Praxis und erschwert einen zeitnahen Wissenstransfer aus der Forschung in die Schule.

Deshalb wollen wir an den Universitäten „Zentren zur Professionalisierung der LehrerInnenbildung“ gründen. Diese Zentren sollen zum einen die Kooperation zwischen den genannten Einrichtungen steuern. Zum anderen sollen sie Forschung und Lehre der Bildungswissenschaften mit Forschung und Lehre der Fachwissenschaften und der Fachdidaktiken zusammenbringen. Eine solche gemeinsame Steuerungsebene fehlt bisher an den Universitäten.

Fazit: Die überholten Strukturen der Lehramtsausbildung lassen sich nicht mit schwarz-gelber Flickschusterei reparieren. Werte KollegInnen von CDU und FDP,

legen Sie endlich Ihre bildungsideologischen Scheuklappen ab!

Wir brauchen eine grundlegende Reform.

Ohne besser ausgebildete Lehrer ist eine bessere Schule nicht zu haben.

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